Gleich am 2. Tag habe ich vom Goethe Institut einen Helm bekommen, weil mich die Mitarbeiter abends öfters von hier nach da gefahren haben. Das war ja schon aufregend für mich. Festgeklammert an den jungen kleinen Asiatinnen, die sich da durch dieses Chaos schlängeln. Irgendwann war die Nacht so lau und ich so wach, dass ich nicht fahren wollte und zu Fuß nach Hause gelaufen bin. Gut gelaunt, mit meinem Helm schwenkend am Rucksack, auf Gehwegen die keine Gehwege sind, sondern Abstell- und Parkplätze.
Ganz gechillt nach Hause gegangen. Wartend, was die Nacht mir erzählen würde, während sie mich mit so offenen Armen durch die Straßen trug. Und aufeinmal dann hab ich gemerkt, welches Abendteuer mir bisher entgangen war:
Das Xe Om (ausgesprochen: say-ome). Ach ja, mein geliebtes Xe om.
Xe steht für Moto (Motorbike) und „om“ heisst wohl so viel wie: „hold on for real life!“ …Also einfach gesagt: Motorbike-Umarmung.
Motorräder sind überall in Hanoi. Ich würde sogar sagen, sie sind hier D A S Kulturgut und gestalten die Szene, prägen die Lebensweise der Hanoians. Motorbikes sind laut, stinken, verpesten die Luft und sind extrem ungesund für uns. Aber: Sie machen Sinn in Hanoi.
Die Stadt wächst gefährlich schnell und der Verkehr wächst mit.
Die Situation ist katastrophal. Mit dem Auto ist man für eine Kölner 5 Minuten Strecke bestimmt 20 Minuten on tour, selbst ohne Verkehrsregeln und Ampeln wie hier. Die Motorbikes folgen rein gar keinem System. Sie fahren 8-12 spurig und außer an den riesigen Kreuzungen, gibt es keine Ampeln oder Schilder. Die einzige Verkehrsregel die es hier unausgesprochen gibt ist: In die Kreuzung reinfahren und hupen. Es wird nur gehupt. Die ganze Zeit. Aus Angst übersehen zu werden, als Warnung oder als Verwarnung, weil der Nebenmann zu nah dran ist oder der Vordermann zu langsam. Mit dieser „Fahrweise“ ist man natürlich weitaus schneller unterwegs. Und nur so kann der Verkehr in Hanoi noch funktionieren. Trotzdem versetzten diese 1,5 Millionen Motorräder die Stadt in einen ständigen Ausnahmezustand. Viele Touristen sind damit total überfordert. Und ich schlendere nichts ahnend durch die Nacht, bis mich ein hagerer Mann entdeckt, der vorher noch gemütlich auf seinem Motorrad gesessen hatte. Er flippt die Kippe weg und zeigt aufgeregt auf meinem Helm. Neugierig wie ich bin, ging ich zu ihm hin. Erst nach einem wild gestikulierendem „Gespräch“ habe ich dann verstanden, was er mir anbieten wollte. Ich habe ihm meine Adresse auf einen Stift aufgeschrieben und einen Preis vorher abgemacht. Dann hab ich mich hinten daraufgesetzt und er hat mich durch die tiefe Nacht 15 Minuten nach Hause gefahren. Für umgerechnet 80 Cent. Danach war ich wie beschwipst. Das ist schon was anderes ob man bei einer jungen zarten und vorsichtigen vietnamesischen GI-Mitarbeiterin hintendrauf sitzt, oder sich zitternd an die Jackenreste eines fremden Mannes klammert. Der ist durch diesen Wahnsinnsverkehr so schnell durch.
Ich bin die letzten Meter wirklich taumelnd zur Haustür, so berauscht hat mich diese Tour. Erst später habe ich in meiner Nachtlektüre entdeckt, dass ich grade mein erstes Xe Om hinter mich gebracht hab. Man das ist toll, das ist echte Akkulturation dacht ich mir. Naja gut …ich will euch nichts vormachen…hauptsächlich ist das wohl purer Kick und Adrenalin.
In meinem Reiseführer steht übrigens: „Cross your fingers and hope you’ve chosen well, because you’re putting your life in their hands.“
Und leider ist diese Aussage nicht übertrieben. Aber bevor sich meine Mutter nach diesem kleinen Essay nicht mehr zur Ruhe legen kann, kommt hier die große Neuigkeit: Ich bewege mich nämlich „langsam“ wieder weg von den Xe-Om-Kicks. Seit heute bin ich stolze Besitzerin eines Fahrrads.
Viel besser als das, was ich damals in Melbourne hatte. Und auch viel billiger. Es hat keine Gangschaltung aber immerhin 2 Bremsen und nen Korb. Ich habe es pro Monat gemietet. Heute bin ich also erstmalig auf zwei Rädern durch Hanoi. Vielleicht liegt es echt an den Ballerspielen meiner frühsten Kindheit („Unreal Tournament“, „Mafia“ „Need for Speed“ etc…) das ich hier eher unerschrocken bin? :-)) Ich habe jedenfalls keine Probleme mich genau dieser Fahrweise anzupassen. Viel schwieriger ist es bei mir mit der Orientierung: Ich habe Hanoi noch nicht ganz gecheckt und werde wohl noch ein wenig länger brauchen als normalerweise bei fremden Städten, da ich durch die festen Arbeitszeiten weniger Zeit zum erkunden habe. (Nur ab nachmittags und am Weekend)
Das eigene Motorbike (auf Miete) ist aber schon geplant. Sich auf der Straße zu bewegen gibt einem wirklich das Gefühl, Teil der Kultur zu sein. Also hab ich eigentlich doch ein kleines winziges bisschen Akkulturation geschafft heute, oder?
Ich hoffe euch hat der kleine beschriebene Motorbike-Trip und die Fotos gefallen. 
Hey Süße,
Schön beschrieben und super Fotos! Am besten finde ich das mit den fünf aufgereihten Vietnamesen auf den Mopeds. Genial!
Ich drück dich