Far Nearer

7 05 2012

Erst die Fremde lehrt uns,

was wir an der Heimat haben.

Theodor Fontane (1819 – 1898) 

 

Bei Fernweh werde alles andere banal, sagen die Leute.

Wer einmal länger auf Reisen war, sei für immer unterwegs, sagen sie auch. Auch ich konnte meinen Blick in die Ferne nie wieder abwenden. Die Blickrichtung ist geblieben, den Rucksack trage ich noch immer, aber meine Perspektive hat sich verändert: Ich wollte die touristische Sonnenbrille abnehmen und den Sehkreis eines Backpackers überschreiten. Ja, es stimmt: Wer einmal länger auf Reisen war, ist für immer unterwegs. Aber heute weiß ich, dass das nicht alles ist, was den Backpacker beim Reisen antreibt – sondern noch etwas, was über der Abenteuerlust, der Erfahrung von persönlichen Autonomie und dem Kulturaustausch steht. Alle Reisen haben eine Bestimmung, die der Backpacker nicht ahnt und genau in dieser Aufgabe fand ich mein Forschungsinteresse, meine Leidenschaft und meine Fähigkeiten wieder.

 

Ferne Länder sind viel mehr als nur Abenteuerspielplätze, auf denen man grenzüberschreitende Freiheit erleben kann.

Ferne Länder sind das Sprungbrett zu einem Selbst, denn wer sich mit dem Fremden auseinandersetzt, muss auch immer das Nahe durchqueren und sich dem Eigenen stellen.

Ferne Länder sind somit auch das Sammelbecken der Antworten auf die Fragen, woher man kommt, wer man eigentlich ist und wohin man gehört.

Durch das Fremde wird der Mensch angeregt, den eigenen kulturellen Kontext zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verändern. Es ist genau dieser Prozess, bei dem sich das Ich mit dem Rest der Welt auseinandersetzt. Ich habe mich gefunden, meinen Platz in der Welt auch, aber den Rucksack trage ich noch immer. Wer einmal länger auf Reisen war, ist für immer unterwegs und wird seinen Rucksack nicht einfach so ablegen können, wie man es mit einem praktischen Reiseaccessoire macht. Denn auf Reisen lernt man nicht nur ein fremdes Land kennen, sondern etwas vom Leben und der Reisende packt Erfahrungen und Erkenntnisse ein, die zu neuen, wichtigen Bausteinen seiner Identität werden.

Und mir wird klar: Fernweh ist nicht banal.

Fernweh ist ein Grundbedürfnis. Fernweh gewährt mir neue Zugänge. Motiviert und mutig packe ich meinen Rucksack, schnalle ihn und meine Erfahrungen fest, blicke über meine heimatlichen Grenzen hinweg. Diesmal ohne Reiseführer und Sonnenbrille, dafür mit Diktiergerät, Kamera und Notizbuch. Ich kehre zurück in die Ferne. Als Wissenschaftlerin.


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3 Antworten

13 05 2012
Muck

Schön, dass es hier wieder was zu lesen gibt!
Freu mich auf mehr.
Ich wünsch Dir eine wunderbare, intensive Zeit!

Allerbeste Grüße vom Rhein:
muck 🙂

12 05 2012
Simon

Denn auf Reisen lernt man nicht nur ein fremdes Land kennen, sondern etwas vom Leben… Nicht nur Reisende, sondern auch Daheimgebliebene lernen etwas vom Leben, wenn der Reisende unterwegs ist: Dinge über den anderen Menschen, die ferne Kultur, dass das Verhältnis aus Nähe und Distanz auf einmal eine neue Definition braucht, dass die Reise an sich schon einen zwischenmenschlichen Zweck erfüllt. Ich vermisse dich!

17 05 2012
Pia Feyh

:-* :-* :-*




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