Musik ist multilingual. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage lässt sich im interkulturellen Dialog am eigenen Leib erfahren. So ist die Musik schon Jahrhunderte ein Mittel der Kommunikation und Identität zugleich. Die Vielfalt an Instrumenten, Klängen und Ideen ist kaum überschaubar und ermöglicht einen scheinbar unendlichen Kreislauf von neuer und neuer Inspiration.
Besonders der Jazz hat sich im Laufe seiner Entwicklung als der ideale Spielplatz für verschiedenste internationale Einflüsse offenbart. Von Beginn an experimentierten kreative Köpfe mit musikalischen Charakteristika aus aller Welt ohne dabei die Essenz des Jazz zu vergessen: Sei offen und interessiert!
Auch in Armenien lässt sich eine sehr lebendige Jazzszene beobachten. Trotz schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen behält die eigene Kultur in Yerevan ihre hohe Bedeutung: Zahlreiche Jazzclubs zelebrieren eine interessante Mischung aus westlichen und armenischen Einflüssen. Zu den typischen Elementen des Jazz addieren sich Instrumente der sehr alten armenischen Volksmusik, deren Spiel über Jahrhunderte von Generation zu Generation weitergegeben worden ist. Vor allem das Holzblasinstrument Duduk nimmt mit seinem nasalen, melodramatischen Klang einen hohe Bedeutung in der Identität eines von einer tragischen Geschichte geprägten Volkes ein. In seiner traditionellen Verwendung tritt das Duduk meistens paarweise auf: über den Bordun genannten Basistons des einen wird mit dem anderen Duduk soliert. Das eindrucksvolle, häufig melancholische Ergebnis in Form der Duduk-Musik erhielt seine gerechte Würdigung, als es 2005 in die UNESCO-Liste für „Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“ aufgenommen wurde.
Im ethno-armenischen Jazz-Kontext setzen Bands wie Katuner oder die Armenian Navy Band seit einigen Jahren stetig neue Akzente. Mit einer Vielzahl an traditionellen Instrumenten wie der Flöte Blul oder einer kleinen Kegeloboe namens Zurna zeigen sich diese Gruppen in erfreulicher Regelmäßigkeit den Yerevaner Jazzfans. Das Ambiente ist dabei sehr unterschiedlich: vom edlen Malkhas Jazz Club zur nächsten spontanen Jam-Session im Synkope Art Pub sind es nur 50 Meter. Der einzige Club mit dem berühmten New-York-Feel nennt sich nach seinem Eigentümer Ulikhanyan Club und wertet sowohl mit gutem Jazz wie auch Rock- und Blueskonzerten auf. Ähnliches findet man im Stop Club, der sich zwar nicht auf Jazz spezialisiert hat, doch das musikalisch wohl vielfältigste Programm Yerevans offeriert.
Wer es noch exklusiver mag, erklimmt die Stufen des Cafesjian Center for the Arts genannten Kunst-Komplex in den Arkaden und erhält neben dem besten Sound der Stadt auch einen atemberaubenden Blick auf Yerevan. Gleichzeitig jedoch auch die teuersten Getränkepreise. Ähnlich wie im Jazz Café Poplavok oder im Mezzo Jazz Club spielen dieselben armenischen Bands, allerdings in einer eher europäischen Atmosphäre. Wer das begrüßt, sollte sich auch ein besonderes Juwel Yerevans nicht entgehen lassen: der Gründer der Armenian Navy Band Arto Tunçboyacıyan entschied sich als Teil der kleinen armenischen Minderheit der Türkei von Istanbul nach Yerevan umzusiedeln, um dort den Avantgarde Folk Club zu gründen. Das Ambiente ist eher schlicht gehalten, doch die Qualität der Musik und die unglaubliche Schaffenskraft des Eigentümers machen einen Besuch lohnenswert. Als Multi-Instrumentalist und Folk-Sänger war er in verschiedensten Projekten tätig: Vom weltmusikalischen Spektrum zur amerikanischen Jazzelite bis zu einer Kooperation mit dem berühmten armenisch-stämmigen Serj Tankian, erhielt er im Jahre 2006 den BBC Radio Award for World Music für seine vielseitige Kreativität, insbesondere mit der Armenian Navy Band.
Somit sei jedem Fan interessanter Jazzmusik ein Besuch des Südkaukasus empfohlen!
http://www.youtube.com/watch?v=pIuVWmbsK7w