Musik und frischer Wind

Da in den autokratischen Systemen des Realsozialismus der komplette öffentliche Raum staatlicher Kontrolle unterlag, haben bis heute fast alle Ex-Mitglieder des Warschauer Pakts mit einer sehr schwachen Zivilgesellschaft zu kämpfen. Das Tbilisi Open Air vom 11. bis 12. Juni 2011 zeigte jedoch, dass ehrenamtliches Engagement gepaart mit gezielten Fördermitteln auch im Kaukasus Früchte tragen kann.

Tbilisi Open Air 2011

Tbilisi Open Air 2011

Unter dem Slogan „Music breaks free“ vereinten sich ein Wochenende Musikschaffende und Fans, um gemeinsam die Musik als Sprache der Toleranz zu zelebrieren. So vielfältig sich das Programm präsentierte, so zahlreich erschienen trotz vereinzelter Wetterumbrüche die Gäste: ob Punks, Emos, Rocker oder Metalfans; 2 Abende galt es zu tanzen, zu trinken und zu jubeln. In bemerkenswerter Ähnlichkeit zum nahen und doch fernen Europa leisteten Organisatoren wie auch Zuschauer eine gute Arbeit, um die zwei Abende zu einem grandiosen Erlebnis für alle Beteiligten zu machen.

Bühne bei Nacht

Bühne bei Nacht

Als einem aufkommenden Sturm 20 Minuten vor Beginn der Veranstaltung nahezu die Bühne zum Opfer gefallen wäre, lagen die Nerven zwar erst einmal blank, doch glücklicherweise beruhigte sich die Wettersituation im Laufe des Abends. Somit stand der Vielzahl an georgischen Gruppen, die im Vorprogramm die Bühne betraten, nichts mehr im Wege, um dem begeisterungsfähigen Publikum ihre Fähigkeiten präsentieren zu dürfen. Vor allem die Rockmusik scheint es den Georgiern angetan zu haben. Zwar lässt sich die Qualität der kaukasischen Rock-Musikszene nur schwer mit europäischem Niveau bemessen, doch überzeugende Ansätze sind zahlreich vorhanden. Somit haben vor allem Veranstaltungen wie dieses Festival ein stetiges Wachstum der Szene zur Folge, da große Live-Auftritte besonders motivierend wirken.

Im Anschluss gaben die Europäer den Ton an. Das französische Duo Herr Styler überzeugte mit einer modernen Kombination von elektronischer und akustischer Musik, umgesetzt durch einen DJ und einen Schlagzeuger. Ähnlich wie die Berliner Dupstep-Band Braintheft oder die Herren von Feindrehstar aus Jena verbinden sie elektronische Musik mit akustischen Instrumenten, um ihrer Kunst damit eine enorme Tanzbarkeit zu verleihen. Um die Füße dann endgültig in ekstatische Bewegung zu versetzen, nutzte das belgische Stoner-Rock-Trio Wallace Vanborn brachiale Gitarrenwände, energetische Bassläufe und intensive Drums, wie man sie sonst nur von Größen der Szene kennt.

Der zweite Tag zeichnete sich durch reichlich Sonne, fröhliche Gemüter und musikalische Vielfalt aus. Von Funk über Rock bis zu House präsentierten sich bei grandiosen Wetter 9 verschiedene Gruppen und kurbelten dabei den Bierkonsum so stark an, dass die Bestände schon vor dem Hauptact zu Neige gingen. Folglich hatte es das deutsche House-Trio Moodorama nicht ganz so leicht, die Massen in Ekstase zu versetzen. Optisch zeigten sie sich zwar perfekt, musikalisch ist jedoch noch eine Menge Potential erkennbar. Ein bisschen mehr Kreativität und Lust auf Experimente hätte dem Act mit Sicherheit gut getan.

Bühne bei 2 Promille

Bühne bei 2 Promille

Alles in allem lässt sich jedoch von einer sehr gelungenen  Veranstaltung sprechen. Die Veranstalter namens Altervision erhielten finanzielle Unterstützung von der Stadt Tbilisi und mehreren Sponsoren, um den Eintritt mit umgerechnet knapp 2 € für jeden erschwinglich zu machen. Somit konnten an beiden Abenden über 4000 Karten verkauft werden. Natürlich ist diese Zahl im Vergleich zu europäischen Festivals ein Witz, aber kleine Schritte führen bekanntlich auch nach Rom. Die britischen Jungs von The Fades waren zumindest so begeistert, dass sie sich für das nächste Jahr schon vorangemeldet haben…

 

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