Nicht den Löffel abgeben! – Mein Krankenhausaufenthalt

10. November 2011
von Caroline Stelzer

Am 28. Oktober, einem Freitag, begann ganz offiziell der Winter in Nowosibirsk. Weiche, weiße Flocken fielen vom Himmel und mit dem ersten Schnee kam auch das erste Fieber.
Ich lag mit Schüttelfrost im Bett und versuchte zu leugnen, dass ich krank werden würde, denn Samstag und Sonntag wollte ich mit den Elftklässlern auf Klassenfahrt in eine Jugendherberge am Obstausee fahren, was sicherlich feucht-fröhlich geworden wäre. Außerdem gruselig, denn wir wollten Halloween feiern. Und für die Ferienwoche hatte ich auch schon einige Pläne.
Samstagmorgen ließ sich das Fieber allerdings nicht mehr leugnen. Und so verbrachte ich drei Tage lesend im Bett, während das Schneegestöber vor meinem Fenster immer dichter wurde.
Montag war das Fieber wieder sehr hoch, obwohl es Sonntag eigentlich besser war, deshalb kamen zwei Ärzte zu mir nach Hause. Ihnen erzählte ich auch von dem Durchfall, der zwar schmerzfrei, aber stetig seit Samstagabend präsent war. Wie das auch in Deutschland ist: zwei Ärzte – zwei Meinungen. Die erste meinte, ich könnte ins Krankenhaus und wollte mir noch eine Spritze gegen Fieber (?) geben. Beides lehnte ich ab. Die zweite Ärztin war der Ansicht, dass es einfach eine Grippe sei und dass mein Hals rot wäre (Ärztin Nummer 1 hingegen hatte das Gegenteil behauptet). Ich hoffte natürlich, dass ich von Husten und Schnupfen einfach verschont bleiben würde und sich die Krankheit, was auch immer sie war, mit Hausmitteln bekämpfen ließ und ich begann einfach Diät wegen des Durchfalls.
Dienstag ging es mir schon wieder richtig gut, ich war fieberfrei und ein wenig traurig, dass ich nicht durch den ersten Schnee tollen konnte und mich damit begnügen musste, in meinem Zimmer zu „Winter Wonderland“ abzutanzen.

Das Wunderland, das ich leider verpasst habe

Die Nacht zu Mittwoch war allerdings schrecklich. Ich wurde immer wieder von Bauchkrämpfen wach. Um 05:16 weckte ich schließlich Irina, die sich schon die ganze Zeit liebevoll und mütterlich um mich gekümmmert hatte. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie gemacht hätte. Sie gab mir ein Medikament gegen die Bauchschmerzen, aber wir riefen trotzdem Ludmilla und einen Krankenwagen an. Ich habe zum Glück eine Supermentorin, die morgens um halb sechs bei -10°C durch 30 cm Schnee stapft, um mir beizustehen.
Die Sanitäter kamen, untersuchten mich und wir fuhren ins chirurgische Krankenhaus hier in Akademgorodok. Ludmilla begleitete mich. Zum Glück hatte ich keine Schmerzen mehr, die Tränen allerdings hatte ich schon zu Hause nicht mehr unterdrücken können. In diesem Land in ein Krankenhaus zu kommen, das ist auch nichts, was Russen wollen. Es ist ein Land, wo es einfach nirgendwo Toilettenpapier gibt, nicht mal im Krankenhaus, wenn Durchfallpatienten eine Urinprobe abgeben sollen. Warum kann man das nicht wenigstens für die Patienten bereitstellen? Das ist doch das Mindeste. Ich denke nämlich nicht daran, eine Rolle Klopapier mitzunehmen, wenn mich die Ambulanz abholt. Zum Glück, habe ich von klein auf immer Taschentücher dabei. Danke, Mama!
Ich weinte wieder, als mir Blut von meinem Finger abgenommen wurde. Einfach, weil der Wattebausch so dreckig aussah. Ich denke, ich war  fertig mit den Nerven. Es war früh, es war kalt, ich hatte nicht richtig geschlafen, ich verstand die russische Krankenschwester-Fachsprache nicht, ich hatte nicht gegessen oder getrunken und ich hoffte immer noch verzweifelt, dass man mich nicht stationär dabehalten würde.
Würde man auch nicht, jedenfalls nicht in diesem Krankenhaus. Nach einer weiteren Untersuchung und nervenaufreibendem Warten ging es weiter in einem anderen Krankenwagen in das Infektionskrankenhaus in der Stadt. Zum Glück hatte ich Ludmilla an meiner Seite.
Das Infektionskrankenhaus sah nicht aus wie ein deutsches Krankenhaus, es erinnerte mich eher an einen Tatort-Schauplatz. Gekachelte oder nackte Wände, undichte Fenster, keine Computer, Leere. Nachdem mich noch zwei Ärzte untersucht hatten, ging das Dr.-Walter-Drama los. Dr. Walter ist sozusagen unsere Versicherung und ein interner kulturweit-Scherz (WER ist eigentlich Dr. Walter?). Eigentlich ist die Versicherung die DKV. Die DKV versichert Frewillige auf der ganzen Welt. Dementsprechend ist die Versicherungspolice auf Englisch. Nicht akzeptabel für dieses Krankenhaus. Sie wollten etwas auf Russisch, denn es sprach niemand Englisch und auf der Police hätte ja sonstwas stehen können. Es brauchte Ludmilla viel Überzeugungskraft und nachdem mein „Ich glaub, ich spinne!“ von den Wänden des Krankenhauses widergehallt  war und ich verärgerte Blicke der Krankenschwestern geerntet hatte, konnte ich irgendwann auf mein Zimmer. Das war gegen 12:30, also mehr als 7 Stunden, nachdem wir den Notarzt gerufen hatten.
Ich hatte zum Glück ein Einzelzimmer mit eigenem Bad, normalerweise sind 6er-Zimmer und eine Toilette pro Flur Standard. Trotzdem waren die nächste 5 Tage mit die schrecklichsten, die ich bisher erlebt habe. Ich lag noch nie in Deutschland im Krankenhaus, aber ich glaube, es gibt viele Unterschiede. Erstmal muss man natürlich sein eigenes Toilettenpapier und seine eigene Seife mitbringen. Es gab morgens und abends Brei, mittags immer Kartoffelbrei und Gemüsesuppe und immer das gleiche Graubrot, nur morgens mit Butter. Man bekam nur einen Löffel, den man die ganze Zeit behielt. „Nicht den Löffel abgeben!“, sagte deshalb meine Mutter am Telefon zu mir, als ich ihr davon erzählte. Das war das erste Mal, dass ich im Krankenhaus gelacht habe. Später bekam ich mittags auch Fleisch oder Fisch zu dem Kartoffelbrei. Wie bitte soll man ein Stück Fisch, an dem noch Schppen. Flossen, Gräten dran sind, mit einem Löffel essen???
Ich versuchte auch deutlich zu machen, dass ich Lactoseintoleranz habe und deshalb nicht so viel Brei essen sollte. Lactose ist das gleiche Wort auf Russisch, aber die Krankenschwestern taten so, als würden sie es nicht verstehen.
Ich durfte mein Zimmer nicht verlassen, ich konnte nur rumliegen und lesen. Ich versuchte mit mir selbst den Schütteltanz zu tanzen, um mich zu bewegen (mir ging es nämlich wieder gut, seit ich eingeliefert wurde), aber es war zu frustrierend. Abends sang ich mir „Lemon Tree“ vor, was mich wenigstens ein bisschen aufheiterte. Da das Krankenhaus in der Stadt lag, konnte mich Ludmilla nicht besuchen, denn sie musste viel arbeiten, aber sie und Irina riefen mich oft an. Genau wie die Versicherung, denn im Krankenhaus selbst wurde das Telefon einfach aufgelegt, wenn die Versicherungsmitarbeiter aus Englisch redeten. Also musste ich mich auch noch darum kümmern.
Ich fühle mich sehr einsam und wollte nichts wie nach Hause oder in den nächsten FastFood-Laden. Da war er also, der Kulturschock, zum ungünstigsten aller Zeitpunkte. Da musste ich durch. Hier vielen Dank an Mina, die mich mit Essen und Büchern versorgt hat, ohne dich wäre ich versumpft.
Ich habe die Minuten gezählt und mich nach Hause gewünscht, habe das Blut auf dem Bettzeug mit den bunten Fischen, dass nicht mein Blut war, ausgeblendet, genauso wie den Floh, der mich ab der dritten Nacht täglich besucht hat und 50 nette Andenken alias Stiche auf meinem Bein hinterlassen hat.
Die Ärzte waren kompetent und ich denke, der Krankenhausaufenthalt hat mir durch den Tropf und die Medikamente geholfen, gesund zu werden. Aber ich habe hier noch nie so viel geweint. Es war ätzend, ich musste da raus. Freitag war Feiertag, Samstag und Sonntag tote Hose, auf meine Fragen, wann ich entlassen würde, wurde erst Sonntagabend ohne Fragezeichen mit Montag geantwortet. Ich war so froh. Die Ursache meiner Erkrankung wurde allerdings noch nicht eindeutig geklärt. Irgendein fieses Bakterium war schuld, wahrscheinlich vom Essen aus unserer Schulmensa, nach dem es Ludmilla und noch einer Kollegin auch nicht gut ging. Ich meide die Cafeteria jetzt.
Ich möchte nicht, dass mein Russlandbild und das Russlandbild aller, die diesen Blog lesen, unter diesen Erfahrungen leidet. Ich möchte den „Ich hab es doch gewusst!“-Effekt vermeiden. Der Staat pumpt kein Geld in die Krankenhäuser, deshalb sieht alles noch aus wie nach dem Krieg. Obwohl die Ärzte qualifiziert sind, wirken die Einrichtungen nicht so. Irina und Ludmilla und allen anderen war es peinlich, wie dieses Krankenhaus aussah und alle waren schockiert von meinem flohdurchstochenen Bein.
Ich denke, es war eine Erfahrung und ich kann jetzt das Leben und den Schnee hier jetzt noch mehr genießen. Ich weiß, dass ich mich auf Ludmilla und Irina verlassen kann. Mein Lieblingssatz von Irina ist: „Weine nicht, meine Sonne, alles wird gut!“ Und das ist es jetzt wieder.
Das wichtigste ist, dass ich erfahren habe, wie sich richtiges Heimweh anfühlt. Deshalb fliege ich Weihnachten nach Hause. Dort, wo es am schönsten ist und ich auch mal den Löffel abgeben und mich zurücklehnen kann.
Kulturschock? Überwunden. Hoffentlich.

Glück…

25. Oktober 2011
Schlagwörter: , ,
von Caroline Stelzer

... ist eine warme Uschanka

 

... ist ein Glücksticket

... sind überraschende Briefe

 

... ist manchmal nicht-russisches Essen mit russischen Freunden

... ist ein herbstlicher Ausritt

 
Glück  kommt manchmal, wenn man es nicht erwartet. Dann überrollt es einen. Glück ist manchmal nichts, das man erwartet. Es überkommt einen.
Wenn man allein in einem großen, weiten Land ist, sollte man sein auch Herz weit machen und alles Glück aufsaugen, das einem begegnet.
Es wird kalt, die Menschen wickeln sich den Schal enger um den Hals und sind noch verschlossener.
Kinder lachen immer, auch wenn man mit ihnen Diktate schreibt und im Literaturunterricht auf Russisch nichts versteht.
Und wenn man auf einem Pferd den Ob-Stausee, der hier stolz Ob-Meer genannt wird, entlangtrabt und die Wellen ans Ufer schlagen, wenn man am Horizont unter all dem Grau des Himmels einen rosafarbenen Streifen erkennt, wenn der Birkenwald, der роща, Licht in den trüben Herbsttag bringt, ja wenn man dann nicht glücklich ist, weiß ich auch nicht.

Wusstest du schon über Nowosibirsk, dass…

23. Oktober 2011
Kommentare deaktiviert für Wusstest du schon über Nowosibirsk, dass…
von Caroline Stelzer

… die Ernergie hier ganz nachhaltig durch das Wasserkraftwerk des Ob-Stausees erzeugt wird?
… da wo jetzt der Ob-Stausee ist, früher ein Dorf stand, dass 1957 einfach 20 km weiter nach Osten verlegt wurde?
…  in Akademgorodok (meinem Bezirk) die Kriminalitätsrate viel niedriger und die Mietpreise um einiges höher sind als in der City, weil alle hier im Grünen wohnen wollen?
… die Einwohnerzahl Nowosibirsks schon an dessen 70. Geburtstag die 1-Millionen-Rate knackte (zum Vergleich: Moskau brauchte dafür 750, New York 200 und Chicago 85 Jahre), weshalb es das russische Chicago genannt wurde?
… Nowosibirsk eine junge Stadt ist, die 2013 erst 120 Jahre alt wird?
… der Unterschied zwischen der höchsten und der niedrigsten gemessenen Temperatur 88°C beträgt?
… es 13 U-Bahnstationen gibt?
… das Einkaufzentrum AURA sogar noch neuer ist als das MEGA und erst diesen Sommer eröffnet wurde?
… bis 1960 zwischen der Stadthälfte auf der rechten Seite des Ob und der Stadthälfte auf der linken Seite eine Stunde Zeitunterschied herrschte?
… auf dem Kranij Prospekt, der Hauptstraße Nowosibirsks, eine Kapelle steht, die den Längenmittelpunkt Russlands markiert?
… красный (krasniy) zwar rot heißt, früher in alt-russisch aber auch gleichbedeutend mit красивый (schön) war? Deshalb heißt die Hauptstraße nicht unbedingt „Rote Straße“, sondern „Schöne Straße“, obwohl rot natürlich besser zum Leninplatz passt.
… während des Zweiten Weltkrieges unglaubliche Mengen an Kunst und Wertvollem aus dem Westen zur Sicherheit nach Nowosibrisk gebracht und im Operntheater aufbewahrt wurden?
… es hier einen ganzen Park gibt, der dem Zweiten Weltkrieg, sowohl den Helden (343 Nowosibirsker Soldaten wurden geehrt), als auch den Gefallenen, gewidmet ist?
… hier 2 von 3 Ehen geschieden werden?
… es außerdem 300 Museen des Zweiten Weltkrieges an den Schulen Nowosibirsk gibt? Wir haben auch eine Gedankstätte in unserer Schule.
… ich hier wirklich gerne lebe?

Речной Вокзал - Brücke über den Ob

Das alles und noch viel mehr habe ich auf meiner Exkursion erfahren, die meine Uni organisiert hat. Dazu brachen zwei Japaner, ein Chinese, eine Schweizer, ein Engländer, ein Däne und eine kleine Deutsche am Samstag im Minubus mit Fahrer auf. Erklärt wurde uns alles von einer liebe Lehrerin der Uni, die erst 23, verlobt und reisewütig war.
Mir hat gefallen, dass sie auch über die negativen Seiten Nowosibirsks und Russland gesprochen hat und überhaupt sehr offen war. „Es gibt hier eigentlich keine Sehenswürdigkeiten, weil die Stadt so jung ist. Wir fahren also nur überall rum, machen Fotos und reden über alles, was ihr wissen wollt!“
Unsere Reise begann an der Uni in Akademgorodok und führte uns nach Nowosibirsk, an die Stelle, wo neben der neuen Brücke über den Ob noch Teile der Originalbrücke stehen. Hier hatten wir auch das Glück, das erste frischvermählte Brautpaar zu sehen.
Um es nochmal klar auszudrücken: Nowosibirsk ist nicht die schönste Stadt. Es gibt kaum Historie, weil die Stadt gerade erst entstanden ist, keine Architektur. Aber als ich unter diesem grauen Himmel stand und in mir drin tiefen November fühlte, der Wind mit die Haare ins Gesicht blies, merkte ich, dass es einfach passt. Die Stadt passt zum Herbst. Der graue Stahl passt, die Wälder passen, der breite Ob passt. Jetzt muss ich nur noch passen.
Weiter ging die Exkursion zu der Kirche, die man oben im Header-Bild sehen kann. Ich bin stolz, dass ich sie nun endlich gesehen habe. Ich durfte sogar reinschauen, denn glücklicherweise trug ich einen Rock und konnte mit meinem Schal meinen Kopf bedecken. Ich mag russische Kirchen sehr, denn sie sind immer sehr bunt wegen der ganzen Ikonen und hübsch verziert.
Ansonsten haben wir noch am Leninplatz, am Zirkus und an einer weiteren, allerdings geschlossenen Kirche Halt gemacht, bevor es zum letzten Besichtigungspunkt, dem Монумент Славы, dem besagten Gedächtnispark des zweiten Weltkrieges, ging.
Dies war die beeindruckendste Sehenswürdigkeit für mich. In dem Park findet man viele Denkmäler, es empfangen einen vier reckteckige, senkrecht aufgestellte Steinplatten, jede bestimmt 8 Meter hoch. In deren Mitte steht eine ebenso hohe Staue, ein trauernder Mensch. Auf der Vorderseite sind allgemeine Inschriften zu lesen, auf der Rückseite jedoch sind die Platten dicht beschrieben, mit den Namen aller Gefallenen. Man fühlt sich sehr klein, wenn man davor steht. Es sollte nicht mein Business sein, aber trotzdem denke ich jedes Mal daran: Das war, das ist mein Land. Anderseits ist es nicht das Land, was ich Zu Hause nenne, nicht das Land, in dem ich lebe, nicht das, was man hier von Deutschland denkt. Hoffe ich zumindest, mir ist noch nichts Negatives begegnet. Ich war schon am 9. Mai, dem День Победи, in Sankt Petersburg, habe mit den Russen zusammen den Sieg über Deutschland gefeiert.  Aber es sträubt sich jedes Mal  etwas in mir, die Zahlen 1941 – 1945 zu lesen, sei es an einem Bus oder auf einem speziellen 10-Rubel-Stück. Für mich ist es unvorstellbar, damit etwas Positives zu verbinden. Ich konnte auch nicht recht verstehen, warum wir hier auf die zweite Hochzeitsgesellschaft des Tages trafen. Die Fröhlichkeit anlässlich der Heirat und die Erinnerung an einen so schrecklichen Krieg passen für mich nicht zusammen.
Es ist trotzdem schön zu sehen, das die Angehörigen ihre im Krieg verlorenen Familienmitglieder auch nach 70 Jahren nicht vergessen. In der Mitte der Denkmäler, wo auch die Statue steht, brennt ein ewiges Feuer, das von zwei männlichen und zwei weiblichen Soldaten bewacht wird, frische Blumen liegen dort. Die Hochzeitsgesellschaft warf Münzen ins Feuer, das soll Glück bringen, vielleicht waren sie nur deshalb dort. Die Soldaten verzogen kein Mine, als die Sektkorken knallten.
Es gibt natürlich noch andere Denkmäler im Park, zum Bespiel ein riesiges gen Himmel gerichtetes Schwert aus Sowjetzeiten oder Panzer, auf deren Schussrohren die Kinder turnten.
Auf jeden Fall für eine Menge Leute ein Ort zum Spazierengehen, obwohl mir auch in der dicksten Thermostrumpfhose, die Primark verkauft, etwas kalt war. Und mir ist wieder mal klar geworden: Auch meine Generation steckt irgendwie noch mit drin. Die Frage ist nur: Freiwillig?

Eine Ode an Ketchup ODER Warum ich hier so gerne einkaufe

22. Oktober 2011
Kommentare deaktiviert für Eine Ode an Ketchup ODER Warum ich hier so gerne einkaufe
Schlagwörter: , , ,
von Caroline Stelzer

Vor ein paar Jahren führte die Theatergruppe meiner Freundin Debbie ihr neues Stück auf. Es ging um Zeit, alle waren weiß gekleidet und trugen Kaninchenmasken. Etwas bizarr. Ich weiß nicht mehr viel von der Aufführung, aber eine auftauchende Frage ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben.

„Wann hast du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?“

Seit diesem Tag habe ich versucht, jeden Tag etwas neues auszuprobieren. Man mag meinen, das sei zwar relativ schwer im Berliner Schulalltag und Abistress, relativ einfach hingegen in den von mir unerforschten Weiten Nowosibirsks.
Aber da ich merke, wie sich langsam die Gewohnheit einschleicht und Fahrstuhlfahren oder der Weg zur Uni den Reiz des Neuen verlieren, diese Aufgabe allerdings weiterhin besteht, muss etwas Innovatives her.
Nun fügt es sich so, dass an diesem Punkt meine Neugier auf Neues mit meinem Naschkatzeninstinkt sowie dem schmerzlichen Vermissen vieler deutscher Lebensmittel zusammentrifft. Anders gesagt: Der Supermarkt hält unendlich viele ungetestete Geschmackserlebnisse bereit, besonders das Süßigkeitenregal ruft verlockend, denn den vielen in buntes Papier verpackten Naschereien sieht man den Inhalt nicht an. Die totale Reizüberflutung!

Ich kann mich stundenlang in den verschiedenen Geschäften aufhalten, die Schokokonfektregale hinauf- und hinabtigern, das Teesortiment inspizieren oder die große Auswahl an Pelmenis bewundern, ohne dass mir langweilig wird.
Und plötzlich möchte ich Sachen kaufen, auf die ich nie gekommen wäre. Wie zum Beispiel Kiwis, Tiefkühlpizza, Knäckebrot oder Frischkäse, alles Dinge, die sich in meiner Gastküche nicht finden lassen.
Das Essen hier ist gut, keine Frage. Irina kocht jeden Tag und bringt viel frisches Gemüse von der Datscha mit. Nur bei fettem Fleisch oder irgendetwas,wo Knochen drin sind, kapituliere ich, ansonsten probiere ich immer und meistens schmeckt es gut. Russisch, fettig, anders, aber gut.
Aber ist da noch mehr drin. Vorgestern wurde ich vom Duft der Blinis (Eierkuchen) geweckt, die ich pfannenfrisch mit Butter und Marmelade zum Frühstück genießen durfte. Wenn das kein Service ist, ein Genuss auf jeden Fall.
Aus den restlichen Blinis, die ich nicht mehr verdrücken konnte, hat Irina eine Blini-Piroggentorte gebacken. Das geht so: Blini – Schicht Kartoffelpürree – Blini – Hackfleisch – Blini – Kartoffelpürree…
Die gabs zum Abendbrot pur oder wahlweise mit Smetana (einer Art Creme Fraiche). Und was macht die Deutsche? Kippt noch den kurzerhand gekaufen Heinz-Ketchup dazu. Ich war im Himmel. Seit wann schmeckt Ketchup denn so gut? Unrussisch oder nicht, ich würde es jederzeit wieder tun.

Fazit: Ein paar Dingi braucht man einfach zum Überleben in der russischen Geschmackswelt. Für mich sind das Ketchup, Crisp Bröd, Almette Frischkäse und grüner Tee. Die tausend Süßigkeiten natürlich nicht zu vergessen…
Zu meiner Verteidigung: Ich war von Montag bis Freitag jeden Tag ein oder zwei Stunden im Fitnessstudio.

EAT.THINK.SPEAK.

Man könnte trotzdem ein schlechtes Gewissen bekommen. Zum Glück gibt es eine besondere Freundin, die mit mir auf die dunkle Seite der Macht gewechselt ist, wo es nicht nur Kekse, sondern auch Berge von Schokolade gibt, die wir gemeinsam beim Skypen wegfuttern.
Vero, ich hab dich sehr lieb. Was würde ich nur ohne dich machen??? <3

DANKE!  4111,978 Kilometer – ein Katzensprung

Energizer – Deutsch macht Spaß

15. Oktober 2011
Schlagwörter: , , ,
von Caroline Stelzer

Hier ein paar Videos, die hoffentlich einen guten Eindruck vom lustigen Deutschunterricht mit der abgedrehten kleinen Berlinerin geben. Ich hatte Spaß, die Kinder hatten Spaß und haben natürlich auch etwas gelernt. So unterrichte ich doch gerne Deutsch!

Klatschspiel aus Taizé zum Zahlenlernen

Das Rehlein und der Jäger – ein Bewegungsspiel mit der 6w

 Zehn kleine Fische… sorgen für Unterhaltung

Zehn kleine Fische – ein Sing- und Bewegungsspiel mit Kindern der 3. und 4. Klasse

Zehn kleine Fische – im Kreis

Die DSD-Gruppe der 5a, b und w

Die DSD-Gruppe der 5a, b und w

 

 

fragen und antworten

15. Oktober 2011
Schlagwörter: , , ,
von Caroline Stelzer

Es ist noch immer warm, als ich mich mit Dasha um 18:30 Uhr an der Schule treffe. Der Herbst in Nowosibirsk hält an, heute waren es 18 Grad und strahlender Sonnenschein zu wolkenlosem Himmel.
Jetzt, als die hochgewachsene Dasha wie immer mit langen Schritten und nach vorn verrutscher Brille auf mich zugeht, wird es langsam kühler. Wir machen uns auf den Weg ins Fitnessstudio.

„Dasha“, frage ich, als wir über die zwei Bahngleise steigen und die Sonne langsam untergeht, „findest du, Sibirien ist arm?“
Die Antwort kommt prompt und bestimmt. „Arm? Nein.“
„Aber eure Häuser sind nicht so schick, eure Straßen sind…“, ich zeichne mit der Hand eine Schlangenlinie in die Luft. „Du weißt, es gefällt mir hier. Aber…“, mein Russisch reicht nicht mehr aus und ich wechsle ins Englische, „you know, many people in Germany have prejudices. Sogar meine Freunde haben mich gefragt, was ich in Sibirien will.“
Dasha antwortet auf Russisch. So ist es ausgemacht.
„Du weißt doch, dass sie direkt neben der Schule das neue Schwimmbad bauen? Und die Poliklinik an der Uliza Dermakova? Die hat auch erst dieses Jahr eröffnet. In Russland hat dieser Prozess viel später angefangen, als in Deutschland oder Frankreich. Aber es gibt so viele Projekte, es wird viel getan. Wir leben in einem riesigen Land, das Klima ist extrem, natürlich kann nicht alles sofort gemacht werden, natürlich sind nicht alle Straßen neu. Aber es ist schön hier.“
„Und wenn du irgendwo leben könntest, irgendwo, wo du möchtest. Wo wäre das?
„Eigentlich würde ich lieber an einem wärmeren Ort wohnen. Ich war in Slowenien zum Schüleraustausch. Aber es war irgendwie langweilig. Wir Russen, wir rennen oft.“, sie lacht. „Wir haben gern viele Sachen zu tun, wir sind aktiv und haben immer zu viel vor. In Slowenien waren sie an der Supermarktkasse sooo langsam und wir sind immer früh ins Bett gegangen. Ich weiß nicht, das hat mir nicht gefallen. Ich weiß noch nicht, wo ich studieren oder leben möchte. Aber nicht in Moskau, da man muss für alles bezahlen, es ist sehr teuer. Ich möchte gerne mal nach Spanien, nach Malta, nach England und nach Australien. Ich muss erst reisen, bevor ich wissen kann, welche Ort mir gefallen.“

Unsere Trainerin ist heute nicht da, sagt das Mädchen an der Anmeldung. Wir haben noch eine Stunde Zeit, bevor Club Dance Mix mit Natascha beginnt. Dasha schlägt vor, spazieren zu gehen. Also gehen wir. Es ist inzwischen dunkel. Wir schlendern die Uliza Dermakova, eine der belebten Hauptstraßen entlang. An einem der vielen Supermärkte treffen wir Jana. Sie ist noch im T-Shirt unterwegs, ihre Jacke hängt lose über dem Arm, an dem sie auch ihre große Handtasche trägt. Ich erkläre, worüber Dasha und ich gerade sprechen.

„Jana, was denkst du?“
„Sibirien ist nicht arm. Wir haben alles, was du willst zum Leben. Wir haben eine gute Schule, gute Lehrerinnen, gute Kinder, ein gutes Design. Bei uns ist es gemütlich, lustig. Siehst du? Alles. Und es ist nicht wie in Amerika. Unser Matheunterricht ist gut.“
„Aber gibt es auch arme Leute?“
„Ja, gibt es, auch an unserer Schule, aber ich weiß nicht, wer.“
„Wie kann man denn Armut bekämpfen?“ Ich verstehe Janas russische Antwort nicht und Dasha schaltet sich als Übersetzerin ein. Beide sind derselben Meinung.
„Armut können nur die armen Leute selbst bekämpfen. Wenn sie in der Schule und an der Uni nicht gut lernen wollten, haben sie keine gute Ausbildung. Es ist ihre eigene Schuld, der Staat muss da nicht helfen.“

Während die Babuschkas hinter uns selbstgeerntete Kartoffeln, Kräuter und mit silbernem Zellophan umwickelte Bulmesträuße verkaufen, während der Vollmond über den Hochhäsern steht und während Menschen geschäftig an uns vorbeiziéhen, beschließen wir, ein paar Fotos zu schießen und schmeißen uns abwechselnd in Pose.
Gleich werden Dasha und ich zum Fitness gehen und uns eine Stunde lang nur auf unsere Körper und die großen Spiegel im Saal konzentrieren. Danach werde ich nach Hause laufen, dabei Musik hören und die Treppen in den achten Stock hinaufsteigen.
Was ich noch nicht weiß, ist, dass ich glücklich sein werde. So glücklich, dass ich diese Sprache spreche, so glücklich, dass ich den Menschen Fragen stellen kann.
Ich habe so viele.

„Ich bin unterwegs…

10. Oktober 2011
Kommentare deaktiviert für „Ich bin unterwegs…
von Caroline Stelzer

… und ich liebe jeden kleinen Schritt!
Weder Regen noch der Schnee hält mich zurück,
und der Wind begleitet mich und singt ein Lied
und ich sing mit,
lässt mich immer immer weiter gehen.
Es gibt so viel Neues zu sehen und ich möchte gar nicht anderswo gehen.
Es gefällt mir. Ich bin unterwegs!“

Was zählt als Schritt?
Ist es jeden Morgen aufzustehen und auf den Teppich von Tagen zu blicken, den ich täglich ein Stückchen weiter entlangschreite, dessen Ende ich aber noch nicht sehen kann?
Ist es das Warten, darauf, dass ich das Gefühl habe, hier nicht nur auf Zeit, sondern zu Hause zu sein? Wird sich dieses Gefühl überhaupt einstellen?
Ist es eine Stunde Sprachkurs, ein mundvoll Vokabeln mehr? Ist es die Sehnsucht nach dem Ziel, nach dem Danach? Ist es das Zählen? Ist es das Gefühl, dass mir die ganze Welt gehört? Dass ich unendlich frei bin? Dass ich springen und schreien möchte?

Wohin bin ich unterwegs? Zu mir selbst vielleicht.

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich unterwegs bin. Dass ich  lebendig bin.
Dass ich mir selbst genug zu Hause bin.

Da shoppt der Bär…

9. Oktober 2011
Kommentare deaktiviert für Da shoppt der Bär…
von Caroline Stelzer

Wo könnte der sibirische Bär oder besser noch die sibirische Bärin wohl luxuriöser shoppen als im 2007 neueröffneten Einkaufszentrum „MEGA“? Schließlich ist der Name Programm.
Hier gibt’s nichts, was es nichts gibt. Bekannte und unbekannte Geschäfte reihen sich aneinander: Douglas, Zara, Yves Rocher, Marks & Spencer, New Look, In City und zig andere. Inmitten der Fressmeile mit Subway, KFC, New York Pizza, Суши Терра (Sushi Terra) und Коффехаус (Koffechaus) befindet sich eine Schlittschuhbahn, auf der schon jetzt im Herbst reger Betrieb herrscht. Das besondere Highlight ist ganz klar IKEA, denn die schwedischen Möbel sind hier ebenso beliebt wie anderswo. Meinen Besuch im IKEA heben ich mir deshalb für den Zeitpunkt auf, an dem ich Heimweh bekomme. Obwohl natürlich nicht alles gleich ist. Heute habe ich die von mir heißgeliebten IKEA-Hot Dogs (Хот-Догс) getestet, die hier leider ohne die Gurken und Röstzwiebeln verkauft werden und auch sonst zwar lecker, aber eben nicht genauso schmecken.


Im MEGA hat außerdem der auch der in Moskau populäre Гипермаркет (Hypermarkt) ASHAN eröffnet, in dem es eine große Produktauswahl geben soll. Mit eigenen Augen habe ich diese Riesenauswahl allerdings noch nicht gesehen, nachdem ich den Eingang vor lauter Kassen nicht gefunden habe. Es war nämlich wirklich megaviel los im MEGA, megaviele Menschen, megaviele Klamotten, megaviele Läden und oft auch megahohe Preise.
Was mich wirklich wundert, ist, dass es hier so viele britische Geschäfte gibt, bei denen wir nicht mal in Berlin einkaufen gehen können und die ich nur aus London kenne. Kommt das durch die Tee-Connection? Bisher konnte mir niemand diese Frage so richtig beantwortet, also genieße ich weiterhin den British Tea, die Lays Chips (die es hier natürlich mit Smetana statt mit Sour Cream gibt) und den Luxus, bei New Look einkaufen gehen zu können.
Dieser Laden versteckt sich im hinteren Teil des MEGA und ohne die Hilfe von meiner lieben Diana hätte ich die großen Sale-Aktionen verpasst. Das wär schade gewesen, denn hier und in dem tollen Schuhladen Centro fanden sich endlich angemessene Preise. Sonst tut das Geldausgeben manchmal weh, vor allem, wenn man an den Klamotten auch das Euro-Preisschild als Direktvergleich  zu baumeln hat oder einem russische Teenager sagen, dass die niemals in die Outlet-Center gehen würden, die ich als H&M-Verwöhnte auf Klamotten-zum-Normalpreis-Pirsch aufsucht.
Diana geht bei uns in die 10., ihr Bruder Leonid in die 11. Klasse. Sie und ihre fröhliche und liebe Mama Larissa waren gestern meine Shoppingbegleiter. Da ich samstags arbeite, hatte ich schon 6 Stunden Unterricht erteilt, als Larissa mich und Leonid um 16 Uhr von der Schule abholte. Unser Einkauf begann mit einem Essen beim Italiener und endete erst spät abends mit vollbepackten Taschen. Sie fuhren mich direkt zu Mina, mit der ich heute nochmal ins MEGA fuhr, damit sie von meinem gestern erworbenen Allgemeinwissen profitieren konnte.
Zum zweiten Oktoberfest in Nowosibirsk, das heute im russisch-deutschen Haus stattfand, wollte ich dann aber doch nicht mitgehen. Erstens war ich ja letzte Woche in Akademgorodok beim Oktoberfest, das zwar nicht sehr deutsch, dafür aber umso lustiger war, als ich mit den Elftklässlerinnen Olga und Aljona zu „Moskau, Moskau“ getanzt habe (wir haben am Ende dafür sogar eine Medaille bekommen!). Zweitens finde ich, nur ein Tag Wochenende ist zu wenig. Im Moment habe ich sehr viel zu tun, weil ich neben der Arbeit an der Schule ja auch noch Montag bis Freitag täglich 3 ½ Stunden Sprachkurs habe. Das plus Hausaufgaben und Projektarbeit ergibt eine relativ erschöpfte Lina, die auch mal gern zu Hause in Jogginghosen Friends guckt. In diesem Sinne verabschiede ich mich.

День Учителя (Tag des Lehrers)

5. Oktober 2011
Schlagwörter: , ,
von Caroline Stelzer

Voller Vorfreude hatte ich mein schönstes Kleid schon gestern aus dem Schrank geholt, denn heute war er endlich da: mein erster Feiertag in Russland, der Tag des Lehrers. Ich schwänzte den Sprachkurs und ging zu 10:30 Uhr, was heute nach speziell verkürztem Stundenplan die 4. Stunde war, in die Schule. Schon an der Eingangstür klebten bunt bemalte Plakate der einzelnen Klassen, die den Lehrern gratulierten und im Flur hingen Buchstabengirlanden „МЫ ВАС ЛЮБИМ“ (Wir lieben Sie) sowie Fotos von den Lehrern, als sie selbst noch Schüler waren.

"Zum Tag des Lehres mit Liebe" Plakat der 5i

Im Deutschraum empfingen mich Blumen über Blumen. Ludmilla hatte schon massig Geschenke bekommen, darunter besagte Blumen, Pralinen, Schokolade, Stifte, Seife, Karten und sogar einen selbstgehäkelten Handyanhänger. Der Unterricht verlief locker, alle hatten Lust aufs Faulsein und Schokolade essen, was wir fleißig getan haben. Auch ich blieb nicht lange ohne Präsente. Es begann mit einer Luftballonblume von einer lieben Englischlehrerin und ging über zu Pralinen und Schokolade. Ich hatte später große Mühe, das ganze Zeug nach Hause zu tragen.

Auch ich wurde reich beschenkt - im Vordergrund die besten Törtchen der Welt

Um 12.30 uhr begannen sich alle Lehrer und viele Schüler in der Aula zu versammeln, das große Konzert sollte gleich beginnen. Drei Sechstklässler führten durch das Programm und dankten in gedichteten Reimen den Lehrern der verschiedenen Fachbereiche. Es gab russische Gesangseinlagen, zu den Refrainen klatschen alle im Takt, außerdem Tänze und Sketche. Zum Schluss führten einige Lehrer selbst etwas auf, sie sangen gemeinsam „Mein kleiner grüner Kaktus“ und tanzten etwas, das ich als nachgeahmte bayerische Volkstänze klassifizieren würde. Es sah jedenfalls sehr lustig aus.
Anschließend war für uns Lehrer im Speisesaal ein reichhaltiges Büffett aufgebaut, es gab Sekt,  einige herzhafte Leckerbissen und viel Süßes. In der Mitte des Tisches befand sich die große Torte, auf der „Zum Tag des Lehrers“ in Zuckerguss stand und auf der auch ein Lineal und ein Kugelschreiber aus Zuckerguss waren. Sie sah zwas sehr schön aus, schmeckte mir aber nicht so gut.

Die Bezeichnung "Tag des Süßen" wäre auch nicht unpassend gewesen

Für mich war das Highlight die kleinen Törtchen mit Rosenknospen drauf, als ich in mein erstes hineinbiss, dachte ich wirklich, ich wäre im Himmel. Die besten Törtchen, die ich in meinem ganzen Leben gegessen habe. Ich nahm noch zwei mit nach Hause, eines für mich und eines für Irina. Sie war heute nämlich nur kurz in der Schule und anschließend in der Stadt, wo sie eine Urkunde als beste Biologielehrerin aus ganz Nowosibirsk, wenn nicht sogar aus ganz Sibirien bekam, die sie mir heute Abend stolz gezeigt hat. Die gleiche Veranstaltung gab es auch in Moskau, dort hat Medwedew die Diplome selbst überreicht. Irina war im regionalen Fernsehen, aber nur eine Sekunde lang, die ich natürlich verpasst habe. So ging der Tag des Lehrers zu Ende, aber es wird sicher den ganzen Winter dauern, bis die Lehrer ihre geschenkte Schokolade aufgegessen haben.

Von Heften, Eis und Bussen

2. Oktober 2011
Kommentare deaktiviert für Von Heften, Eis und Bussen
von Caroline Stelzer

Zwei Dinge sind hier in Russland billiger zu haben (vielleicht drei, aber Wodka hab ich noch nicht gekauft), nämlich Eis und Busfahrscheine.
Mit der Maschrutka zu fahren ist jedes Mal ein Abenteuer. Man weiß nicht, wann sie kommt, ob sie voll ist, wer noch alles drin sitzt, ob es Staus gibt und man überhaupt rechtzeitig ankommt. Eine kurze Fahrt kostet 15, eine lange Fahrt 30 Rubel. Das Geld bezahlt man während der Fahrt direkt beim Fahrer, weshalb das Szenario folgendermaßen aussieht: alle steigen ein, und platzieren ihren Hintern auf einem Platz. Die Leute, die keinen mehr abbekommen haben, schlagen die Tür zu. Der Fahrer fährt los, alle holen ihre Geldbörsen raus. Zunächst wird gekramt und dann geht’s los. Geld wird von hinten nach vorne durchgereicht, zwischendurch verdoppelt, umgetauscht, zurückgegeben, es wird hin und her gerechnet. Dann wird das Ganze von dem Vornesitzenden an den Fahrer weitergereicht, der während der Fahrt das Wechselgeld raussucht, das gerecht zwischen den Mitfahrern zurückgereicht wird. Dann fährt und fährt man, bevor man aussteigen will, sagt man dem Fahrer, wo er halten soll, wenn es keine offizielle Haltestelle gibt (z.B.: Lassen sie mich bei dem Supermarkt raus!).
Natürlich gibt es auch offizielle Busse. Hier kann man auf das Glücksticket hoffen. Jeder Busfahrschein ist sechsstellig nummeriert. Gleichen sich die Quersumme der ersten drei und die der letzten drei Zahlen, hat man Glück. Bis jetzt hab ich so ein Ticket aber noch nicht erwischt. Dieser Bus ist einen Rubel billiger, jedoch auch langsamer.
Was wäre eine bessere Beschäftigung während der lange Fahrt als Eis zu essen? Eis ist hier weitverbreitet und echt billig. Es gibt spezielle Eiskioske an fast jeder Haltstelle und entlang der Hauptstraßen. Man bekommt ein superleckeres Eis am Stiel hier für ca. 15 Rubel, was natürlich sehr zum Kauf verleitet, vor allem, weil mein Weg zur Uni so lang ist (und ich natürlich durch den Wald muss, denn man muss immer durch den Wald).

Ein typischer Eiskiosk

An der Uni besuche ich seit Mitte letzter Woche von montags bis freitags einen Sprachkurs, zusammen mit drei Studenten aus Großbritannien und einem alten Herren aus der Schweiz (allerdings französischsprachig). Es macht großen Spaß, aber ich muss viel lernen, besonders grammatische Strukturen. Dafür bin ich im Hör- und Leseverständnis weit vorn, genauso wie in der Aussprache. Wir bekommen Hausaufgaben auf, die ich auch fleißig zu erledigen probiere, was nicht so einfach ist, wenn man nebenbei noch als Lehrerin und Projektmanagerin tätig ist. Aber ich schreibe geflissenhaft in meine Hefte, die ich eigens für den Sprachkurs gekauft habe – eines für den Unterricht, eines für die Hausaufgaben. Hefter und Blöcke sind in Russland überhaupt nicht verbreitet, hier wird alles in Hefte geschrieben, die ungefähr A5-Format haben, aber breiter sind. Demzufolge gibt es in den Buchläden eine riesige Auswahl an Heften, mit unterschiedlichen Motiven, kariert oder liniert, für die verschiedenen Fächer, mit bestimmten Seitenanzahlen. Ich habe eines speziell für Russisch und eines mit Pinguinen drauf. Aber das man hier die kuriosesten Hefte kaufen kann, hat meine Entdeckung letzte Woche gezeigt. Hefte mit Lena Meyer-Landruth drauf! Sogar zwei verschiedene Motive waren erhältlich! Tja, gibt eben auch sibirische Fans!

Mit Lena lernt sich's leichter

Zur Werkzeugleiste springen