„Der gefährlichste Wanderweg der Welt“. Unter diesem Stichwort findet man den Huashan im Internet. Außerdem ist der Huashan auch einer der fünf heiligen Berge des Daoismus. Diesem Abenteuer konnten wir drei Jiaxinger Freiwilligen einfach nicht widerstehen und so landeten wir im Softsleeper auf dem Weg zum Huashan.
Drei Wege gibt es diesen Berg zu besteigen. Einen fünfstündigen, mäßig anstrengenden Weg, einen zweistündigen nur aus Treppen bestehenden Weg und die Seilbahn … Das die Seilbahn nicht in Frage kommt, ist ja wohl klar. Ganz nach dem Motto: Wenn schon, denn schon. Und so erfahren wir, dass mäßig anstrengend auch ziemlich anstrengend ist. Wir passieren Tempel und kleine Andachtsorte in Felsnischen. Zu denen kommt man nur, wenn man sich senkrecht aufragende Felswände hochwagt, in die die Chinesen irgendwie Stufen gehauen haben.
Ja, Treppenstufen. Da gibt es vielerlei Arten: Die modernen, gleichmäßigen. Die alten, abgenutzten, rutschigen. Und die Besonderheit des Huashan: Die vertikal hochgehenden, bei denen man sich an rostigen Eisenketten hochziehen muss (macht besonders viel Spaß im Dunkeln um 5:30 Uhr morgens mit Rucksack).
Als wir oben beim Nordgipfel ankommen, sind wir fix und fertig. Bloß, dass wir noch lange nicht oben sind. Eine weitere Treppe erwartet uns, die wir nun, zusammen mit all den gut ausgeruhten Seilbahnfahrern, in Angriff nehmen müssen. Paul ruft Julian und mir immer ermunternd zu: „Nur noch 15 Stufen!“ Und dann nochmal 15 Stufen. Und nochmal. Und nochmal… Mehr Stufen, als man zählen kann. Die Beine brennen, aber der Wille ist noch stark genug um uns hoch zu bringen. Eine grandiose Aussicht erwartet uns, doch wir beeilen uns um vor dem Einbruch der Dunkelheit noch ein Hostel zu finden.
Sobald man sich von der Anstrengung des Treppensteigens erholt, wird es kalt. Wir wärmen uns mit einer überteuerten heißen Nudelsuppe auf und fallen ins Bett. Wir sind nur zu dritt in einem 20 Mann Zimmer und frieren jämmerlich. Zum Glück kommen im Laufe der Nacht noch einige Chinesen dazu, sodass es irgendwann warm im Zimmer wird. Dafür müssen wir einen regelrechten Schnarchwettbewerb ertragen. Frisch ausgeruht – oder auch nicht – geht es für uns am nächsten Morgen um 5 Uhr weiter. Eine halbe Stunde später stehen wir an der Himmelsleiter, eine der berühmt berüchtigten senkrechten Treppen. Im schwachen Schein der Wegbeleuchtung sehen wir immer wieder Chinesinnen, die auf halbem Weg nach oben wieder herunterklettern, weil sie es nicht schaffen. Auch meine Arme brennen ganz schön, als ich mich mit Rucksack auf dem Rücken an rostigen Eisenketten die schmalen Stufen hochziehe. Es hätte auch einen Umgehungsweg gegeben, aber dafür sind wir nicht so weit gefahren. Schließlich gilt: Wenn schon, denn schon. Auf der Aussichtsplattform der Schock: Die Plattform ist proppevoll. Überall sitzen, kauern oder stehen Chinesen, in Erwartung des Sonnenaufgangs. Wir drängen uns vor bis an die Absperrung. Bei der Vorstellung, dass diese unter dem Gewicht der ganzen Menschenmasse nachgibt und ich dann kopfüber ca. 1000 Meter vom Berg herunterfalle, wird mir ein bisschen flau im Magen. Zum Glück hält die Absperrung. Eine gute Stunde stehen wir dort, warten auf den spektakulären Sonnenaufgang, der uns für alles Ertragene entlohnen wird. Aber er kommt nicht. Zumindest keinesfalls so atemberaubend, dass sich das frühe Aufstehen und Gedränge gelohnt hätte.
Na ja, man kann eben Glück oder Pech haben. Unsere Verstimmung hebt sich aber schon bald, als die Sonne endlich doch scheint und wir die eindrucksvolle Landschaft bewundern können.
Das größte Abenteuer steht uns erst noch bevor: Am senkrechten Fels auf nur 30 cm breiten Holzplanken über einen ca. 1000 Meter tiefen Abgrund balancieren. Immerhin können wir unsere Rucksäcke abstellen und neuerdings bekommt man auch Sicherheitsgurte. So kann man den Klettersteig tatsächlich genießen. In mir ensteht ein Zwiespalt: Lasse ich eine Hand an den Eisenketten, kann ich nur schlecht fotografieren. Nehme ich beide Hände von den Eisenketten, hängt mein Leben nur noch am seidenen Faden des Sicherheitsgurtes … Aber die Versuchung Fotos in den Abgrund zu machen, ist zu groß. Am anderen Ende des Bretterweges ist nur ein kleiner Tempel, dann muss man wieder umkehren. Das heißt, man teilt sich die 30 cm „festen“ Halt mit dem Gegenverkehr. Ohne Sicherheitsgurte zweifellos lebensgefährlich!
Immerhin mussten wir zur Abwechslung mal keine Treppen steigen. Danach geht es gleich weiter zum Südgipfel, mit 2100 m der höchste Gipfel des heiligen Berges. Aussicht bestaunen, den Erfolg genießen und weiter geht es: Wir wollen schliesslich alle 5 Gipfel des Huashan besteigen. Doch auch der Abstieg wartet schon. Er ist zwar bei weitem nicht so anstrengend wie der Aufstieg hat aber durchaus seine eigenen Tücken. Vor allem wenn man die ganze Zeit die Seilbahn über sich fahren sieht. Mal ganz ehrlich, würdet ihr beim Burj Khalifa den Aufzug verschmähen um die Treppen zu nehmen? Sollte man vielleicht, ist gutes Training für Chinas heilige Berge. Unser Motto: Wenn schon, denn schon. Wir freuen uns aber auch schon auf die Zugfahrt. Selbst in einem hard seat kann man nach zwei anstrengenden Tagen einigermaßen gut schlafen!
Ist der Huashan nun der gefährlichste Wanderweg der Welt? Ich weiß nicht, was die Anwärter auf Platz zwei und drei zu bieten haben, aber durch die Einführung von Sicherheitsgurten wurde die Gefahr schon deutlich relativiert (Ja, wenn man im Internet recherchiert, findet man auch Artikel aus der Zeit, als es am Plankway noch keine Sicherungen gab …). Die gefährlichsten Wege sind außerdem alle optional. Die Wege des Huashan werden weiter ausgebaut um den Berg noch zugänglicher für den Massentourimus zu machen (leider) und so werden für die steilsten Treppen auf den Hauptwegen auch Umgehungen gebaut. Ich fürchte den Titel des gefährlichsten Wanderwegs der Welt muss der Huashan bald abgeben. Ein Ausflug zum Huashan lohnt sich trotzdem allemal!
Schulischer Rückblick
Vor zwei Wochen war eine deutsche Klasse bei uns zu Besuch. Sie kommt von der Partnerschule aus Groß-Bieberau, Hessen. Beim Kulturprogramm habe ich mich den deutschen Schülern und Lehrern natürlich liebend gern angeschlossen.
Donnerstag und Freitag war Sportfest. Donnerstag früh fand die Eröffnungszeremonie statt. Alle Klassen der Schule marschierten in einer kleinen Parade über den Sportplatz. Manche waren kreativ, hatten sich verkleidet und kleine Tänze eingeübt, andere liefen am Podium des Rektors in einfachen T-shirts vorbei. Danach begannen die sportlichen Wettkämpfe, von denen ich mich mit Erlaubnis meiner Kolleginnen davonstahl um schon Donnerstagnachmittag zum Huashan losfahren zu können.
Ansonsten heißt es bei mir: Arbeiten (Deutsch unterrichten), Chinesisch lernen, Kontakte knüpfen (sowohl mit Chinesen, als auch mit Ausländern), am Wochenende verreisen. Viel Zeit für den Blog bleibt da nicht – aber ich gebe mir Mühe, hin und wieder meine Erlebnisse aufzuschreiben. Ich muss leider zwischendurch auch mal einkaufen, mich um den Haushalt kümmern und schlafen…..
Ahoj,
sehr interessanter Artikel und viele tolle Bilder! 🙂 In dem Schachpavillon muss ich auch mal spielen 😉
LG aus der Slowakei,
Matthias
Dankeschön. Ich fürchte, dass das Spielbrett für chinesisches Schach ausgelegt ist, aber ich bin mir sicher, das würdest du dir ziemlich schnell aneignen 🙂