Einmal Nirwana und wieder zurück

Seit ich in der Mongolei angekommen bin, bin ich fast jeden Tag über Glauben und Tradition im Alltag gestolpert: Sei es ein Bild der verstorbenen Mutter, vor dem kleine Schalen mit Süßigkeiten oder Getränken stehen, Gegenstände, die mit einem (meist blauen) Schal umwickelt sind, eine Einladung zu einem Haarschneidefest oder kleine Bilder mit exotisch aussehenden Gottheiten. Um den Glauben kommt man hier (im wörtlichen Sinne) nicht herum. Es stehen zwar keine heiligen Kühe auf der Straße, dafür muss man aufpassen, keinen vielbeschäftigten Mönch umzurennen. Seit ich ein paar dieser rot- bzw. gelbgewandeten Männer im Straßenbild von Ulaanbaatar entdeckt hatte, war meine Neugierde geweckt. In meinem Reiseführer steht, es gäbe hier mehr als genug Klöster zu besichtigen und so habe ich mich gestern denn aufgemacht, ein paar von diesen zu suchen und zu erkunden.

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Tatsächlich ist es nicht weiter schwer, Klöster auszumachen. Umgeben von einer trutzigen Mauer erheben sich anmutig, fast schwerelos wirkende Dächer, Fahnenstangen oder Stupas in den blauen Himmel. Sobald ich die Klosterschwelle übertrete, empfängt mich ein Gefühl von Ruhe. Der Verkehrslärm ist erstickt und ich bilde mir sogar ein, die Luft wäre weniger staubig und schmutzig. Für mich ist das wie ein  kleiner Zufluchtsort vor dem Alltag, und ich sehe viele Mongolen, die hier kurz rasten und Atem schöpfen. Gemächlich umrundet man die Häuser, dreht dabei die Gebetsmühlen – diese werden dreimal gedreht, wie mir eine hilfsbereite Mongolin erklärte und schließlich auch vormachte – oder nimmt auf einer der Bänke Platz.

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Einige der Besucher verschwinden in den Häusern und so nehme auch ich meinen Mut zusammen und gehe hinterher. Ein wenig Angst habe ich schon, irgendwo reinzuplatzen. Der Raum schließlich ist groß und wird durch eine große Buddhastatue samt überdimensionaler Gebetskette fast vollständig ausgefüllt. Doch es ist noch Platz genug für ein paar Bänke und einen kleinen Tisch, hinter dem ein Mönch hockt. Leider kann ich die Sachen, die dort liegen, nicht genau zu ordnen, tippe aber auf religiöse Utensilien. In dem Moment nimmt eine Frau vor dem Tisch und Mönch Platz und legt zwei Säckchen mit schwarzen bzw. weißen Steinchen hin. Kurzer Dialog, dann beginnt der Mönch etwas in einem kleinen Gefäß zu verbrennen (Weihrauch o.ä.) und laut zu murmeln. Kurz darauf leutet er mit einer Glocke und gibt das Gefäß an die Frau. Diese fächelt sich den Duft zu und lässt es dreimal um den Körper kreisen. Der Mönch singt immer noch. Kurze Zeit später werden auch die weißen und schwarzen Steinchen, nachdem sie vom Mönch vor den Mund gehalten wurden, um den Körper gegeben – die weißen im Uhrzeigersinn, die schwarzen dagegen – , noch einmal Glokengebimmel und fertig. Der Mönch zückt ein kleines Büchlein und liest etwas vor. Die Dame drückt ihm ein paar Steine in die Hand, bedankt sich und geht. Mittlerweile hat sich neben mir auf der Bank eine kleine Schlange gebildet und ich beobachte noch ein paar Mal das ganze Vorgehen. Was genau passiert, ist mir nicht ganz klar. Ich vermute eine Art Wahrsagung bzw. Vorhersehung oder vielleicht auch nur ein Rat. Auch in einigen anderen Klöstern kann ich diese Begegnungen beobachten. Scheint  hier also eine alltägliche Sache zu sein. Ich wundere mich. Und bin beeindruckt.

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Ein Gedanke zu „Einmal Nirwana und wieder zurück

  1. Sarah Ganss Beitragsautor

    Hallo zusammen, noch eine Ergaenzung: Dieses „Ritual“, was der Lama ausgefuehrt hat, ist keine Wahrsagung! Moenche koennen nicht wahrsagen, nur Schamanen. Was Moenche aber haeufig machen und eine ihrer wichtigsten Aufgebn ist, ist das sog. „Lesen“. Dabei gehen Glaeubige zu einem Lama, schildern das eigene Problem oder das von jemand anderem, und der Lama „liest“ dann. Das passiert zum Beispiel, wenn jemand gestorben ist.

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