Donnerstagmorgen durfte ich ausschlafen, weil die beim Goethe gesagt haben, ich hätte geschwollene Augen und soll den ganzen Kulturschock und Zeitumstellung lieber nicht unterschätzen. Da hab ich die Chance genutzt und nen Supermarkt gefunden. Die gibt’s nämlich doch, halt nur nicht in meiner Nähe.
Da hab ich mir dann endlich Milch kaufen können und Wasser mit Kohlensäure. Davon gibt es aber auch nur ein Produkt und allgemein ist das hier super schwer zu bekommen. Dabei wisst ihr ja, wie schwer ich mich mit stillem Wasser tue. Das ist echt hart: In Deutschland fast zu viel getrunken und sich hier zum trinken zwingen müssen. Alles andere (Obst, Gemüse, Kräuter, Fleisch, Fisch) holt man lieber von der Straße. Preise haben mir Huoang und auch Trang grob erklärt und langsam bekomme ich ein Gefühl dafür, welcher Preis wofür angemessen ist, wann ich handeln sollte und lerne diese bekloppte Währung (als Mathegöttin) in irgendein Verhältnis zu setzen. Kochen werde ich wohl hier kaum oder nie. Geht man auf die Märkte und in die Shops um seine Zutaten zum kochen zusammenzukriegen, bezahlt man am Ende bestimmt das 8-fache mehr, als wenn man sich seinen hochvollgepackten Teller auf der Straße holt.
Und selbst in normalen Standartrestaurants würde man billiger wegkommen. Street Food ist zur Zeit mein liebstes. Du beugst dich runter zu den hockenden Vietnamesen (die hocken hier alle und überall schrecklich gerne) und zeigst mit dem Finger auf die Zutaten, die du gerne haben willst (Gemüse, Kräuter, Fleisch- Fischsorten etc.) und vor deinen Augen wird das ganze geschält, geschnitten und in den Wok/Topf geschmissen. Frischer geht’s nicht. Und an meine kulinarischen Freude: Kein Vergleich zu den Geschmackserlebnissen, die wir aus vietnamesischen Restaurants in Deutschland kennen. Einfach Unglaublich. Viel Unglaublicher ist aber: Für dieses kulinarische Empfinden bezahle ich auf der Straße nie mehr als 20.000 Dong. Also ungefähr 80 Cent. Da kann selbst ich (leidenschaftliche Köchin) gut und gerne mal 5 Monate aufs Kochen verzichten, oder?
Im Goethe Institut werde ich nach und nach mit meinen Aufgaben vertraut gemacht.Ich merke dass ich mehr Mitspracherecht habe, als ich gedacht habe. Kann selber Vorschläge machen, wo ich gerne mal reingucken und mitgestalten würde. Ich weiß allerdings nicht, ob sich das ändern, wenn Hoa wiederkommt. Sie ist quasi Rolands „rechte Hand“ und schmeißt die ganze Abteilung und hat alles im Griff. Sie ist zurzeit in München (Hauptsitzt des GI). Sehr viel Spaß hatte ich dabei, Sarah (die andere, sehr nette Praktikantin, die aber nicht durch „kulturweit“ hier ist) bei einer lernschwachen Schülertruppe zu unterstützen.
Ziel ist es hier, möglichst viel mit denen auf Deutsch zu reden, geschrieben wird gar nicht. Sarah hatte Bilder ausgedruckt, wo Menschen in Deutschland und Vietnam Einkäufe erledigen, im Park spazieren, shoppen, zum Sport gehen etc. und wir haben die gefragt, was sie sehen, was sie von den Bildern denken. Sarah ging es bei diesen Äußerungen natürlich nur um die Phonetik. Ich hingegen hin an ihren Lippen und wollte am liebsten sämtliche Türen verriegeln und diese Menschen dazu zwingen, einfach weiter zu erzählen. Phonetik hin oder her. Ich hätte am liebsten mein Aufnahmegerät aufgestellt. Höchstinteressante Dinge über die Vietnamesische Denken- und Lebensweise sind da rausgekommen. Habe in den 2 Stunden unheimlich viel gelernt über das Alltagsverhalten und Denkensweisen von Vietnamesen in unserem Alltag. Ich freue mich schon auf die nächste Stunde. Mittags gehen Sarah und ich meistens mit Ooona essen. Hocken uns auf die Plastikstühle einer Garküche und essen und reden und trinken danach irgendwo Kaffee, tauschen uns aus, genießen die Sonne und beobachten die Szene.
Oona ist ebenfalls Praktikantin, allerdings nicht für die Sprachabteilung, sie sitzt aber im gleichen Gebäude. Oona und ich sind total auf einer Wellenlänge und ich bin mittlerweile sehr froh, dass ich mich so gut mit ihr austauschen kann. Das ist eine unheimliche Erleichterung, so jemanden direkt zu Beginn um sich herum zu haben. In Australien hat mir das sehr lange schrecklich gefehlt und es war viel schwieriger auf den non-stop-Reisen intensive Freundschaften aufzubauen. Hier tickt der Kopf anders. Hanoi ist voll von Menschen in meinem Alter, die alle auf bestimmte Zeit hier beschäftigt sind – und deswegen sehr offen für neue Kontakte. Das macht es sehr angenehm hier.
Nach vier Tagen Entzug bin ich dann auch endlich mal zum Sport gegangen. Sport machen (vor allen Dingen mein Laufpensum) wird hier unmöglich umzusetzen sein. In Hanoi wird man faul. Allgemein erinnert mich die Fortbewegungsweise der Hanoians sehr an die der Amis. Jeder Meter wird gefahren und selbst beim Straßeneinkauf steigt man nicht vom Motorrad ab. Im Sommer werden 12- 14 km Läufe als eine Unmöglichkeit definiert. Wenn, dann geht man hier schwimmen. Manche heben auch hin und wieder mal einen Arm. Mehr nicht. Das wars. Im Sommer geht hier wohl generell gar nichts mehr. Man bewegt sich von einer Air conditioning zur Nächsten und dann zur Dusche. Zurzeit find ich das gar nicht so schlimm. Ich wollte ja die Komfortzone und den Lebensrhythmus verlassen, also muss ich mich dann wohl auch umstellen. Jetzt wo es noch nicht so warm ist, werde ich aber die Chance nutzen und ein paar Läufe um die Seen machen. Es gibt hier ca. 110 Seen und Hanoi wird nicht umsonst die „Stadt der Seen“ genannt.Zusammen mit dem großen Roten Fluss am Rande der Stadt und den kleineren Flüssen, die sich durch die Stadt schlängeln, hat Hanoi damit im Vergleich zu anderen Städten sehr große Wasserflächen. Lauf-Locations gibt es also genug :->
Die Seen haben für Hanoi übrigens die Funktion einer riesigen Klimaanlage. Sie wärmen die Stadt im Winter und kühlen sie im Sommer. Sie sorgen auch dafür, dass nach den heftigen Regenfällen des Sommers das Wasser von den überfluteten Straßen schnell wieder abfließt.
Nach dem Sport hab ich das gemacht, was ich auf Alleinreisen sehr liebe und schätze. A L L E I N E durch die Straßen laufen. Dunkel, nachts und dann die Stadt kennenlernen und checken. Nicht nur orientierungsmäßig, sondern auch ihre Menschen, deren Lebensweise. Und natürlich die Nikon Kamera unterm Arm. Ich habe auf diesem Spaziergang so viel aufsaugen können und so viel gelernt über die Menschen. Irgendwann hab ich Hunger bekommen und mich an eine Garküche gesetzt. Die bieten dann immer Hocker aus Plastik an und so kleine Plastikkindertische, wo die Menschen sich drum rum setzten, oder hocken! Ich hab auf all die unberührten frischen Zutaten gezeigt und er hat es vor mir geschält, geschnitten, zubereitet und wir haben einen netten Preis ausgemacht.Ich hatte Chili Chicken, wie man auf dem Bild (allerdings da noch in Rohfassung) ja unschwer erkennen kann. Danach kam er an und hat mit mir ne Zigarette geraucht. Und wir haben das regen treiben der Nacht beobachtet. Der ältere Vietnamese und ich. Auf Kinderplastikstühlen, ner Kippe und zum Nachtisch hat er mir ne frische grüne Mango geschält und Ananas dazu.
Und dann haben wir uns mit Händen und Füßen über Gott und die Welt unterhalten. Das ist es oder? Darum reisen wir. Alleine und doch mit den anderen. Weit weg und doch zu Hause. Unabhängig und doch so abhängig. Für sich und doch so gesellschaftlich. Jedem Tag ausgeliefert und doch so steuerbar. Es war wunderbar. In dieser Stunde mit dem Mann in der warmen Nacht hab ich mich das erste Mal nicht mehr untergeben / erlegen gefühlt. Ich hab ab da gewusst: Ich krieg das hin. Ich bin nicht komplett fremd. Ich kann ein Teil sein. Und das schon nach Tag 3! Diese Menschen, diese Stadt, dieses Land – ich bin total fasziniert. Hanoi ist wunderschön und Vietnam einfach nur aufregend. Ich kann mich jeden Tag mehr spürbar darauf einlassen. Den Flow der Stadt übernehmen, wie mein Vater das nennt.
Gestern waren wir in ner kleinen netten Truppe im Programmkino. Hier werden alternative unabhängige Filme gezeigt, die oft mit viel Diskussionen im Vorfeld dafür kämpfen, überhaupt gezeigt zu werden, weil die „Regierung“ so vieles verbietet. Wir haben „the hurt locker“ gesehen. Im ganzen Kino saßen vielleicht zwei Vietnamesen. Sonst nur Weiße. Die Leinwände sind viel kleiner als bei uns. Ansonsten hab ich keine Unterschiede bemerken können. Außer einem Spott-Eintrittspreis und zwei toten Kakerlaken auf dem Klo. Nach dem Kinoerlebnis sind wir dann endlich in die Altstadt, die ich ja bis gestern noch nicht gesehen habe und die Nacht genossen. Das Bier ist wirklich so billig wie ich’s im Vorfeld verbreitet hab.Und ne Packung Kippen kostet 1 €! Tabak habe ich 4 Tage nicht gesehen und war sehr traurig, weil ich Filterzigaretten wirklich nicht rauchen will. Gestern hab ich dann Stände entdeckt die Tabak verkaufen. Allerdings für 4 €, was super super super viel ist. Aber ich habs mir gegönnt. Man hat ja sonst keine Ausgaben hier!
Heute geht es auf ein Konzert von Gudni Emilsson in die Oper Hanois!!! (umsonst wegen dem Deutschlandjahr und den Aktionen) auch mit allen. Bis dahin werde ich mit meinem Fahrrad durch die Stadt düsen! Ich umarme euch feste!









Wow Pia,
hab heute das 1.mal hier reingeschaut und bin echt begeistert. werde deinen blog jetzt in direkt in meine tägliche lektüre aufnehmen 🙂
V.a. die Story mit dem alten Mann & der Zigarette is super..Erinnert mich an meine betrunkenen Taxifahrten in Irland,wo ich deren Akzent auch überhaupt nicht geblickt habe. 🙂
take care
Hey little Feyh
kann mich dem Dicken nur anschließen, super Beitrag!!! Scheinst es ja dort recht gut angetroffen zu haben. Ich freue mich auf weitere Berichte
Liebe Grüße
der Nachbarsjung
Ooh – da krieg ich ja dirket Hunger! Und Durst. Schmeckt das Bier denn? Wichtige Frage 😉 Wieder ein super Beitrag Kleine! Auch, dass du einige Infos über die Stadt einbaust. Wie in einer Doku :-))))