Uz redzēšanos, Rīga!

Ich bin zurück in Deutschland und seit heute nicht mehr Arbeitnehmerin der Deutschen UNESCO-Kommission, nicht mehr »kulturweit«-Freiwillige und damit quasi arbeitslos.
Ja, das halbe Jahr im Baltikum verging wie im Flug. Es war eine schöne Zeit, die mir wieder wertvolle Erfahrungen gebracht hat. Vor allem aber hat sie mir neue, wunderschöne Seiten Europas gezeigt. Man muss nicht immer sonst wohin reisen, denn auch vor unserer deutschen Haustür gibt es lauter sehenswerte Ecken zu entdecken. Und das Baltikum gehört definitiv dazu!

Rīga, ich komme wieder, ganz bestimmt ganz bald. Gelegenheiten gibt es genug: das Sängerfest im nächsten Jahr, der Status als Kulturhauptstadt Europas in zwei Jahren.

Jetzt beginnt aber erst mal wieder der Ernst des Lebens. Der Master Kulturwissenschaft und Kulturmanagement an der PH Ludwigsburg ruft und dazu noch ein Studentenjob an der Akademie Schloss Solitude. Die sechs Monate in Lettland haben mir auf jeden Fall neuen Elan und neuen Mut für die Aufgaben gegeben, mich aber auch gelehrt, das Leben nicht so ernst zu nehmen. Ich hoffe, dass ich das – zumindest bis zur ersten Prüfungsphase – hinbekommen werde. 😉

Museum und Gedenkstätte

In den letzten Tagen haben wir uns u.a. das Jugendstilviertel angeschaut, wo für mich der Besuch im Jugendstilmuseum in der Alberta iela 12 neu war. Es zeigt die Wohnung vom Architekten des Hauses, Konstantīns Pēkšēns, mit original(getreu)en Einrichtungsgegenständen vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Man bekommt einen sehr guten Eindruck davon, wie reichere Rigaer Familien damals gelebt haben. Besonders imposant war das wunderbar ausgemalte Treppenhaus.

Nachdem der Besuch Jūrmalas wegen schlechten Wetters nicht in Frage kam, fuhren wir gestern zum Wald von Biķernieki – ein leicht bedrückender Ausflug. Auf dem weitläufigen Gelände wurden zwischen 1941 und 1944 ca. 40.000 Juden aus Deutschland, Lettland, Österreich und Tschechien sowie sowjetische Kriegsgefangene und politisch Verfolgte durch das NS-Regime und seine freiwilligen (lettischen) Helfer erschossen und in Massengräbern verscharrt. Seit 2001 erinnert eine Gedenkstätte daran: Im Zentrum steht ein schwarzer Granitblock, umgeben von tausenden Steinen, die an menschlische Gestalten gemahnen. Rings um das Steinfeld führen Wege an den eingefassten Massengräbern im Wald entlang.

Klaipėda und die Kurische Nehrung

Zur Info:
Die Kurische Nehrung schneidet sich wie ein riesiger Säbel, fast 100 km lang und im Schnitt weniger als 1 km schmal, durch die Ostsee. Dabei trennt sie das Meer vom Kurischen Haff, einer Süßwasserlagune, dreimal so groß wie der Bodensee. Berüchtigt und gefürchtet war sie jahrhundertelang für ihre Wanderdünen, den höchsten Europas, denn nach Abholzungen in der frühen Neuzeit begrub der Treibsand ganze Dörfer unter sich. Heute ist die Kurische Nehrung ziemlich genau in der Mitte geteilt: Der nördliche Teil gehört zu Litauen, der südliche zu Russland.

Wie sich vielleicht einige von euch erinnern können, haben Mutti und ich vor knapp zwei Jahren die russische Seite der Nehrung erkundet und nun folgte der litauische. Wir mieteten uns für zwei Tage ein Auto um flexibler zu sein und unterwegs anhalten zu können, wo wir wollten. Der erste Tag unserer Reise führte uns zunächst über den Berg der Kreuze und Orvydas Garten bis nach Klaipėda, wo wir günstig im 4-Sterne-Hotel übernachteten. Der Berg der Kreuze ist eines der wichtigsten nationalen Denkmäler Litauens und ein bekannter Wallfahrtsort. Er ist mit tausenden von Kreuzen jeglicher Art und Größe bedeckt (geschätzt ~200.000). Klaipėda (dt. Memel) bildete bis zum Ersten Weltkrieg den Nordostzipfel von Ostpreußen und liegt gegenüber dem nördlichen Ende der Kurischen Nehrung. So setzten wir am zweiten Tag unserer Reise früh morgens mit der Autofähre auf die Landzunge über. Vom Fähranleger ging es dann, immer wieder von kurzen Zwischenstopps unterbrochen, auf der alten nach Königsberg führenden Poststraße Richtung Nida (dt. Nidden), wo Thomas Mann von 1929-1932 ein Sommerhaus besaß.

Nachdem wir nun die gesamte Kurische Nehrung gesehen haben, bleibt zu sagen, dass der litauische Teil für unser Empfinden stellenweise zu touristisch ist. Auf der russischen Seite ist man fast allein unterwegs und kann die Ursprünglichkeit der Landschaft noch mehr genießen – ohne das stänidige Gesabbel v.a. anderer Deutscher hören zu müssen. Die litauische Nehrungsseite wirkt schon fast wie aus einem Bilderbuch und irgendwie etwas zu perfekt. Vermutlich wird sich der Tourismus in den kommenden Jahren aber auch im russischen Teil der Nehrung weiterentwickeln und die Zahl der Touristen stark zunehmen.

Stadtrundgänge

Seit Freitag ist meine Mutti zu Besuch, aber ausruhen kann sie sich hier nicht. Gleich am nächsten Tag sind wir nach Cēsis gefahren, einer kleinen mittelalterlichen Stadt im Gauja-Nationalpark. Hauptattraktion ist zweifelsohne die gut erhaltene Ruine der Ordensburg, die 1209-1224 vom Schwertbrüderorden errichtet wurde. Mehr als drei Jahrhunderte zählte sie zu den stärksten Festungen in Livland und galt als uneinnehmbar – bis Iwan der Schreckliche 1577 kam. Der im 14. Jahrhundert errichtete Westturm ist das beherrschende Gebäude der Anlage, in dem bis heute die inneren Räume und Treppen erhalten sind. Mit einer Laterne (mit Kerze) ausgestattet, konnten wir uns in die Dunkelheit der Burg wagen und sogar ins Verließ hinabsteigen, was in Deutschland rein sicherheitstechnisch nicht denkbar gewesen wäre. 😉

Der Sonntag stand ganz im Zeichen der Rigaer Altstadt. Jede noch so kleine Gasse haben wir erkundet und sogar für mich war noch etwas Neues dabei. Nach knapp sechs Monaten habe ich es endlich geschafft, vom Turm der Petrikirche den Blick über Riga zu genießen. Faszienierend, vor allem jetzt, wo ich weiß, was ich da eigentlich sehe. Am Abend stand der Besuch des Sting-Konzerts in der Arena Riga auf dem Programm. Der Mann ist echt charismatisch und Gott sei Dank hat er auch einige alte Lieder (auch von The Police) gespielt, die wir dann wenigstens kannten und lauthals mitsingen konnten.

Zu meinem Geburtstag wollten wir gemütlich Pārdaugava (Stadtteile auf der anderen Seite der Daugava) erkunden und dann essen gehen. Leider fiel der Spaziergang buchstäblich ins Wasser und ging mit heftigem Donner zu Ende. Völlig durchnässt zogen wir den Restaurantbesuch im kleinen, aber feinen „Vīnoga“ vor.

Außerhalb des Rigaer Zentrums

Weil das Büro gerade Sommerpause hat und ich nicht mehr arbeiten muss, nutze ich die Zeit, Seiten on Riga zu entdecken, die ich noch nicht kenne, die man aber unbedingt gesehen haben muss. Den Anfang meiner Touren bildete die Mole von Mangaļsala, das Tor nach Riga. Es ist das Erste, was Schiffe vom Meer aus passieren müssen, um in die Stadt zu kommen. Die Mole liegt genau an der Stelle, an der die Daugava in die Rigaer Bucht mündet. Wenn man den Damm entlang läuft, fühlt es sich ein wenig so an als würde man auf dem Wasser gehen.
Gestern erkundete ich gemeinsam mit meiner Kollegin Ieva die Moskauer Vorstadt. Ich war zwar schon einige Male dort, aber immer nur am Rand, nie wirklich richtig drin. Auch wenn sie als zwielichtige Gegend der Stadt gilt, hat die Moskauer Vorstadt, die auch liebevoll „Maskačka“ genannt wird, wunderschöne Seiten. Vor allem wegen ihrer Holzarchitektur ist sie einen Besuch wert. Außerdem ist es der einzige Teil Rigas, in dem man Kirchen von fünf verschiedenen Konfessionen findet: katholisch, russisch-orthodox, lutherisch, armenisch-apostolisch und altgläubig. In der Maskačka befindet sich auch der Latgalīte-Markt, sozusagen der Schwarzmarkt Rigas. Den haben wir natürlich genauer unter die Lupe genommen. Es ist ein faszinierender, chaotischer Ort, an dem Antikes genauso wie Bücher, Fahrräder, diverse Autoteile, Fernbedienungen etc. verkauft werden. Leider habe ich kein Foto gemacht, aus Angst um meine Kamera.
Heute fuhr ich zum Bruderfriedhof (Brāļu kapi), der neben dem Freiheitsdenkmal die bedeutendste lettische Gedenkstätte ist, entstanden zwischen 1924 und 1936. Mehr als 2.000 gefallene lettische Soldaten des Ersten Weltkriegs und des Unabhängigkeitskampfes (1918-1920) sind dort bestattet. Nach dem Zweiten Weltkrieg beerdigten die Sowjets auf dem Friedhof Gefallene der Roten Armee, später auch Funktionäre, und schliffen von den Grabsteinen die Namenszüge lettischer Gefallener ab. Im Zuge der Restaurierung in 90er-Jahren wurden die Rotarmisten auf einen anderen Friedhof umgebettet und die Grabsteine wieder hergestellt. Eine wirklich beeindruckende Anlage: Ein riesiges Eingangsportal führt in den „diesseitigen“ Mahnmalsbereich, der dem Leben gewidmet ist. Rechts und links der Hauptachse versinnbildlicht eine Lindenallee die Mütter, Schwestern und Bräute bzw. Witwen der Gefallenen. Die Allee führt zu einem erhöhten Hain von 100 Eichen, die eine Ehrenwache smybolisieren. In der Mitte des Ehrenhains brennt ein Ewiges Feuer. An den Ehrenhain schließt das tieferliegende, den Tod verkörpernde „Jenseits“ an. Das zentrale Gräberfeld umfasst 315 Grabstellen von namentlich bekannten sowie eine Grabstelle für 87 namenlose Kämpfer.