Später: Huhn mit Lauch!

29 03 2010

Die Schonfrist ist vorbei. Ich bin nun mittendrin in meiner Arbeitswelt. Es spielt sich eigentlich alles im Goethe Institut ab. Ich verbringe hier den größten Teil meiner Zeit in Hanoi.  Meistens bin ich zwischen 09 oder 10 Uhr morgen hier und trinke erst mal einen starken vietnamesischen Ice-Coffee zum Frühstück. Heute morgen ist mir dabei bewusst geworden, dass

…ich wirklich großes Glück hab. Dieses Praktikum scheint maßgeschneidert für mich.

In Deutschland hätte ich schon einen Luftsprung mit solchen Arbeitskollegen und Aufgaben gemacht, aber dann noch hier in Hanoi, mit diesen Angeboten drumherum und dieser Arbeitslocation – ist eigentlich der fette Jackpot!

Bib im Goethe Hanoi

Hier im Café Goethe, wo man hervorragend deutsche und asiatische Gerichte bekommt, speist laufend gemischtes Publikum. Natürlich sind die Preise für normale Vietnamesen zu hoch, so dass hier eher die Neureichen einkehren.

Streetlife Vietnam

Mein Chef sagt, es ist schon manchmal befremdlich, dass hier die vietnamesische Elite reichlich isst und trinkt, schon mittags um 12 Uhr den teuersten Rotwein kommen lässt und anschließend mehrere Kreditkarten auf den Tisch fleddert, während ihre Landsleute 10 Meter weiter auf der Straße in Pfützen die Wäsche waschen und unter – keinesfalls dem Hygienestandart entsprechenden Bedingungen – rohes Fleisch zurecht schneiden und verkaufen.

Zurück zum Goethe: Natürlich kommen auch viele Touristen hier hin, oder Deutsche, die diesen Location Tipp in ihrem Lonley Planet „entdeckt“  haben und sich nach einer längeren Asia-Rundreise auf ein deftiges Schnitzel mit schwäbischen Kartoffelsalat  oder hauseigenen Döner freuen. (sehr bekannt!)

Im Goethe Institut Hanoi ist der Döner los!

Natürlich ist es in solch einer Institution angedacht, dass der Service nicht nur vietnamesisch, sondern auch Englisch spricht, und da das Goethe Restaurant ein Teil des G.I. selbst ist, sollte auch Deutsch gesprochen werden. Der Service ist zwar lieb und nett und sorgt Bestens für alle Bedürfnisse, auf sehr höfliche und gastrotaugliche Art und Weise, beherrscht  aber eigentlich nur die eigene Sprache.

2 Kellner vom großen Goethe-Service-Team

Ohne die deutsche Sprache missionarsartig verfolgen zu wollen, werden ausreichende Deutschkenntisse aber von einem Restaurant im Goethe Institut erwartet. Deswegen ist es einer meiner Projekte, dem Serviceteam hier zweimal die Woche die grundlegenden Begriffe der Gastrosprache beizubringen, mit Wortschatzliste und Modelldialogen.  Ich bin hier wirklich sehr gerne und mag die Küche, die Angebote und die Atmosphäre. Ich glaube allerdings, dass der Service mich hassen wird, wenn ich in ihrer MITTAGSPAUSE deutsche Höflichkeitsfloskeln in ihr Hirn pumpen muss…

Ein weiteres Projekt ist ein Gesangswettbewerb. Die Teilnahme ist freiwillig und es treten unterschiedliche Schulen und Uni als Teams gegeneinander an. Deutschsprachige Songs/Schlager aus den 60er und 80er Jahren müssen von ihnen gelernt werden und an dem großen Showabend kürt die Jury dann, abhängig von Gesang, Aussprache, Performance und Kostümierung den Gewinner. Gestern haben wir die Teilnehmer kennengelernt und ihnen die Lieder per Los zugeteilt.

Das Los entscheidet...

Ich werde mich natürlich besonders um das Team des Goethe Instituts kümmern. Es  wurden Gitte Haenning: „Ich will nen Cowboy als Mann“ und Die Doraus & Die Marinas „ Fred vom Jupiter“ gezogen.*räusper*

…Ich weiß noch nicht was sich davon halten soll. Ist ja nicht ganz so mein Spezialgebiet, was diese Musikrichtung  betrifft. Die Vietnamesen machen sich hier nen ziemlichen Kopf um alles und selbst so ein spaßiges Event wird sehr ernst genommen. Heute gab es schon die erste Krisensitzung und sie baten mich um Ideen für ihre Umsetzung…mhm…Als ich gesagt hab, dass man ja als Cowboys und Cowgirls verkleidet auf die Bühne jumpen könnte, mit Lasso und Pistolen, sah ich schon die nächste Angst in ihren Augen: Wie? Woher? Mit welchen finanziellen Mitteln sollen wir an all das rankommen? Ich als Karnevals-Kölner hatte natürlich an die obligatorische Kellertruhe voller Kostüme gedacht. Jetzt heisst es kulturell umdenken und rheinische Verankerungen losschrauben…

Auch in die Schulen bin ich schon mitgegangen. Die meisten die hier Deutsch lernen in Vietnam (und davon gibt es ne Menge) wollen später in Deutschland studieren oder dahin auswandern und sehen Muttersprachler als großes Vorbild. Durch ihren starkes Lern-Ehrgeiz (wahrscheinlich vom großen Bruder China abgeguckt) sind sie total still und aufmerksam, sobald ich in die Klasse komme und anfange zu reden, weil sie sich am liebsten jedes Wort merken und phonetisch einprägen möchten…

Hanoi Uni

Als ich das erste Mal kam, haben sie mich so viele Dinge gefragt: Woher ich komme, ob es in Köln auch so viele Seen gibt (Antwort: „Nein, aber dafür nen großen Fluß und ne Schäl Sick“), ob jedes deutsches Mädchen so aussehen würde wie ich. Ob ich verheiratet bin und Kinder habe (hier in meinem Alter durchaus normal), was ich zu Hause für meine Familie koche (ähm…) und wie man eigentlich den Namen „Hitler“ korrekt richtig aussprechen würde.

Students

Nachdem ich diesen Namen HITLER das zweite Mal laut und langsam wiederholte sollte, wurde mir das Ganze zu befremdlich und komisch und ich habe gesagt, dass es weitaus schönere und sinnvollere Wörter geben würde, die man auf Deutsch lernen könnte.

Nun – … Soweit meine ersten Erlebnisse aus der Arbeitswelt. Jeder Tag ist anders hier und dazwischen gibt es reichlich Kaffee- und Lunch und Gammelpausen, wo ich nicht nur mit den deutschen Praktikantin, sondern auch mit meinen vietnamesischen und deutschen Vorgesetzten interessante Gespräche führe. Insgesamt gibt man mir hier das Gefühl, dass man meine Arbeit wertschätzt, meine Ideen dankbar annimmt und unterstützt, gleichzeitig stehe ich aber nicht unter Druck. Es schwingt mit, dass man froh darum ist mich unterstützend hier zu haben, aber nicht auf mich angewiesen ist (schließlich bin ich ja keine neue Kraft, sondern mitwirkende Praktikantin

Mit meinem Chef Roland verstehe ich mich auch immer besser. Zur Zeit ist er wegen einem Audit in Australien. Dieses Audit führen wir hier in Hanoi auch durch, sobald er wiederkommt.

rolling spirit

Vorgestern haben ich meinen ganzen Mut zusammengerafft und ihn per E-Mail ausschweifend gefragt, ob er mir leckeren australischen Tabak und Filter mitbringen kann, da man hier selbst als Feierabendraucherin ziemlich schnell auf Grundeis geht, wenn man aufs Selberdrehen steht. Seine Antwort dazu war:  „das mit dem Tabak dürfte kein Problem sein. Ist schließlich kein Dope :->…“

Die Tage hier sind zwar sehr lang, aber so aufregend und vollgepackt, so fremd und so spannend, dass sie schnell vergehen. Mittlerweile hat sich mein Kopf auch daran gewöhnt und ich kann nachts einigermaßen zur Ruhe kommen und schlafen. Das werde ich jetzt auch tun. Die Geräusche sind nicht mehr ganz so fremd. Aber immer noch störend: Nachts brüllt in meinem Innenhof eine Katze. Ich weiß nicht ob sie jede Nacht ihr letztes Stündlein schlagen sieht und dem Tot entgegen schreit, oder ob sie vielleicht total rattig irgendwelchen Katern hinter ruft. Leider weiß ich auch nicht wo sie sich versteckt. Ich würde sie jedenfalls gnadenlos töten. (und anschließend am Straßenrand braten)

Mein Hinterhof - Hier werde ich bald schlachten!

Ihre Laute sind derart abartig, ebenso wie der Geräuschpegel. Meisten startet sie ab 23:00 ihren „Gesang“. Ab 4.30 morgens klingt sich der Hahn meines Nachbarns mit ein. Der hat sein Gehege auf einer der Dachterrassen und brüllt allmorgendlichen den Tag aus dem Schlaf. Kein Wunder, dass die Vietnamesen hier so viel Opium konsumieren…

Hinterhof: Hassobjekt No. 2

And after all: Huhn mit Lauch ....hehe...


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2 Antworten

29 03 2010
Hanna

Na mein Pipilotta!
Da hat sich aber ein Bildchen verirrt 😀
Ich freue mich immer total, wenns was zu lesen und gucken gibt! Durch die schönen Bilder kann man beruhigt sein und weiß dich in guten Händen. Weiter, weiter, weiter, mehr, mehr, mehr ;)!!
Bützchen aus Kölle

29 03 2010
David

Ey Todeskommando Paifai,
schöner Text und weiterhin viel Erfolg bei deiner Katzenjagd :-)))
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