Pai fai goes Hanoi

Um es mit Goethes Worten zu sagen: „Die Welt urteilt nach dem Scheine.“

In der westlichen Welt ist man schön, wenn man tief gebräunt aus der Sonne zurück taumelt. Im asiatischen Raum gilt der weiße Teint das Schönheitsideal.

In dem lauten, aufregendem und noch hektischerem Saigon,

Busy Saigon

habe ich erstmalig die vietnamesische Hitze kennengelernt, die in Hanoi noch in vollen Zügen auf uns eintreffen wird. Ich habe jetzt beobachten können, wie die Einheimischen mit solch hohen Temperaturen umgehen. Ich muss ehrlich sagen: ich habe doppelt und dreifach geschwitzt – für die Vietnamesen nämlich mit, als sich mir diese völlig neuen Bilder offenbarten:Frauen und junge Mädchen, die sich auf ihren Roller durch die Mittagssonne quälen, total eingepackt in Klamotten, langärmligen Jacken und Strumpfhosen unter ihren Shorts oder Röcken. Hüte, Sonnenbrille und Mundschutz und jetzt der Knaller: Handschuhe. Dieses Bild war so stark vertreten und so befremdlich.Winterhandschuhe – so wie jeder Deutsche sie grade fröhlich in den tiefen seines Schrankes verstaut hat und betet, sie bis Mitte Dezember nicht mehr auspacken zu müssen. Irgendwann während einer unserer Taxifahrten, bei denen ich dieses verhüllte Treiben beobachten konnte, kam dann mein ziemlich verspäteter Aha-Effekt:  Diese dick eingepackten Frauen versuchen dem asiatischen Schönheitsideal zu entsprechen und schützen ihre Haut vor Sonne, um einen möglichsten blassen Teint zu behalten.

Typische Werbeplakate in Asien (hier in Hongkong)

In den Kosmetik- und Drogeriegeschäften findet man überall Cremes mit „Whitening-Effect“. Natürlich habe ich zu Beginn nicht darauf geachtet und dieses Zeug in meinen Einkaufskorb geschmissen…

Fehlkauf - Verspricht "Whitening Effekt"

Und jetzt muss wirklich lange suchen, bis ich ein Produkt ohne diese Zusatzstoffe finde. Im Gegensatz zu unserer westlichen Selbstbräuner-Variante soll es zu einem weißen Hautbild verhelfen. Es ist natürlich totaler Unfug und die häufige Anwendung macht die Hautschichten kaputt. Selbstbräuner und Solarium sucht man hier bestimmt vergebens, genauso wie Werbebilder und Models mit südländischem Aussehen: „So sehen Menschen vom Land aus. Arbeitende, arme Menschen“, erklärt mir meine Vermieterin, bei der ich heute neugierig aber vorsichtig nachgefragt habe. Ein weißes Hautbild hingegen spricht in Vietnam für Körperpflege, Ästhetik und Geld.

Versteht mich nicht falsch: Lassen wir jedem Menschen und jedem Kontinent ruhig seinen eigenen Wahn…Aber zu sehen, wie sich Asiatinnen in dieser glühenden Hitze abhecheln, umständlich um- und ausziehen, bevor sie in den Gebäuden verschwinden und die Sonne – die doch so viele Millionen Menschen glücklich macht – auf ganz andere Weise wahrnehmen als wir, waren extrem fremde Kulturmuster für mich.

Angst vor der Sonne

Schrecklich dieser Wahn. Wahn um etwas, was noch nicht mal stabil sondern dynamisch ist – Schönheit wird schließlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich wahrgenommen. Ist subjektiv. Naja, eigentlich ist es noch viel mehr als das: Jeder Teil der Welt bastelt sich seine eigne Definition von Schönheit zusammen. Das einzige was dabei wohl stetig schön bleibt, ist die Welt selbst!

Und seien wir an dieser Stelle doch mal ehrlich: Es gibt so viele Irrtümer über Begriffe wie „Schönheit“. Aber es geht doch gar nicht darum, makellos zu sein, glatt geschliffen. In unserem kosmetischen Zeitalter ist doch mittlerweile schließlich alles makellos – und deshalb eigentlich wieder normal.

Vielmehr… drücken heute  die kleinen Macken das Besondere am Menschen aus und sind deshalb gerade das, was eigentlich schön ist an uns, oder nicht?

Verborgene Schönheit mitten im Lavageröll