Ich glaube, es ist an der Zeit, mal ein wenig ueber mein „Zuhause auf Zeit“ zu berichten.
Ich wohne in Erdenet, das im Norden der Mongolei im Orkhon-Aimag liegt und auch dessen Zentrum bildet. Je nachdem, wo man nachschaut, erhaelt man verschiedene Zahlen und Angaben zu Groesse und Einwohnerzahl. Neben Darkhan, das nur 180 km entfernt liegt, ist Erdenet die zweit- bzw. drittgroesste Stadt der Mongolei mit 75.000 bis 85.000 Einwohnern (man weiss die genaue Zahl nicht, nur, dass sie unter 100.000 liegt).
Erdenet bedeutet auf Mongolisch „kostbarer Schatz“ und spielt auf die Kupfermine an, die ausserhalb der Stadt liegt und der Grund ist, warum Erdenet ueberhaupt existiert. Mein Reisefuehrer verraet mir, dass die Stadt in den 70er Jahren mit der Gruendung der Mine grossgeworden ist und seit jeher eine Arbeiterstadt ist. Besonders viele Russen lebten in Erdenet und auch heute noch gibt es eine russische Minderheit (10% der Einwohner) samt eigener Botschaft. Die Mine ist bis heute mit der Teppichfabrik der groesste Arbeitgeber und – laut Wikipedia – auch ein entscheidender Faktor in der mongolischen Wirtschaft. Auch die Einwohner sind stolz auf „ihre“ MIne und erzaehlen mir, sie sei die zehntgroesste weltweit (Das kann ich weder widerlegen noch bestaetigen). Allerdings gehen Experten davon aus, dass sie in den naechsten 30 Jahren erschoepft sein wird.
Obwohl hier an die 80.000 Menschen leben, empfinde ich Erdenet als recht klein. Das mag mit der Stadtstruktur zusammenhaengen: Das eigentliche „Zentrum“ Erdenets, mit Supermaerkten, Markthallen, vielen Geschaeften, oeffentlichen Plaetzen etc. ist ueberschaubar und es gibt auch nicht viele hochaufragende Haeuser. Statt in die Hoehe erstreckt sich Erdenet in die Breite: Die Huegel ausserhalb des asphaltierten Zentrums sind von tausenden kleinen Hausern, Kleinsthaeuschen und Jurten besiedelt. Um den Kern der Stadt mit Schulen, Verwaltungsgebaeuden, oeffentlichn Einrichtungen etc. herum erstreckt sich ein riesiger Teppich aus „Jurtenvierteln“. Dort sind die Strassen ungeteert, es gibt Elektrizitaet, aber kein fliessend Wasser. Kleine Busse und private Taxen fahren dort hinein, um die Menschen von der Arbeit nach Hause zu bringen oder andersherum.
In Erdenet die Orientierung zu verlieren, ist so gut wie unmoeglich, denn die wichtigen, grossen Strassen verlaufen alle in Nord-Sued- bzw. Ost-West-Richtung. Besonders wichtig ist die Ost-West-Verbindung: Folgt man der Strasse nach Westen, kommt man erst zu den „Jurtenvierteln“ und schliesslich auf eine holprige Strasse nach Bulgan-Stadt, dem Zentrum des gleichnamigen Aimags. Die Strasse nach Osten ist ungleich wichtiger: Sie ist die einzige Verindung raus aus Erdenet nach Darkhan bzw. nach Ulaanbaatar. Diese Strasse wird gesaeumt von grossen Werkshallen und Fabriken und schliess lich dem Kupfer-Begwerk. Strassentechnisch gesehen, liegt Erdenet am Ende der geteerten Wege (Es gibt natuerlich zahlreiche unbefestigte Pfade ueber Land nach UB, die von den Taxifahrern genutzt werden). Ansonsten kommt man nach einigen Minuten Fahrzeit Richtung UB zum Bahnhof. Von dort faehrt und kommt taeglich ein Nachtzug ueber Darkhan nach UB . Dauer: Ca. 11h. Nach Darkhan braucht man mit dem Taxi ca. 2h, nach UB 6-7h.
Bereits in der Stellenbeschreibung wurde angegeben, das Leben in Erdenet aehnele dem in einer Kleinstadt mit begrenztem Freizeitangebot. Und das stimmt auch so – in gewisser Weise. Es gibt hier kein Kino, eine Theater-/Konzerthalle mit kleinem Programm, ein Sportzentrum mit Schwimmbad und Sauna, ein Vergnuegungspark (den ich allerdings noch nie in Betrieb gesehen habe) und ein Sportstadion ein wenig ausserhalb. Ein paar kleine Bars, Cafes, Karaokebars und kleine Clubs (die um 12 Uhr schliessen). Das ist ein recht ueberschaubares Angebot. Und manchmal fluche ich auch ein wenig vor mich hin, wenn ich wegen jeder Kleinigkeit in die Hauptstadt pendeln muss (z.B. um mir internationale Zugtickets zu besorgen). Aber trotzdem liegt hier nicht der Hund begraben. Als es noch warm war, habe ich dutzende Jugendliche auf den vielen Hinterhofplaetzen Basketball spielen sehen. In jeder Wohnsiedlung gibt es kleine Spiel- und Sportplaetze. Nach Schulschluss tummeln sich die Kinder auf den Schulhoefen. Das, was es an oeffentlichem Angebot nicht gibt, wird privat organisiert – so ist mein Eindruck. Es gibt Angebote kleiner christlicher Gemeinden fuer Kinder und Jugendliche und wohl auch viele Moeglichkeiten, Sport zu treiben (Tennis, Volleyball, Basketball).
Eine Besonderheit, die mir auffaellt, sind die vielen kleinen Geschaefte in den (befestigten) Wohnvierteln und „Jurtenvierteln“: Sie sind klein, aber bieten fast rund um die Uhr an jedem Tag der Woche alles an, was man (kurzfristig) zum Leben braucht: Brot, Marmelade, Suesses, Waschpulver, Batterien, Shampoo, Seife, Alkohol und vieles mehr. Manche dieser Kioske verkaufen auch Milch aus grossen Kanistern. Ich finde, sie lassen das ansonsten eher triste Strassenbild munter und bunt erscheinen. Ueberhaupt spielt sich viel Leben auf der Strasse ab: Ueberall gibt es kleine Strassenstaenden mit Sussigkeiten, Obst, Gemuese und manchmal auch Kleidung. Am „Schwarzmarkt“ gibt es viele Buden mit einem grossen Angebot von Quark ueber Schulsachen bis hin zu Fellen, Taschen und Schuhen. Viele Geschaefte liegen etwas versteckt in Hinterhoefen oder Hauseingaengen und haben meist das gleiche Angbeot wie die grossen Laeden nur zu einem gerinderen Preis. Man muss nur wissen, wo man suchen muss. Es gibt hier im uebrigen auch einen IKEA – sehr klein und uebersichtlich, aber immerhin! đ
Begibt man sich ein wenig Richtung Norden, trifft man schnell auf „unberuehrte“ Natur: Sanfte Huegel, kleine Tannenwaeldchen und weite Wiesen erstrecken sich nur wenige Meter um Erdenet herum. Von diesen Huegeln hat man auch einen phantastischen Blick auf die Stadt, die in einer Mulde auf 1300m liegt. Ich treffe auf ein paar Schafe, Ziegen, Pferde und HIrten, die ihr Vieh beaufsichtigen, Huetehunde umkreisen mich neugierig. Jetzt im Herbst/Winter muss man sich fuer einen kleinen Spaziergang warm anziehen, aber im Sommer muss es toll sein, direkt hinter der Haustuer weite, wilde Landschaft zum Spazierengehen, Picknicken, Spielen und viel mehr zu haben.
Langsam begebe ich mich wieder auf meinen Weg nach Hause. Ich laufe gern in der Daemmerung, aber man sollte tunlichst vor dem kompletten Einbruch der Dunkelheit im Haus sein…denn kleine Wege sind meist unbeleuchtet und bieten Stlperfallen. Ganz zu schweigen davon, dass auf einigen Gullis auch mal der Deckel fehlt! đ







Liebe Sarah,
Eric hat mir heute Deine Blog-Adresse geschickt und ich habe schon alle Deine Berichte gelesen. Ich freue mich ĂŒber die vielen schönen Erfahrungen und Erlebnisse die Du hast. SelbstverstĂ€ndlich werde ich ab jetzt regelmĂ€Ăig vorbei schauen. Ich wĂŒnsche Dir, dass Du noch viele nette Menschen kennen lernst und noch viel mehr der mongolischen Lebensweise aufnimmst.
Liebe GrĂŒĂe
Uwe
Hallo Uwe,
vielen Dank fuer die netten Wuensche. Wenn ich wieder in good-old Mettmann bin, werde ich einiges zu erzaehlen haben! Liebe Gruesse an die Familie, Sarah đ