Anfang Juni fand an der Špeciálna základná škola und dem Evanjelické gymnázium in Banská Bystrica, Slowakei, ein kleiner „Austausch“ statt. Die Špeciálna základná škola ist eine Sonderschule für lern- und geistig behinderte Schüler.
Die Schüler haben sich also gegenseitig an ihren Schulen besucht und unter meiner Anleitung an zwei Projekttagen in gemischten Gruppen Fotostorys erarbeitet.
Nach dem Zwischenseminar musste ich meine bisherige Projektidee verwerfen, da ihre Realisierung nicht möglich war. Mein geplantes Erste-Hilfe-Training wäre am nicht vorhandenen Übungsmaterial und an der fehlenden Motivation der Schüler gescheitert. Auch meiner neuen Idee, gemeinsame Projekttage mit einer Sonderschule zu organisieren, räumten die Deutschlehrkräfte zunächst geringe Chancen ein. Als der Direktor jedoch seine Zustimmung zu meinem Vorhaben gab und ich eine Sonderschule überzeugen konnte, mitzumachen, stand der Termin: Am 3. Juni sollten die Schüler meiner Schule an die Sonderschule kommen, am darauffolgenden Tag sollte der Gegenbesuch erfolgen.
Mit dem Projekt wollte ich erreichen, dass sich behinderte und nicht behinderte Schüler respektvoll und vorurteilsfrei begegnen, voneinander lernen, und Spaß am Entwickeln gemeinsamer Ideen haben. Für mich gilt der Satz, mit dem Richard von Weizsäcker schon 1993 für ein Miteinander von Behinderten und Nichtbehinderten warb: „Es ist normal, verschieden zu sein.“
Ich war sehr froh darüber, dass ich mit der 3.B eine Klasse gefunden habe, die für mein Vorhaben aufgeschlossen war. Sie besteht aus 10 Schülern, aus den beiden teilnehmenden Klassen der Sonderschule kamen zusammen etwa dieselbe Anzahl an Teilnehmenden.
Ich möchte an dieser Stelle auf den konkreten Ablauf der beiden Tage zu sprechen kommen. Vor der Beschäftigung mit den vorgegebenen Fotostorythemen haben wir einige Kennenlernspiele gemacht. Die Schüler sollten zum Beispiel die Augen schließen und erraten, wer ihnen seinen Namen ins Ohr geflüstert hat. Oder: Sie führten sich in Zweiergruppen blind durch das Schulgebäude. Dadurch konnte gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden. Auch in den zweiten Tag starten wir mit einigen Aktivierungsspielen. Die Arbeit an den Fotostorys beanspruchte die restliche Zeit.
Die größte Herausforderung bestand für mich hauptsächlich darin, interessante Themen zu finden und den genauen Ablauf zu planen. Anschließend konnte mir eine Religionslehrerin, die mich beim Projekt tatkräftig unterstützte, die Aufgabenblätter für die Gruppen ins Slowakische übersetzen. Das Freiwilligenprojekt fand auf Slowakisch statt und es hat einiges von mir verablangt, alles auf Slowakisch zu erklären.
Drei Gruppen wurden mit der Aufgabe betraut, sich eine eigene Geschichte auszudenken, die sich mit den Themen Zivilcourage, Alkoholmissbrauch und Armut auseinandersetzt. Die Schüler haben sehr präzise Vorgaben erhalten, was sich als vorteilhaft erwies. Die vielleicht interessanteste Aufgabe ging an Gruppe 3 und bestand darin, einen Kipnapper an unserer Schule zu finden, der eine Englischlehrerin gefangen hielt. Obwohl ich eigentlich einem rumänischen Englischlehrer die Rolle des Kidnappers zudachte, belastete sie – nachdem die Schüler ihr Versteck gefunden hatten – einen anderen Kollegen. Sie hat sich wahrscheinlich nicht mehr genau an unsere Abmachung erinnert und dadurch wurde die Geschichte noch chaotischer und lustiger.
Auch die anderen Gruppen haben tolle Ergebnisse präsentiert und waren sehr kreativ. In Bälde lade einige Fotostorys auf dieser Seite hoch. Auch die beiden begleitenden Lehrerinnnen von der Špeciálna základná škola waren beeindruckt, wie unproblematisch die Schüler zusammenarbeiteten.
Ganz nebenbei – darum sollte es in meinem Projekt eigentlich gar nicht gehen – haben einiger unserer Schüler ihre Einstellung gegenüber Roma geändert. (Einige als lernbehindert eingestufte Kinder der Špeciálna základná škola waren nämlich Roma.) Die Schüler aus meiner Schule haben einfach gemerkt, dass die Romakinder der Sonderschule Jugendliche wie sie selbst sind und man mit ihnen zusammenarbeiten kann, ohne ausgeraubt zu werden.
Besonders schön wäre es, wenn eventuelle Nachfolger als Freiwillige am Evanjelické gymnázium das Projekt in ähnlicher Form durchführen könnten und den Kontakt zur Špeciálna základná škola nicht abreißen lassen.
Zu guter Letzt noch zwei Stimmen zu dem Projekt:
Miriam, 17
„Für unsere Klasse war das jetzt das erste Mal, dass wir an so einem Projekt teilgenommen haben und obwohl wir uns die Zusammenarbeit am Anfang nicht so gut vorstellen konnten, denke ich, dass das Projekt sehr gut gelaufen ist und dass es am Ende die Zufriedenheit auf den beiden Seiten gab.
Die Schüler waren gegenüber den Aufgaben sehr aufgeschlossen und die Kommunikation zwischen uns hat sehr gut funktioniert, obwohl es ab und zu ein bisschen länger gedauert hat, bis sie verstanden haben, was wir machen sollen, aber genauso hat es auch bei uns ausgesehen, also von daher …
Das Ergebnis der Zusammenarbeit hat uns sehr gefreut, und wie die Schüler auch gesagt haben, war die Aufgabe, verschiedene Fotostorys zu erstellen, sehr interessant und ganz anders als das, was wir normalerweise in der Schule machen.
Jeder von uns hat mit Sicherheit etwas gelernt und wir haben von verschiedenen Problemen und Schicksalen dieser Schüler gehört, was ich für einen eindeutigen Vorteil halte.
Also man kann sagen, dass dieses Projekt seinen Zweck erfüllte.“
Natália, 17
„Das Projekt mit behinderten Kindern war super. Zuerst hatte ich Vorurteile: Wie sind sie? Was wissen sie? Wir mussten zusammen eine Fotostory machen. Das war eine gute Erfahrung. Ich habe neue Freunde und sie sind super. Dieses projekt war wirklich sehr gut. Jetzt habe ich keine Vorurteile und es freut mich sehr, dass ich an diesem Projekt teilnehmen konnte. Wir hatten keine Probleme und Moritz hat es sehr gut organisiert.“