Die Welt ist klein, Sibirien ist groß!
Wie klein doch die Welt ist, wurde mir heute besonders bewusst. In meinem Gymnasium fand die feierliche Vergabe der allerersten DSD-Diplome an die Schüler der jetzigen 11. Klasse statt. Alle waren gekommen: Die Eltern, der Vertreter der ZfA, Lehrer und die Direktorin. Außerdem waren auch einige andere Gäste eingeladen, zum Beispiel Gabi, die Deutschlehrerin an Minas Gymnasium aus Sachsen und auch eine Kollegin von ihr aus Irkurtsk, die zwecks eines Seminares für Deutschlehrerinnen angereist war. Ich schaute und schaute. Irgendwoher kam mir diese Dame doch bekannt vor…
Ich fragte Gabi, woher ihre Kollegin sei. Aus Berlin, war die Antwort. Da war ich mir sicher: es handelte sich um eine ehemalige Lehrerin aus dem Archenhold-Gymnasium, der Schule, die ich bis zur 11. Klasse besucht hatte. Ich hatte damals bei ihr keinen Unterricht, habe mich aber an sie erinnert. Und jetzt treffe ich sie hier, in Sibirien, in Akademgorodok. Es ist doch unglaublich! Wir haben uns dann sehr nett unterhalten. Überhaupt war die Diplomvergabe sehr feierlich, es wurden Reden gehalten und auch ich wurde der versammelten Elternschaft vorgestellt. Danach gab es ein superleckeres Büffet und nette Gespräche. Ich habe mich gut mit einer Englischlehrerin unterhalten, deren Sohn ich unterrichte und der ich auch im Englischunterricht assistieren soll.
Ach ja, der Unterricht. Mir macht die Arbeit hier wirklich viel Spaß, ich helfe vor allem in den jüngeren Klassen und bei der DSD-Vorbereitung. Samstags hat auch die Grundschule mit mir Unterricht, also Dritt- und Viertklässler. Die Kinder sind meist aufmerksam, wissbegierig und quasselig, außerdem natürlich begeistert von meinen Spielen, Liedern und Energizern.
Trotzdem muss ich mich an das andere Schulsystem gewöhnen, Disziplin ist hier nicht so verbreitet wie bei uns. Nur zu reden, wenn sie drangenommen werden, sind die Kinder nicht gewöhnt, außerdem stehen sie auch in den Stunden schonmal auf oder fragen, ob sie mal rausgehen (sprich: auf die Toilette gehen) können. Deshalb kann es vorkommen, das in der Klasse ganz schöner Trubel herrscht, es ist der reinste Flohzirkus. Für mich ist das oft schwer, denn ich bin meist allein mit den Kindern und wenn alle durcheinander Russisch plappern, bin ich überfordert und kann die ernst gemeinten Fragen nicht immer von den lustigen unterscheiden. Es macht Spaß, ist aber auch anstrengend. Die Kinder sind alle aufgweckt und klug, lenken sich aber gegenseitig ab. Also heißt es manchmal durchgreifen. Heute habe ich das erste Mal einen Schüler vor die Tür schicken müssen. Sergey ist ein süßer, lieber und schlauer Junge. Ich glaube ja, er ist ein wenig verliebt in seine Banknachbarin Poline, jedenfalls hat er sie im Unterricht permanent geärgert, ihr ihre Schulsachen weggenommen und generell stark gestört. Irgendwann hat es mir gereicht, nachdem ich schon zehnmal zur Ruhe aufgeordert hatte.
„Raus!“ , das muss auch jeder russische Schüler verstehen. Ich ging mit Sergey vor die Tür und sagte ihm: Я тебя отчень люблю и ты очень умный, а пожалуйста не мешай, я новая учительница, это очень трудно для меня!“ (Ich habe dich sehr lieb und du bist sehr klug, aber bitte stör nicht mehr! Ich bin eine neue Lehrerin, das ist sehr schwer für mich!)
Da wurde er ganz kleinlaut und hat nur genickt. Wir sind zusammen wieder in die Klasse gegangen und die Arbeitsatmosphäre war deutlich besser. Ich denke, die Kinder haben gemerkt, dass ich freundlich, lustig und lieb bin, wenn sie ordentlich arbeiten, aber auch streng sein kann. Das war ein Erfolgserlebnis. Natürlich habe ich mein Vorgehen mit meiner Mentorin besprochen und sie meinte, ich hätte richtig gehandelt.
Ansonsten habe ich heute sehr viel gespielt, „Obstsalat“, „Zehn kleine Fische“ und „Rehlein und Jäger“. Ich habe Videos, die ich bestimmt bald hochladen werde. Aber jetzt besprechen Mina und ich unsere Pläne für dieses und nächstes Jahr!
Cultural Faces – ein kulturweit-Vorbereitungsseminarprojekt
Ein ganz tolles und wirklich witziges Video, das von meiner Homezone bei Vorbereitungsseminar am Werbellinsee gedreht wurde.
Dazu wurden vielen Freiwilligen die folgenden Aufgaben gestellt:
1. Aufgabe: ein Vorurteil gegenüber dem Gastland in einem Wort
2. Aufgabe: die Vorfreude in einem Satz ausdrücken
3. Aufgabe: das Gastland pantomimisch darstellen
Wie haben sie das wohl gelöst? Viel Spaß!
P.S.: Ja, auch ich spiele mit!!! xD
LINK: Cultural Faces
Tee scheint zum Symbol für meinen Aufenthalt hier geworden zu sein. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Tee getrunken und noch nie so wenig Kaffee (ich muss irgendwie an Kaffee kommen). Vergesst den Wodka, Tee ist das Nationalgetränk! Aber es ist ein passendes Symbol. Tee ist etwas bekanntes, aber hier schmeckt er ganz anders als zu Hause. Man schmeißt einfach einen Beutel in die Tasse, gießt Wasser rauf und guckt, was dabei rauskommt. So ähnlich mache ich das auch hier. Und dann fischt man den Beutel wieder raus und haut ihn weg und manchmal hat der Tee natürlich auch zu lange gezogen, aber was solls, man trinkt ihn trotzdem.
Noch so ein Symbol wäre Fleisch, es gibt hier so viel Fleisch, aber das baue ich lieber nicht aus! Stattdessen präsentiere ich euch eine Auswahl an Mailauszügen, so könnt ihr euch ein Bild machen.
Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch meine allerliebste Mina, die mit mir als Lina so etwas wie die russische Ausgabe von Hanni und Nanni geworden ist und mit mir lacht und weint und mir Asyl gewährt. Wer etwas über das Leben in Nowosibirsk-City wissen will, klicke hier: https://kulturweit.blog/minainsibirien/
„Freitag haben Mina, meine liebe Mitfreiwillige und und ich uns den ersten Tag getroffen und uns unsere verschiedenen Stadtteile gezeigt (brauche von mir zu ihr ca. 1 Stunde). Bei mir alles eher grün und wenig actionig, dafuer nicht so gruselig und stinkig. Wir waren dann noch mit drei anderen Deutschen (Halloooooo, Deutsche Blase!), die sie auf einem Bilderbuch-im-Deutschunterricht-Seminar kennen gelernt hatte im Irish Pub. Haben uns sehr zurueckgehalten, aber gleich mal den Schütteltanz auf russischen Boden geprobt. Wurden trotzdem angetanzt. Vielleicht wird es der neue Trend? Zurück fuhr natürlich kein Bus mehr, wie wir nach 25 Minuten Warterei herausgefunden haben (gibt ja keine Buspläne), also mussten wir laufen. Zwei Nowosibirsk-City-Girls alone. Hat uns aber keiner weggeschnappt. Zu Hause waren wir gut drauf, denn es gab Milka-Daim-Schokolade und da die Heizung hier schon voll loshitzt, waren wir irgendwann nur noch leicht bekleidet und haben den Schütteltanz getanzt. Normales russisches Verhalten also. Wir fallen hier eh auf wegen der flachen Schuhe und den seltsamen Röckchen!“
„hab heute (Samstag) den tag mit schülerinnen aus der 10. klasse verbracht, die sind so alt wie Conny (mein Bruder). wir waren im cafe dann hab ich beim basketball zugeguckt und dann waren wir noch bei der einen zu hause, die wohnt in dem schicken nachbarhaus! war sehr nett, haben maumau gespielt. die konversation lief nur auf russisch und manchmal englisch, denn 2 von 3 sprechen kein deutsch. klappt aber gut, habe nur sprachknoten im hirn. Habe auch mein erstes buch auf russisch ausgeliehen, Biss zum Morgengrauen alias twilight. Mal gucken, wie viel ich kapiere.“
„War gestern mit Mina und den Studentinnen shoppen, die sie beim Einkaufen mit ihrer Mentorin kennen gelernt hat. Die Preise hauen einen um. Nix da, H&M ähnlich, sondern alles ist viiiiiiel teurer. Muss nach Sales und Billiggeschäften Ausschau halten. Bei mir auf dem Markt ist es okay, aber z.B. Stiefel kosten ca. 40 Euro, wenn sie billig sind. Hab dann wieder bei Mina geschlafen, aber heute Morgen gings mir nicht so gut. Mir war auf dem Nachhauseweg vom Smog etwas schlecht, also schnell wieder zurück anch Akademgorodok ins frische Grün! Hab hier noch geschlafen, musste erst 16:30 uhr in der Schule sein, dann gings zum Sprachkurs, d.h. erstmal mache ich einen Test, welches Level ich habe. [Anmerkung: Hab die Dame vom Sprachinstitut beim Reden so überzeugt, dass ich dann den superschweren Test machen durfte. Da hab ich aber ca. die Hälfte der Vokabeln nicht gekannt, naja, ich muss noch üben. Den leichten Test mache ich zu Hause, mein Sprachkurs fängt morgen oder übermorgen an!]
Die Studentinnen wollen uns übrigens mit noch mehr Leuten bekannt machen, aber das is alles ziemlich weit weg für mich, alles in der Stadt. Ist halt wie bis Mitte reinfahren. “
GESCHÄTZTE BESUCHER, BITTE BEACHTEN SIE AUCH DIE NEUE SEITE „KURIOSITÄT DES TAGES!“
… das gilt im Leben und im Nowosibirsker Dschungel ebenso.
Meine Tage in der Schule unterliegen noch keinem richtigen System, ebenso wenig wie der ganze Schulalltag systematisch abzulaufen scheint (falls es doch ein ausgeklügeltes System geben sollte, habe ich es einfach noch nicht durchblickt).
Heute musste ich um 13.15 Uhr in die Schule und habe dann mit den blutigen Deutschanfängern „Hallo, wie geht es dir?“-Dialoge geübt. Meist unterrichte ich spontan und bekomme einfach während der Schulstunde Aufgaben zugewiesen. Wir sind da flexibel. Wie heißt es doch: Die Deutschen können planen, aber nicht improvisieren. Die Russen können dafür improvisieren, aber nicht planen.
Meine Schule ist das Gymnasium „Hermelin“ und dieses Maskottchen ist auch überall zugegen, z.B. auf den schulinternen Hausaufgabenheften, zu deren stolzen Besitzern ich mich seit heute zählen kann (habe aber die Lehrervariante). Die Grundschule ist in das Gymnasium integriert und wir alle gehen sechs Tage die Woche zur Schule. Das ist kein Problem für mich, denn ich kann fast täglich ausschlafen und auch mal zu Hause arbeiten. Zur Schule brauche ich nur 5 Minuten zu Fuß, was superpraktisch ist, vor allem, wenn bald -30° sind.
Heute stand außerdem etwas ganz besonderes auf dem Programm: die Siebtklässler Katja, Wanja, Ksuscha und Nastja nahmen mich mit auf einen Spaziergang in den botanischen Garten.
Nachdem wir zehn Minuten mit der Maschutka (dem Großraumtaxi alias Kleinbus) gefahren waren, ging es ab durch die Nowosibirsker Wälder! Es gibt so viel Grün hier, unglaublich. Besonders viele Birken und wenn man still ist, wie wir heute, hört man die Spechte klopfen. Es ging bergauf und bergab, wir waren total außer Atem und es war wirklich warm. Der botanische Garten selbst war nicht so special, eher wie ein kleiner Park, aber die Natur zu genießen war traumhaft. Die Kinder waren auch echt lieb, wir haben viel gelacht, besonders Katja ist ein Wildfang, sie macht ständig Blödsinn und braucht Aufmerksamkeit! Wir haben natürlich auch viele Fotos geknipst. Ihr findet einige in meiner Bildergalerie, hier ein kleiner Vorgeschmack:
Danach waren wir noch zusammen in einem Kaffee, dem Traveller’s Coffee. Die Preise sind hier teilweise skurril. Zum Beispiel habe ich heute in der Cafeteria für ein großes, ofenfrisches Brötchen und eine Pirogge mit Aprikosen nur 11 Rubel (25 ct) bezahlt, eine Miniportion Spaghetti kostet im Cafe aber 189 Rubel (4,37 €). Mit der Maschutka zu fahren ist übrigens auch sehr billig, für nur 15 Rubel (35 ct) kommt man von A nach B, dafür ist Kleidung größtenteils wahrscheinlich teurer als zu Hause.
Ich hatte einen schönen Tag und freue mich auf morgen, wenn es mit Mina, der anderen kulturweit-Freiwilligen hier, nach Nowosibirsk-City geht!
Was ich die Tage so mache? Lernen, hauptsächlich! Und wie lernt man am besten? Man beobachtet! Ganz wichtig ist es aber auch, immer mit dem Kopf zu nicken, selbst wenn man das Russischgewusel absolut nicht kapiert!
Was habe ich also in den drei Tagen in Akademgorodok gelernt?
1. Russinnen sind wunderschöne Geheimartisten, die in hohen Stöckelschuhen durch Staub und über die unebenen Wege turnen und das Ganze mit Bravour meistern (ich habe übrigens von meinen kleinen Pumps schon Blasen).
2. Der Deutschunterricht wird eher locker gesehen (es klingelt, irgendwer ist nicht da, irgendwer schreibt SMS, Pause, die Lehrerin verteilt Kekse und leiht den Schülern auch mal 50 Rubel), aber meine Mentorin ist absolut engagiert .
3. Wodka steht im nahegelegenen Supermarkt gleich neben dem Eingang, er ist das erste, was man sieht.
4. Man sollte bei Sing- und Bewegungsspielen in Klassen lieber nicht das Wort „schießt“ verwenden, sonst… (siehe Überschrift). Und dann verstehen 12 Kinder nicht, warum du lachen musst.
5. Der große Plastikeimer im Badezimmer ist kein Mülleimer, sondern der Wäschekorb (…ups!).
6. Durch Sibirien kann man auch in FlipFlops laufen, sogar Ende September!
7. Mein Abiballkleid und die dazugehörigen Stöckelschuhe wären in der Schule ein absolut angebrachtes Outfit (Mist, ich hab die Gelegenheit verpasst, das nochmal anzuziehen!)
8. Sibirische Kinder lachen lauthals, wenn du erzählst, dass -15°C zu Hause schon eine Katastrophe sind.
9. Neue Freunde kennen zu lernen ist schwer. Da heißt es abwarten und sich unbedingt eine russische SIM-Karte zulegen. (Ich habe seit heute so eine SIM-Karte und Einladungen fürs Wochenende zum Kaffee trinken und Shoppen.)
10. Der erste Schnee wird Mitte Oktober erwartet.
11. Ich muss unbedingt schicke Blusen für die Schule kaufen (kam mir in meinen T-Shirts etwas trampeltierig vor).
12. Der Fahrstuhl wird nicht abstürzen, auch wenn ich jedes Mal das Gefühl habe. Die einzige Gefahr sind fremde Männer. Mit denen NIE alleine Fahrstuhl fahren (mit fremden Frauen aber bestimmt auch nicht).
13. Außerdem gibts im Herbst und Frühling ab und zu freilaufende Schizophrene.
14. Trotzdem ist es hier nicht gefährlich und ich fühl mich sicher, denn die Wohnungstür wird 2 Mal unten und drei Mal oben abgeschlossen!
15. Ich mag mein Zimmer und mein Bett ist sehr bequem, auch wenn ich nichts an die Wände kleben darf (habe aber den Stecknadeltrick angewandt!).
16. Wenn man mal verschläft (weil der Wecker aus schleierhaften Gründen nicht geklingelt hat), auch wenn man erst um 11:30 Uhr in die Schule sollte, ist das kein Problem und wird von der Mentorin auf den Jetlag geschoben!
17. Schon am zweiten Tag finde ich alleine in die Schule (5 Minuten zu Fuß) und zurück! Juhuuu!!!
18. In der Wasserkaraffe hat unbedingt ein abgebrochener Silberlöffel zu liegen (müsste mal fragen, wozu!?).
Alles in allem: Ich mag es hier, auch wenn Heimweh ganz neue Dimensionen annimmt (ich nenne es Heimsucht).
Ich durfte von Anfang an unterrichten. Gestern war ich gleich alleine mit den Sechstklässlern, die ständig mein Russisch verbessern mussten, aber sehr lieb und nett waren (haben ja auch Ahoi-Brause bekommen) und außerdem gibt es geschätzte 1000 Projektideen, die meine Mentorin verwirklichen möchte! Heute konnte ich auch den ersten Energizer anbringen (das in der Überschrift angedeutete Rehlein-und-Jäger-Szenario), außerdem habe ich mit der 8. Klasse auf dem Schulflur Laurenzia gespielt, bis sich die Mathelehrein über den Lärm beschwert hat.
Morgen muss ich erst zum Mittagessen in der Schule sein, dann geht es in den Botanischen Garten von Novosibirsk, ein paar freche, aber liebenswerte Siebtklässler wollen mich führen!
Всё будет хорошо! (Alles wird gut!)
Ich befinde mich nach einem langen, aber eigentlich entspannten Flug von Moskau jetzt in Akademgorodok, der Wissenschaftsvorstadt von Nowosibirsk. Wenn ich aus dem Fenster schaue, blicke ich acht Stockwerke hinunter, in der Ferne sehe ich typisch russische Hochhäuser und Wald, Wald, Wald. Alles ist so grün hier bzw. eigentlich schon eher rot und gelb verfärbt. Mir gefällts. Aus dem Küchenfenster kann ich sogar das Gymnasium, in dem ich arbeite, sehen. Ein blaues Gebäude, sieht typisch nach Schule aus.

Tja, das ist es also. Ich bin da. Ich bin in Sibrien (heute scheint übrigens die Sonne und es ist garantiert wärmer als in Deutschland, ich hab die ganze Zeit das Fenster auf).
Aber, wie man so schön sagt, meine Seele muss erst noch nachkommen. Und verarbeiten, was es schon zu sehen gab. Die lange Fahrt vom Flughafen, während über Novosibirsk die Sonne aufging. Den Hochhaus-Dschungel, der mich sehr an St. Petersburg erinnert hat. Das Treffen mit meiner Mentorin Ludmilla Heym und meiner Gastgeberin Irina, die noch kleiner ist als ich, sich aber wie Ludmilla trotzdem schon jetzt als Mama versteht. Die ersten Gespräche auf Russisch. Meinen neuen, selbstgewählten Spitznamen Lina. Kaffe und Piroggen mit Kohl (da gabs eigentlich nichts zu verarbeiten, sondern nur zu verputzen!)
Nach ein paar Stunden Schlaf (für mich war es ja mitten in der Nacht) musste ich erstmal meine Energie und Freude rauslassen.
Hab zum Grease-Soundtrack so richtig abgetanzt!!! Was solls, war ja sonst keiner da! =)
(Ein fettes Dankeschön an Annemarie, die mir die Musik gegeben hat! <3 )
Mein Zimmer ist soweit eingerichtet, ich brauch nur noch Klebeband (was um alles in der Welt heißt das auf Russisch???) um alle Fotos & Co an die Wand zu hängen. Es ist echt schön, mit großen Fenstern, einem Mini-Begehbaren-Kleiderschrank (wuhuuuuuu!), einem riesigen Spiegel und nem Doppel-Couch-Bett. Außerdem siehts aus wie im Dschungel, habe hier 17 (!) Grünpflanzen rumstehen (Irina ist Biolehrerin). Eine davon ist ein Kaffeebaum! Das Zimmer hat früher Katja gehört, Irinas Tochter, die jetzt verheiratet ist.
Ein Wintermantel für mich wurde auch schon organisiert, ich bekomme Katjas alten. Echter Pelz, bodenlang und ungefähr so schwer wie alle meine Klamotten zusammen. Sinke garantiert im Schnee ein, freu mich aber drauf!
Gleich kommt Ludmilla vorbei, die Schule dürfte schon zu Ende sein. Dann besprechen wir alles Organisatorische, aber sie hat mir schon von einigen Terminen erzählt. Ich sag nur: Wow! Es gibt viel zu helfen für mich. Außerdem soll ich heute noch die Elftklässler und einige schöne Ecken von Akademgorodok kennen lernen.
Ganz liebe Grüße nach Hause und in alle Teile der Welt, die im Moment von kulturweit-Freiwilligen bevölkert sind! Es ist ein Abenteuer!
Trotzdem: Heimweh gibt’s immer! Irgendwann fließen die Tränen. Aber ich finde es schön, dass ich so viele Menschen kenne, die ich aus ganzem Herzen vermisse!
Das Vorbereitungsseminar war eine intensive Erfahrung. Ich war noch nie von so vielen Menschen umgeben, die mir zwar nicht unbedingt ähnlich sind, aber doch in dieselbe Richtung wie ich schauen. Ich habe so viele neue Freunde gefunden und so viele wundervolle Gespräche geführt, die mir extrem Mut gemacht haben. Ich habe so viel gelacht und erst beim Abschied geweint.
Deshalb hier nochmal einen Dank an alle, die das Vorbereitungsseminar zu etwas ganz Besonderem gemacht haben: Moni und ihre Homies Mila Superstar, Lisa, Giannina, Kathrin, Christine, Lotte, Alex, Hannah, Annabelle, Ludger und natürlich ganz besonders Reiner sowie die adopted Homies Nora und Katharin! Ein Küsschen an Mina, Caro und Katha! Ich hab euch alle wirklich lieb!
Jetzt kann ich es gar nicht mehr erwarten! Mein Koffer (hab doch nur einen Koffer mit 23 kg, wie ich mit Schrecken feststellte, denn soviel wiegen eigentlich meine Schuhe!) ist gepackt.
Ich will hier weg! Ich bin bereit! Ich will nach Hause, in ein zu Hause, das ich zwar noch nicht kenne, das aber wundervoll wird!
Ich mache Pläne. Ich denke an nachhaltige Projekte, an Weihnachten im Januar, an eine Fahrt zum Zwischenseminar nach Sankt Petersburg mit der Transsib und an eine Reise nach Shanghai im Dezember!
Ich werde Berlin und alle hier vermissen, aber das Fernweh ist stärker!
Ein Besuch beim Konsulat III
Das letzte Mal zu Besuch bei Freunden in der Botschaft der russischen Förderation, wo ich mich nun bestens auskenne, war ich letzten Freitag. Man lernt ja bekanntlich aus seinen Fehlern, deshalb war ich aktivem Anstellen sei Dank die erste in der Warteschlange. Ich hatte nämlich weder Zeit noch Lust eine Stunde oder länger dort zu verbringen.
Kurzum: Ich habe von Pjotr meinen eigenen (!) Pass ausgehändigt bekommen, der ein 180-Tage-Visum mit mehrmaliger Ausreise enthält.
Es hat nicht jeder so ein Glück. Jürgen zum Beispiel, der nach Nischnij Tagil geht, wo die Panzer an den Bäumen wachsen, hat von den Beamten in München nur ein 90 -Tage-Visum augestellt bekommen.
Dafür habe ich mir nach dem Telefonat mit ihm andere Sorgen. Er hat sich eine 300 Euro teure Jack Wolfskin Jacke zugelegt , die fürs Hundeschlittenrennen in Alaska konzipiert worden sein soll. Was ich bisher an Klamotten für Sibirien erstanden habe? Richtig: Keine!
Jürgen meinte, die Russen fahren nach Deutschland zum Wintershopping, weil der Preis gleich, die Qualität hier aber besser sei. Ich kann das nicht so recht glauben. Vielleicht die Russen aus der Nähe von Ekaterinenburg, aber sicher nicht die Bewohner des ca. 1000 km entfernten Novosibirsk. Hoffe ich jedenfalls. Ich hab mich schon so auf einen warmen Pelzmantel gefreut, den ich nach meinen Recherchen sicher brauchen werde.
Ein Russe, den ich am Montag auf dem Weg von Frankfurt nach Berlin kennen lernte, wünschte mir auf seine Art viel Spaß in Sibirien mit den Worten: „Willst du echt dahin? Da ist es so kalt, da sterben die Vögel im Flug!“
Herzlichen Dank auch!
Ein Besuch beim Konsulat II (alias Ich war zu optimistisch)
Am 27., also letzten Mittwoch, stand ich startbereit vor der Tür des Konsulats, um mein Visum um 12 Uhr in Empfang zu nehmen. Ich war deutschpünktlich, sprich: 15 Minuten zu früh. Mir wurde vom Einlasser mitgeteilt, dass man mich natürlich nicht eher hineinlassen würde, als russischpünktlich, sprich: 5 Minuten nach um 12. Die zwanzig Minuten ließen sich dann allerdings ganz gut totschlagen, da ich Dr. Manfred Stein kennen lernte, der mir allerhand Geschichten über den wilden Osten und Russen im Allgemeinen sowie Besonderen erzählte. Außerdem ließen sich kleine Dramen beobachten, wenn sich Leute vordrängelten und andere sich darüber aufregeten (genug Russisch, um Schimpfwörter als solche zu identifizieren, kann ich anscheinend noch).
Es ist im Allgemeinen für mich angenehm, Russisch zu hören, ob das nun Schimpfwörter oder Banalitäten sind, es ist ein Stück Kindheit und ein Stück nach Hause kommen. Trotzdem macht es mich traurig, wenn ich an meine Grenzen stoße, weil ich etwas nicht verstehe oder (was viel häufiger vorkommt) mich nicht ausdrücken kann. Aber ich bleibe zuversichtlich, da ich in Novosibirsk einen fünftägigen Sprachkurs absolvieren werde und außerdem merke, dass es beginnt, sich in meinen dunklen Hirnwindungen zu regen. Ich werde viel, was ich gelernt und augenblicklich vergessen habe, reaktivieren können. Es muss tief verankert sein, schließlich habe ich im zarten Alter von 5 Jahren und mit wesentlich keineren Öhrchen begonnen, Russisch zu hören, zu verstehen und zu sprechen.
Aber zurück zum Konsulat. 5 nach 12 ging die Tür auf und wir durften hineinströmen, wobei es nicht unbeachtliches Gezische gab, da manche Leute den Spruch „Die letzten werden die ersten sein.“ sehr ernst nahmen. Dennoch ergatterte ich einen Platz unter den ersten fünf in der Warteschlange.
Es folgte eine halbe Stunde nerviges Anstehen, obwohl nur drei Personen vor mir dran waren.
Warum? Das ging ungefähr so:
„But I called from London yesterday, because I couldn’t call from Paris and now I am flying to Ukraine and I wanted to clear things up with my visa for Russia today. Please, Sir, I’m begging you…“
Ja ja… die komischen Einreisenden sollten sich endlich daran gewöhnen, dass dieses Fleckchen in Berlin-Mitte definitiv kein Teil der EU mehr ist. Da geht es nach russischer Papierkram-Schnauze und die zeigt gleichzeitig in viele Richtungen, sodass Umwege und Verirrungen vorprogrammiert sind.
Das bekam auch ich zu spüren, nachdem ich die 30 Minuten dank Herrn Stein und seiner unterhaltsamen Anekdoten langeweilefrei durchgestanden (im wahrsten Sinne des Wortes) hatte.
Pjotr saß wieder hinter seinem Schreibtisch, ich gab ihm meine Quittung und erhielt dafür zwei Pässe. Moment mal, zwei? Ich schlug den ersten auf. Okay, das war schonmal nicht meiner, es sei denn, ich war über Nacht zum Mann geworden. Der zweite Pass war zwar der einer Frau, aber auch sie war nicht identisch mit meiner Person. Ich hatte die Wahl. Zwei Pässe auf dem Schwarzmarkt verticken oder mal nachfragen, ob sie meinen nicht auch dahatten. Also scheuchte ich Pjotr auf, der schon mit dem nächsten Visaabholenden beschäftigt war.
Angeblich war der Nachname gleich, deshalb hatte ich zwei andere Pässe bekommen. Pjotr verschwand und nach ein wenig Rumkramen fand er meinen Antrag. Er hatte zweimalige Einreise auf dem Formular angekreuzt, aber jetzt hatte sich das Konsulat wohl dazu entschieden mir sogar eine mehrmalige Einreise zu gewähren. Das dauert dann natürlich länger mit der Bearbeitung. Im Klartext: Ich darf am Freitag wiederkommen. Ich bedankte mich bei Pjotr (er hatte schließlich meinen Pass in Geiselhaft), aber nachdem ich mich umgedreht hatte, konnte ich mir ein wütendes Schnauben nicht verkneifen. Dahin war eine Stunde meiner Jugend (plus Fahrzeit!).
Ich kann nur hoffen, beim Konsulatsbesuch Nummer 3 geht alles klar und dass niemand anderes meinen Pass ausgehändigt bekommen hat.
У меня есть русский клавиатур! (Ich habe eine russische Tastatur!)
Woran man nicht alles denken muss, um ein normales russisches Leben führen zu können!
Ich „trainiere“ meine Sprachkenntnisse schon vorweg, indem ich facebook auf Russisch benutze und damit regelmäßig meine Freunde verwirre, die dank der kyrillischen Buchstaben so nichtmal die Uhrzeiten bei meinem Account lesen können.
Außerdem werde ich mir in Russland natürlich ein neues Handy kaufen müssen, nicht nur wegen des anderen Telefonnetzes, sondern auch damit ich eine SMS auf Russisch tippen kann. Handys haben dort nämlich sowohl lateinische als auch kyrillische Buchstaben auf den Tasten.
Da ich mir aber keinen neuen Laptop zulegen möchte, habe ich bei ebay preiswerte Tastaturaufkleber erstanden. Jetzt kann ich endlich in beiden Sprachen tippen, ich muss sie nur entsprechend am Computer umstellen. Mein Gehirn muss sich allerdings erstmal an den Überfluss an Zeichen gewöhnen. Im Moment ist das Schreiben noch ein bisschen wie auf Drogen sein, vor allem, weil manche Zeichen zwar gleich aussehen, aber andere Buchstaben darstellen und sich auf unterschiedlichen Tasten befinden. Die russischen Buchstaben sind gelb (vielleicht hätte ich sie doch in grün nehmen sollen?), aber ich bringe es trotzdem noch durcheinander. Oder würde es euch nicht so gehen?





