Die Tatsache, dass im transkaukasischen Georgien feucht-fröhliche Genüsse zu einem Teil der jahrhundertealten christlichen Kultur gehören, macht das Land zu einem idealen Gastgeber für (wissens)durstige Touristen. Doch auch mit seiner saftig-grünen Landschaft und einer atemberaubenden Gastfreundschaft weiß das Land Weltenbummler zu verlocken.
„Georgien ist ein ganz typisches Beispiel für eine postkommunistische Systemstransformation“, erklärt mir der junge Irakli und stellt mich dabei schon am Morgen nach der durchzechten Nacht vor neue Fragen: Wieso kann der Junge so gut deutsch und was bitte ist eine postkommunistische Systemtransformation? Nach einer kurzen Bedenkzeit stimme ich ihm jedoch zu. Es ändert sich wirklich eine ganze Menge im nördlichen Transkaukasus.
Nachdem das Land vor 2004 vor allem durch eine blühende Korruption von sich zu reden machte, belegte es bei dem letzten Korruptionsbarometer von Transparency International den 1. Platz bei der Verringerung von Schmiergeld-Zahlungen. Dieser politische Wandel geht einher mit einer Annäherung an die EU und einer Zunahme von westlichen Investitionen, die zwar politisch gewollt sind, das Land jedoch gleichzeitig vor neue Probleme stellen: mit zunehmender Distanz zu Russland, insbesondere nach dem Kaukasuskrieg 2008, rückt auch die Wiederherstellung der territorialen Integrität in unerreichbare Ferne. Abchasien und Südossetien bleiben autonom und werden diesen Zustand mit russischer Militärhilfe auch weiterhin beibehalten können. Somit sieht es so aus, als würden die verarmten Flüchtlinge aus den Konfliktregionen auch weiterhin das Stadtbild Tbilisis mit prägen.
Doch gerade dieser Scheideweg macht Georgien so interessant. Immer schon stand dieses Land auf Grund seiner Lage im Einfluss verschiedener Kulturen. Besonders gut ist das an den Gotteshäusern in Tbilisi zu beobachten: zu der Vielzahl an georgisch-orthodoxen Kirchen gesellen sich jüdische Synagogen, Kirchen verschiedener christlicher Konfessionen (darunter auch mehrere der Armenischen), eine sunnitische Moschee und sogar ein Tempel einer antiken persischen Religion, dem so genannten Zoroastrismus.
Ansonsten fühlt man sich in Tbilisi jedoch sehr europäisch. Zahlreiche Straßencafés offerieren Köstlichkeiten; es herrscht reges Treiben auf den engen, gewundenen Gassen der historischen Altstadt und auch der Botanische Garten zelebriert eine eher elitär-europäische Verbundenheit zur Natur. Der Blick geht unverkennbar in Richtung Westen. Ob Kleidungsstil, Mc Donald’s oder die Vielzahl an europäischen Automobilen auf den Straßen: wie eine Last soll die sowjetische Vergangenheit abgeworfen werden. Dennoch lassen sich einige Dinge nicht retuschieren. Die Infrastruktur ist marode, das Rentensystem macht alte Menschen zu Bettlern und jenseits von Tbilisi scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
- Überraschenderweise ist jedoch auch der deutsche Einfluss nicht zu unterschätzen. Seit Jahrzehnten genießt die deutsche Kultur in Georgien eine bemerkenswert hohe Wertschätzung, insbesondere nachdem sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts schwäbische Pietisten „fleißig und fromm“ am Aufbau des Landes beteiligten. Nach einigen Jahren der Stagnation der Beziehungen während der Sowjetzeit ist die Bundesrepublik heute einer der wichtigsten Förderer Georgiens. Als Zeichen der Dankbarkeit kann man eine regelrechte „Deutschland-Euphorie“ miterleben: Kinder, die mit Freude Deutsch lernen; spontane Einladungen auf Wein und Wodka und amüsante Gespräche auf Deutsch bereichern die Reise dauerhaft.
Am interessanten gestalten sich jedoch die Gaumenfreuden. Die „Haute Cuisine“ der Sowjetunion zeichnet sich vor allem durch intensive Kräuter, kräftige Gewürze und einen unglaublichen Überfluss aus. Überladene Tische treffen auf literweise Wein, Bier und den Tresterbrand Tschatscha, um alle Beteiligten in kürzester Zeit von scheinkultivierten Europäern zu überzeugten Georgiern zu machen. Dabei gibt es nur wenige Regeln: alles wird geteilt und der Tamada genannte Tischmeister bestimmt, wann das Glas geleert werden sollte. Diese Traditionen könnten neben der atemberaubenden Landschaft Gründe sein, Georgien in den nächsten Jahren zu einem wahren Domizil für Abschluss- und Studienfahrten zu machen. Die Auslandsinvestitionen liegen seit mehreren Jahren stabil über einer Milliarde US-Dollar jährlich und helfen dabei ebenso der Infrastruktur wie dem Tourismus.
Aufschlussreiche Ausfuehrungen! Ich werde mich damit mal genauer auseinander setzen! Freue mich auf neue Eintraege!