Langes Wochenende

Endlich, endlich ist es soweit: Seit Sonntag ist Paul zu Besuch in Riga und ich hätte ihn doch am Flughafen wegen seiner neuen Brille fast nicht erkannt… Wunderschön, genau wie das Wetter momentan! 🙂

Am Montag haben wir nach einem ausgiebigen Plinse-Frühstück einen Spaziergang nach Mežaparks zum Ķīšezers-See gemacht, wo wir einfach zwei Stunden lang in der Sonne gechillt und uns direkt den ersten Sonnenbrand der Saison geholt haben. Abkühlung brachte uns dann aber der Besuch des Eishockeyspiels zwischen Lettland und Frankreich (European Hockey Challenge), das erst im Penalty-Schießen entschieden wurde.

Gestern fuhren wir zusammen mit Eva und Bettina nach Sigulda in den Gauja-Nationalpark, der früher im Deutschen als „Livländische Schweiz“ bezeichnet wurde. Wir haben uns Mountainbikes geliehen und dann eine ca. 20 Kilometer lange Radtour links und rechts des Flusses Gauja unternommen – von Sigulda über Krimulda und Turaida zurück nach Sigulda. Die Strecke verfügte zum Glück nicht über langweilige Asphaltwege, sondern führte sprichwörtlich über Stock und Stein. Es waren sogar zwei Berge mit Steigungen bis zu 11 Prozent dabei, was man von Lettland überhaupt nicht erwarten würde. Auf dem Weg lagen verschiedene Sehenswürdigkeiten wie die Bob- und Rodelbahn Sigulda, die Drahtseilbahn über die Gauja, das Schloss Krimulda mit den Parkanlagen, die Ruine der Ordensburg Krimulda, die Gutmannshöhle und das Museumsreservat Turaida mit der gleichnamigen Burg. Die Gutmannshöhle liegt am Ufer der Gauja und entstand vor Jahrtausenden in den Felsklippen. Sie ist die größte Höhle Lettlands und seit Jahrhunderten Ziel von Besuchern, wie mehr als 300 Jahre alte Inschriften zeigen. Die Burg Turaida wurde auf Anordnung des Erzbischofs Albert von Riga 1214 auf den Resten einer livischen Holzburg errichtet. Im Jahr 1776 brannte sie mit Ausnahme des Turms ab und ist heute mit Museum, Park, Skulpturengarten, Holzkirche und einigen rekonstruierten Bauernhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert ein beliebter Ausflugsort.

Vergangene Woche

Nach fast einer Woche nun endlich wieder Neues aus Lettland, genauer gesagt aus Liepāja und Mežaparks. Am Donnerstag fand wieder ein von der Botschaft organisierter „Tag der deutschen Sprache“ statt, diesmal in Liepāja, wo ich ja vor zwei Wochen schon war. Eine Besonderheit war, dass ich an der Universität einen Vortrag mit Informationen zum Studieren in Deutschland und zum DAAD halten durfte – auf Englisch. Leider waren nur sechs Leute da, aber es hat gut geklappt und auch Spaß gemacht. Auf jeden Fall fand ich es sehr cool, dass mein Chef soviel Vertrauen in mich hat! 🙂

Heute wurde ich Zeugin eines RIIIIIIIIIIIIIIIIIESIGEN (internationalen) Motorradkorsos: mehr als 1.000 Maschinen jeglicher Bauart die Brīvības iela entlang. Wie passend: Motorrad fahren als Synonym für Freiheit und Unabhängigkeit in der „Straße der Freiheit“. Ich hatte von meinem Balkon aus beste Sicht und konnte optimal beschallt werden. Also, einige Motorräder hätten aufgrund ihrer Schallwerte in Deutschland auf keinen Fall die Zulassung bekommen. Sehr krass!
Anschließend fuhren wir mit der Straßenbahn nach Mežaparks (dt. „Waldpark“), einem Stadtteil im Nordosten Rigas. Er liegt am Ufer des 17 km2 großen Ķīšezers-Sees, der beliebt für diverse Wassersportarten ist. Angelegt wurden der Waldpark (Kiefernwald) und der als Gartenstadt konzipierte Villenvorort am Anfang des 20. Jahrhunderts für die deutsche Elite Rigas bzw. andere reiche Menschen, denen es im Zentrum der Stadt zu eng und laut geworden war. Und leise und weitläufig ist es hier tatsächlich… Der deutsche Name von Mežaparks lautete Kaiserwald, der einigen von euch bekannt sein könnte. Während des Zweiten Weltkrieges lag in diesem Stadtteil das von den Nationalsozialisten errichtete KZ Kaiserwald.

Arbeitswochenende am See

Dieses Wochenende durfte ich sechs DAAD-Lektoren aus dem Baltikum auf ihr Arbeitswochenende begleiten. Ich hatte geholfen, eine von ihnen durchgeführte Studie mit Excel quantitativ auszuwerten und sollte meine Ergebnisse bzw. meine Vorgehensweise erläutern. Wir trafen uns in einem Ferienhaus in Azarkrosti am Ufer des Adamova-Sees ca. 5 km nördlich von Rēzekne. Samstagabend wurde nach getaner Arbeit gegrillt, u.a. typisch litauisches Schaschlik (Šašlykas), das nur entfernt mit unserem verwandt und total lecker ist. Sonst ist eigentlich weiter nichts Spannendes passiert – außer vielleicht, dass unser Auto auf der Rückfahrt nach Rīga wegen Geschwindigkeitsüberschreitung von der Polizei angehalten wurde. Wir durften aber nach einem sehr kurzen Gespräch ohne Strafe weiterfahren.

Die Hafenstadt Liepāja

Vor einer Weile hatten wir schon geplant, am 14.04. nach Liepāja (ca. 86.000 Einwohner und 3,5 h von Rīga entfernt im Westen Lettlands) zu fahren und gestern war es dann soweit. Leider fuhren letztlich nur Amélie und ich, weil Eva verschlafen hatte. 😉 Seit 2010 verkehren nur noch sporadisch Züge von , sodass wir auf den Bus angewiesen waren. Um 7:05 fuhren wir los, doch leider war der Bus so voll, dass wir knappe zwei Stunden bis Saldus stehen mussten. Es gibt für einen Samstagmorgen, an dem man eh schon vor dem Aufstehen los musste, angenehmere Beschäftigungen…

In Liepāja machten wir dann den Stadtspaziergang „Liepāja nach Noten“. Warum Noten? Weil Liepāja die Hauptstadt der lettischen Musik, insbesondere der Rockmusik, genannt wird. So verwundert es auch nicht, dass in Liepāja das erste Rockcafé Lettlands steht. Natürlich haben wir dort auch gleich Mittag gegessen. Die Stadt hat einige nette Ecken zu bieten und beeindruckt vor allem wegen der vielen Gegensätze. Liepāja, die drittgrößte Stadt Lettlands, musste wegen seines ganzjährig eisfreien Hafens während der russischen Herrschaft und der Sowjetokkupation als Militärbasis herhalten. 45 Jahre lang war es nach dem Zweiten Weltkrieg von der Außenwelt abgeschottet und für Ausländer und Einheimische ohne Sondergenehmigung gesperrt. Es verfiel regelrecht und musste Anfang der 90er Jahre ganz von vorn anfangen.

Von der Zeit als Militärbasis zeugen heute u.a. noch die Bauten im Stadtteil Karosta, den wir natürlich auch besucht haben. Und dank des Kriegshafens haben wir dann bei unserem Ausflug nach Liepāja wenigstens noch etwas Außergewöhnliches gesehen. Denn Karosta ist wohl einer der widersprüchlichsten Orte Lettlands – hier die goldenen Zwiebeltürme der orthodoxen Nikolai-Kathedrale vor sowjetischen Wohnsilos, dort zaristische Militärbauten und teils verödete Hafenanlagen. Die Gebäude stehen überwiegend leer und alles wirkt trist, was die Geschichte der Fremdbestimmung, aber auch die Orientierungslosigkeit nach der errungenen Unabhängigkeit verdeutlicht. Der im Norden von Liepāja gelegene Stadtteil diente ursprünglich als Stützpunkt der russischen Ostseeflotte. Ab 1890 entstand er auf Geheiß von Zar Alexander III. und dessen Sohn Nikolai II. Dass Liepāja als Standort ausgewählt wurde, lag nicht nur am eisfreien Hafen, sondern auch an der unmittelbaren Nähe zu Nimmersatt (lit. Nemirseta), dem nördlichsten Ort der bis 1918 zum Deutschen Reich gehörenden Provinz Ostpreußen. Anfang des 20. Jh. bildete Karosta einen von Liepāja völlig unabhängigen russischen Stadtteil mit eigener Post, eigener Energieversorgung und einer für damalige lettische Verhältnisse überdurchschnittlich guten Infrastruktur. Karostas Sonderrolle wird auch durch die Dimensionen der 1900-1903 auf Anordnung von Zar Nikolai II. errichteten Kathedrale deutlich: Das mit weithin sichtbaren goldenen Kuppeln ausgestattete Gotteshaus ist bis heute das höchste Kuppelgebäude an der Ostseeküste. Weil die Orthodoxen dieses Wochenende Ostern feiern, waren auch viele Gläubige vor Ort.
Während der Sowjetokkupation entstanden zahlreiche Plattenbauten, die nach dem Abzug der etwa 20.000 sowjetischen Soldaten 1994 mit einem Schlag leer standen. Seither ist Karosta nur noch zu etwas mehr als einem Drittel bewohnt, sodass wir den Eindruck bekamen, durch eine Geisterstadt zu laufen. Faszinierend für uns war aber unser Spaziergang an den Strand. Etwas nördlich von Karosta liegt der Nördliche Pier, der rund 2 km ins Meer ragt und einen herrlichen Blick auf den Hafen ermöglichte. In dem Moment kam auch endlich die Sonne hinter den Wolken hervor und ich konnte einige tolle Fotos schießen. Noch ein wenig weiter stadtauswärts befinden sich die Nördlichen Befestigungsanlagen. Sie wurden 1893-1906 auf Anordnung des russischen Zaren für Kriegszwecke gebaut, jedoch nie für die Verteidigung genutzt. Seit der Sprengung der Anlage noch vor dem Ersten Weltkrieg sind die Überreste sich selbst überlassen. Nur langsam scheinen die mächtigen Mauern zu verfallen – selbst die vom Meer um- und unterspülten Bauten trotzen der Kraft des Wassers. Sehr beeindruckend!

Noch ein wenig unnützes Wissen:

  1. 1899 wurde in Liepāja die erste elektrische Straßenbahn im Baltikum eröffnet.
  2. Rolf Kahn, der Vater von Oliver Kahn, wurde 1943 als Rolfs Kāns in Liepāja (dt. Libau) als Sohn eines baltendeutschen Vaters und einer lettischen Mutter geboren.

 

Mein Ostern

Leider bescherte uns das Wettern am Ostersonntag fast den ganzen Tag Schneeregen, sodass wir (Eva, ihr Bruder, ihre Freundin und ich) den Nachmittag erstmal mit dem Spiel „Phase 10“ zubrachten. Anschließend gingen wir ins berüchtigte Knoblauchrestaurant in der Altstadt, wo ich sogar Knoblauchbier getrunken habe. Leider war das Restaurant an sich nichts Besonderes, auch von der Atmosphäre her. Das Essen war zwar in Ordnung, aber man muss nicht unbedingt mehrmals dorthin gehen.

Heute dann war das Wetter umso schöner und so machten wir (Eva, ihr Bruder und meine polnische Mitbewohnerin Aga) einen Ausflug ins Ethnografische Freilichtmuseum am Jugla-See außerhalb der Rigaer Stadtgrenzen. Dort fand nämlich ein Ostermarkt mit allerlei Fressbuden, Handwerksständen und Folkloremusik statt. Wir genossen sogar ein, okay, zwei Bier in der Sonne und probierten einige kulinarische Köstlichkeiten. Das Museum mit den originalen und rekonstruierten Gebäuden der lettischen Bauernkultur erinnerte mich sehr an das Freilandmuseum Lehde im Spreewald. Der Tag war total schön, weil endlich ein paar Frühlingsgefühle in uns aufkeimten! 🙂 Aber genug geschrieben, hier kommen die Bilder: