Die letzte Woche ist wie im Flug vergangen. Ich hatte kaum Zeit für mich. Oft begann mein Arbeitstag um halb zehn und ich war erst um zwölf oder später zu Hause (und wegen dem animalischen Treffpunkt in meinem Hinterhof quasi nie vor 4 Uhr am schlafen!) Ich glaube diese 16 oder 18 Stunden Tage waren sehr gut für mich und meine Eingewöhnungszeit. So nun aber der Grund für dieses Vollzeitprogramm: Vielleicht erinnert ihr euch – ich habe das große Glück zu der Zeit in Vietnam zu sein, in der auch das Deutsch-Vietnamesische Jahr ist. Die diplomatischen Beziehungen der Länder bestehen seit 2010 genau 35 Jahre und aus diesem Anlass hat sich ein Kulturprojekt gegründet, „Deutschlandjahr in Vietnam“, welches ganzjährig die unterschiedlichsten Künstler einlädt und dauernd kulturelle Projekte und Events in Hanoi anbietet, um die ganze Bandbreite und Vielschichtigkeit dieser bilateralen Beziehungen widerzuspiegeln. Träger der Veranstaltung ist das Auswärtige Amt, die Federführung hat das Goethe-Institut und das Büro dieses Projekts sitzt in unserem Haus und hat tolle Mitarbeiter und deutsche Praktikantinnen, die meine Zeit hier in Hanoi sehr stark prägen!
Dadurch war ich ziemlich involviert in das Highlight der letzten Woche: Cracking Bamboo:
2 Wochen, 60 Künstler aus der ganzen Welt, vollkommen neue Musik bilden und zusammen das zweite internationale Percussion Festival ausrichten. Sie wurden von dem Goethe Team begleitet und betreut, mit Essen umsorgt und in Busse geschoben, um rechtzeitig von A nach B zukommen. Letztes Wochenende hatten sie dann ihr Festival und haben Hanoi präsentiert, was sie in der knappen Woche hier zusammen kombiniert und komponiert hatten, da sie sich ja untereinander nicht kannten und jeder von ihnen nicht nur aus einem anderen Land kommt, sondern auch ganz andere Musik macht und spielt.
In dieser Woche so viele Menschen kennengelernt zu haben, von Norwegen, Italien, Indien, England, China, Schweiz, Frankreich, Deutschland, Türkei, Indonesien, Malaysia, Kanada, Holland, Dänemark, Korea, Kambodscha, Vietnam etc. so eine spürbare Diversität, so eine Interkulturalität, so viele energiegeladenen super nette schräge Künstler, die Musik und die Kultur im Raum, leckere gemeinsame Buffets und alle konzentriert auf das große Festival am letzten Wochenende. Es war wie eine kleine gemeinsame Klassenfahrt.
Ich bin total begeistert von Cracking Bamboo, von der letzten Woche, von den Menschen. Oona und ich waren so euphorisiert, dass wir die ganze Zeit total albern und aufgedreht waren, wie kleine Kinder, umgeben von tausend bereichernden Künstlern– so dass wir diese Woche erstmal wieder runterfahren und in den Alltag zurückfinden müssen.
Tja und wenn es kommt, kommt doch meist alles Gute zusammen: Cracking Bamboo hatte den zweiten Festivaltag und ihre letzte Nacht in Hanoi am 27.03. Das war also die ideale Rein-feier-Gelegenheit für mich und die habe ich natürlich genutzt. Nach einem erfolgreichen Auftritt hat der Institutsleiter des Goethes Hanois alle 60 Künstler, das Serviceteam und alle Goethe Mitarbeiter zu sich in sein Anwesen am WESTLAKE eingeladen. Warme Sommernacht in Hanoi, riesen super tolles Haus, riesen super toller Garten und dann diese 60 Künstler aus aller Welt und zwei Kommunikationsformen: Die Musik und die gemeinsame Weltsprache.
Leckeres Essen, warme Stimmung und emotionale Ansprachen, weil es ja deren letzte Nacht in Hanoi war. An diesem Ort die letzten Sekunden meines 24. Lebensjahres runterzuzählen, hätte ich mir besser nicht vorstellen können. Dann ist Oona mit mir rumgegangen und ich habe von vielen unterschiedlichen Musikern ein Happy Birthday auf ihrer Landessprache gesungen bekommen. Das war echt total schön. Weit weg, gut abgelenkt, eingebettet in einem unbeschreiblichen Vibe…
Einer der Künstler von Cracking Bamboo ist aber nebenberuflich auch noch Wrestler… er hat sogar diese typischen Wrestler Ohren, zusammengefaltet und tausendmal drauf gefallen. Trotzdem total lieb, super sentimental und einfach nur Freak. Nachdem er mit seinem super krassen Gesang und außergwöhnlichen Stimme in dem Garten des Institutsleiter auf seine kulturelle Weise den Abschied eingeleitet hatte (sehr berührender und unter die Haut gehender Gesang!) war die Stimmung ein bisschen emotional. Aber als ihn jemand aus der Truppe zum Wrestling aufforderte, hat sich die Stimmung wieder gehoben und da wir eh alle schon in einem riesigen Kreis standen, waren die Bedingungen gegeben. Es hatte natürlich keiner eine Chance (an dieser Stelle nun einen herzlichen Gruß an meine beiden Wrestler-Kings Kai und Batti).
Nach dieser emotional-albernen und happy-birthday-song – reicher Nacht haben wir uns noch den harten Kern der Truppe geschnappt. Der Plan, in dieser Gesellschaft mein neues Lebensjahr zu begießen, war schwieriger als gedacht. Ab 23 Uhr müssen Vietnamesen ihre Schotten dicht machen, das ist von der Regierung vorgeschrieben. Viele Läden haben dann noch irgendeinen korrupten Deal mit der Polizei, der sich bis ca. 1 uhr durchziehen lässt. Als wir uns von dem „Haus am See“ auf den Weg in die Altstadt gemacht haben, war es allerdings 2 Uhr nachts und es hatte wirklich ALLES zu. Es gibt natürlich einige non-stop-open-Location für Expats, Touristen etc. aber wir wussten die Adressen nicht aus dem Kopf und so wurden wir durchs Rumfragen zu einem dunklen „Irish Pub“ gefahren. Die zwei Taxis mit unserer bunten Truppe hielten vor einer geschlossenen „Garage“ und ich war in diesem Moment ziemlich traurig. – Schade, dachte ich. Nirgendwo die Möglichkeit auf einen gemeinsamen Drink zusammen. Aber der Taxifahrer machte uns durch wilde Gesten deutlich, wir sollten gegen die Rollos klopfen und siehe da: ein schüchterner Vietnamese öffnete vorsichtig die Tür und ließ uns rein.
Es saßen noch ein oder zwei andere Weiße in der Kaschemme, die Musik spielte leise und es war die krasseste Backyard-Underground-Location, die ich je betreten hab. Alles heimlich, alles höchst illegal und hinter uns wurde natürlich wieder schön abgeschlossen.
Nach dem sich der Schlüssel im Schloss gedreht hatte, begann aber die Party und meine gute Laune war wieder da. Ein Gin Tonic kostet hier irgendwas unter 2,50€ und ich weiß gar nicht mehr wie viele wir getrunken haben.
Am Ende standen Möbel und Pflanzen des Eigentümers auf dem Tisch, ebenso ein Motorradhelm auf meinem Kopf und andere Accessoirs, weil die Gruppe mich doch irgendwie beschenken wollte…
Irgendwann wurde die Musik schlechter und als wir bemerkten, dass die Songs über Youtube abliefen, schrieben wir ihm eine Liste mit Wunschtiteln. Ihr könnt euch ja denken, was ich in dieser Nacht auf Platz eins dieser Wunschliste für den DJ schrieb: 1. FC Köln Hymne! (wie sich später für mich rausstellte: Völlig zurecht nach dem 1:4 Auswärtssieg in Hannover!) Das war der Hammer. Mitten In Hanoi. In meiner Geburtstagsnacht, an diesem seltsamen Ort mit 5 verschiedenen Nationalitäten an einem Tisch. Gegen fünf oder halb sechs wurden wir rausgeschmissen. Das war dem Besitzer dann doch zu heikel. Schade, mein Plan war es eigentlich gewesen, um sechs Uhr vietnamesischer Zeit meinen Geburtstag deutscher Zeit reinzufeiern. (2 Mal reinfeiern kann man schließlich nicht alle Jahre!) Das ich es am Ende nach all den drinks noch hinbekommen habe mich auf Englisch zu verständigen wundert mich im Nachhinein. Und dass ich eines meiner Geschenke – die Wassermelone – tatsächlich ins Taxi und mit nach Hause geschleppt habe – überrascht mich ebenso.
Am nächsten NACHmittag habe ich mich mit Anna und Oona in der Stadt getroffen und wir sind zu einem Lokal gefahren, wo man auf einen schönen See blickt, auf einer Veranda sitzt und super lecker indisch essen kann.
Pappensatt sind wir dann noch um den See spaziert und Oona hat mir das Geburtstagsgeschenk möglich gemacht, was ich doch jedes Jahr am 28.03 in irgendeiner Form überreicht bekomme: Einen Elefanten!
Es war eine sagenhafte Woche, eine unvergessliche Nacht und ein super schöner Tag. Das Erholen von dieser aufregenden Zeit wird wohl kaum möglich sein: Morgen frühe sitze ich schon mit Oona im Flieger nach Hongkong inklusive Kurztrip nach Macau. Wenn ich wiederkomme versuche ich mich zu melden, bevor es 2 Tage später direkt weiter nach Saigon geht!
Ich denk an euch und umarme euch feste und bedanke mich an dieser Stelle nochmal an all die lieben Glückwünsche durch die unterschiedlichsten Kommunikationsformen! Das tat wirklich gut. Da ich von einigen uns wohlbekannten Menschen ausdrückliches Vorfeier-Verbot bekommen habe, würde ich vorschlagen, dass wir meinen 24. Geburtstag bald und ordentlich nachfeiern! Mit lecker Kölsch hmm…bis dahin – PROST!













Hey Pialein,
oh mann deine Berichte lesen sich echt spannend, am liebsten würde man in die Bilder reinspringen und deine Abenteuer gemeinsam mit die erleben! Es freut mich, dass du schon so tolle Leute und Freunde kennengelernt hast und ich habe ein ganz schlechtes Gewissen, dass ich deinen Geburtstag verdusselt hab. Also alles Gute nachträglich an dieser Stelle! Auch ganz liebe Grüße von Muck, der sitzt gerade vor mir und wir machen die Farbkorrektur für „Das Büdchen“. Also, lass es dir weiter gut gehen, tu dem armen Kätzchen nix, besorg ihm lieber ein Partnerkätzchen, das sind bestimmt Sehnsuchtsrufe! 😉
Also Liebes, ich drücke dich!
Martina
Pippi, ich hoffe du hast dir nach der FC Hymne auch „Last Resort“ gewünscht. Das gehört sich doch so :o) Weiterhin viel Spaß, tolle Eindrücke, interessante Begegnungen, kulinarische Genüsse, schweigende Tiere und bewegende Landschaften mit hoffentlich schönen Laufstrecken (you know).
Grüße aus dem Ossendorf-Ghetto, Lisi