Chinesische Züge haben vier Platzkategorien: Hard seat, soft seat, hard sleeper, soft sleeper. Davon sind zwei zum Schlafen vollkommen ungeeignet. Trotzdem verbringen wir (ich und die anderen beiden Freiwilligen aus Jiaxing) die ersten 12 Stunden unserer Reise in einem soft seat, der nicht sonderlich soft ist. Chinesen sind übrigens durchaus bewundernswert, schon allein aufgrund ihrer Fähigkeit immer und überall zu schlafen. Von klein auf so konditioniert, scheint es als würden sie weder unbequeme Sitze noch grelles Licht oder lautes Geschrei vom Schlafen abhalten können. Wir dagegen kommen ziemlich übernächtigt Mittwoch früh in Huangshan (Stadt) an.
Dort das erste große Drama (wenn man nicht mitzählt, dass wir in Shanghai ca. eine Stunde gebraucht haben um das richtige Ticketoffice und dann den richtigen Schalter zu finden): Wir wollen eigentlich nur unsere im Internet vorbestellten Tickets ausdrucken lassen, doch die Dame am Schalter versteht das nicht. Sie versteht uns nicht, wir verstehen sie nicht. Zum Glück konnten wir die Hotline der englischen Website, über die wir die Tickets gebucht haben, anrufen und dann der Dame am Schalter hinhalten. Danach fahren wir mit einem Bus nach Tangkou. Erstaunlicherweise müssen wir nicht – wie eigentlich vorhergesagt – drei Stunden auf diesen Bus warten, sondern nur eine Stunde. Tangkou liegt direkt am Fuße des Huangshan (leider doch kein heiliger Berg, siehe „Chinesisch für Anfänger“). Den Rest des Tages schauen wir uns ein bisschen in Tangkou um und gehen dann früh ins Bett. Um 21 Uhr. Wir wollen schließlich ausgeschlafen sein, wenn es am nächsten Tag den Berg hochgeht.
Bis die Füße schmerzen und die Beine zittern
3:30 Uhr klingelt der Wecker. Als wir schon um 4 Uhr das Hostel verlassen, feiern wir uns noch, dass wir so früh losgekommen sind. Aber als wir die Hauptstraße erreichen, sieht es so aus als wäre schon ganz Tangkou auf den Beinen! Ok, Berichtigung der Tatsachen: Wir haben ERST um 4 Uhr das Hostel verlassen. Den Sonnenaufgang sehen wir auch nicht vom Berg aus. Und dabei sieht eigentlich alles so gut aus. Der Bustransfer zu den Eingangstoren für die Besteigung des Gelben Berges läuft reibungslos. Trotz der Massen stehen wir kaum 15 Minuten an. Tja, das ist eben ein Privatunternehmen, das auch etwas verdienen will. Am eigentlichen Eingangstor zum östlichen Weg stehen wir dann 45 Minuten an, weil es vom Park aus nur 2 Schalter gibt. Aber auch 45 Minuten sind eigentlich gar nicht soooo lang … aber dazu später. Um 6 Uhr geht es dann endlich los, den Berg hinauf, Treppensteigen extrem drei Stunden lang. Aber für den phantastischen Ausblick hat es sich gelohnt. Und das ist ja bei weitem noch nicht alles. Wenn wir schon einmal da sind, heißt es auch möglichst jeden Weg zu wandern und jeden Aussichtspunkt zu besteigen, von einem atemberaubenden Ausblick zum nächsten, bis die Füße schmerzen und die Beine zittern.
Wieder runter vom Berg zu kommen, sollte dagegen ja eigentlich nicht so schwierig sein. Dachten wir. Erst einmal müssen wir wieder anstehen – eine Stunde lang um uns dann einer hinter dem anderen im Gänsemarsch eine schmale Treppe herrunter zu zwängen. Und dann stehen wir an einer Abzweigung. Geradeaus: zur Gondel, nach links: zum höchsten Punkt des Massifs. Na ja, wenn wir schon einmal hier sind, dann quälen wir uns doch gerne noch ein bisschen mehr. Ganz oben angekommen, erwartet uns der Sonnenuntergang und das Gefühl von grenzenloser Freiheit. Wir können zwar kaum noch stehen, aber das glückliche Lächeln auf unseren Gesichtern kann uns keiner nehmen!
Dass uns das Schlimmste erst noch erwartet, können wir da noch nicht ahnen. Da es dunkel wird, beschliessen wir, mit der Gondel herrunter zu fahren. So wie alle anderen auch. In der ersten Stunde des Anstehens bewegen wir uns auch noch einigermaßen vorwärts. Die nächsten zwei Stunden nicht mehr wirklich. Irgendwann, nach 15 Stunden auf dem Berg, kommen wir unten wieder an, und denken nur noch sehnsüchtig an die hard sleeper Betten, die uns für 4 Stunden im Zug erwarten. Und die schlafen sich dann auch wirklich himmlisch, ganz im Gegensatz zu den Metallbänken im Wartesaal von Jingdezhen, wo wir uns von 4:00 – 7:30 Uhr aufhalten dürfen.
Mittags kommen wir in Nanchang an, fahren zu unserem Hotel, besprechen ein bisschen den Plan für die nächsten Tage und gehen um 16 Uhr schlafen (eigentlich nur ein kurzer Mittagsschlaf, der dann doch bis zum nächsten Morgen dauert). Am nächsten Tag lassen wir es ruhig angehen und entdecken Nanchang.
Abends erfahren wir, dass es nicht ohne Grund immer windiger wird. Ein Taifun zieht Richtung Zhejiang (der Provinz, in der Jiaxing liegt)! Wir sind zwar in Nanchang ein bisschen weiter weg, doch am nächsten Tag soll es auch bei uns viel winden und regnen. Wir entscheiden uns deshalb dagegen, zu einem weiteren Berg zu fahren und verbringen stattdessen noch einen Tag in Nanchang. Es folgt der krönende Abschluss unserer Reise: 9 Stunden Nachtzug im hard seat.
Deutscher Empfang
Ziemlich fertig kommen wir am nächsten Tag in Jiaxing an, das zum Glück nur indirekt, durch heftige Regenfälle, vom Taifun betroffen ist. Einige Straßen sind überschwemmt, aber ich komme gut zu meiner Schule zurück. Ganze zwei Stunden gehe ich heute ins Büro, denn noch am gleichen Abend (08.10) wollen die Jungs und ich auf einem Empfang des deutschen Konsulats zur Feier des „Tags der Deutschen Einheit“ (ein bisschen verspätet, aufgrund der Goldenen Woche) in Shanghai sein. Dort müssen sich unsere Augen erst einmal wieder an den Anblick so vieler „Westler“ und unsere Ohren an den Klang einer uns bekannten Sprache gewöhnen. Deutsch. Verstehen und verstanden werden. Wobei die Frage ist, ob das immer so gut ist. Deutsches Essen, deutsches Bier. In 3 Monaten werde ich mich wahrscheinlich danach verzehren, aber jetzt komme ich noch sehr gut mit chinesischem Essen klar. Trotzdem eine nette Abwechslung. Deutsche Gespräche mit Deutschen. Und deutsche »kulturweit« Freiwillige. Am Ende des Abends übernachten wir bei einer Freiwilligen und fahren dann am nächsten Tag gegen 7 Uhr zurück nach Jiaxing. Diesmal um dort auch ein bisschen länger auf der Arbeit zu erscheinen und wieder in unseren neuen Alltag zu finden.