„Ein besseres Gefühl gibt es kaum!“

7. Januar 2012
von Caroline Stelzer

Caroline Stelzer im Selbstinterview über Nowosibirsk,
Berlin, Freundschaften, Don Quichotte
und was sie alles dazugelernt hat.

Du bist also nach Hause geflogen?

Wie ist das jetzt gemeint? Berlin oder Nowosibirsk? (lächelt) Sowohl in der einen als auch in der anderen Stadt fühle ich mich irgendwie heimisch. Also, ja, ich bin nach Hause geflogen. Zuerst nach Berlin und dann wieder nach Nowosibirsk. Beides ist ein Ankommen und das fühlt sich super an.

Also könntest du auch in Nowosibirsk leben?

Jein. Auf lange Zeit nicht, denke ich. Das liegt aber nicht an der Stadt, sondern an der Entfernung zu meiner Familie, meinen Freunden. Außerdem ist Berlin Heimat. Und Heimat… das ist eben Heimat.

Was bedeutet Berlin denn für dich?

Mit meiner Familie zu Abend essen und dann im Schlafanzug mit dem Fahrrad zu meiner Freundin Becky fahren, um Schokolade zu essen und über das Leben zu reden.
Es fehlte mir sehr, mit dem Auto oder mit dem Rad schnell zu jemandem rüberfahren um einfach abzuhängen, zu kochen, Filme zu gucken. Hier trifft man sich mehr in Cafés oder an anderen öffentlichen Orten. Zum Glück habe ich ich aber in Akadem auch meine kleine Gruppe gefunden und (das wichtigste) jemanden mit einer großen Wohnung und abwesenden Eltern.

Und was bedeutet dagegen Nowosibirsk?

Die Freiheit; bei -14° durch den Schnee laufen, lächelnd Eis essen und wissen, dass auch dieser Tag wieder einige Überraschungen bringen wird.
Ein besseres Gefühlt gibt es kaum. Ich habe versucht, diese Spontaneität und Offenheit mit nach Berlin zu tragen, aber es hat nicht immer funktioniert.

Warum?

Ich weiß nicht genau, vielleicht, weil man sich in ein schon mal gelebtes Leben zu schnell wieder einfindet. Vielleicht, weil ich von so vielen Menschen umgeben war, die mich lange kennen. Da konnte ich manchmal nicht anders als wie vorher sein, obwohl ich denke, dass ich mich in Nowosibirsk entwickelt und verändert habe.
Ich spiele ja keine Rolle, aber meine Freunde hier würden mich vielleicht anders charakterisieren als meine Freunde in Berlin. Ich habe viel dazugelernt.

Und was war das wichtigste, das du gelernt hast?

Dass ich nicht immer alles verstehen muss. Ich habe aus Versehen jemandem erzählt, dass meine Mutter in Kasachstan geboren wurde. Richtig gestellt habe ich es aber nicht. Lächeln und winken ist oft die bessere Alternative. Das lässt sich von der Sprache auf alles andere übertragen.
Außerdem bin ich offener. Hätte man mich in Berlin gefragt, ob ich ins Ballett zu „Don Quichotte“ will, hätte ich sicher abgelehnt. Hier war es super.

Hast du Nowosibirsk denn vermisst, als du in Berlin warst?

Ja, natürlich. Vor allem das Wetter, auch wenn das kaum zu glauben ist. Aber mir ist Schnee tausendmal lieber als so blöder  Regen. Meine Gastschwester und meine Freunde haben mir aber auch gefehlt. Und die Sprache. Zum Glück glaube ich nicht, dass ich etwas verlernt habe.

Hast es sich dann überhaupt gelohnt, nach Berlin zu fliegen?

Ich denke schon. Weihnachten war eben wie immer und so muss es auch sein. Es hat wahnsinnig gut getan, bei meiner Familie und auch mal ganz für mich zu sein. Ich habe meine Freunde gesehen, mein Chinavisum besorgt, geshoppt, lecker gegessen. Ich weiß jetzt auch in Ansätzen wie der Eigenkulturschock aussehen kann. Und dass man Vergangenes nicht wiederholen kann. Wieder was gelernt.

Die Vergangenheit ist also abgehakt. Worauf freust du dich am meisten in der Zukunft?

Da gibt es viele Sachen. Ich werde viel Spaß mit den Kindern haben, es stehen noch ein paar tolle Projekte an. Außerdem will ich die gewonnenen Freundschaften weiter festigen und so viel Russisch sprechen, wie nur möglich. Dann kommt ja noch meine Reise nach Shanghai, zu der ich in einer knappen Woche aufbreche. Ich kanns kaum erwarten.

Das können wir verstehen. Wir bedanken uns für das Interview und wünschen dir weitere unglaubliche zwei Monate. Besonders viel Spaß natürlich bei deiner Reise nach Shanghai.

Dankeschön.

Caroline Stelzer ist klein, quirlig, 20 Jahre alt und arbeitet mit dem
kulturweit- Freiwilligendienst seit September 2011 für 6 Monate an einem
Gymnasium in Nowosibirsk, Russland.
Gerade war sie für zweieinhalb Wochen zu Besuch bei ihrer Familie in
Berlin- Köpenick, um deren Leben mal wieder ordentlich aufzumischen.
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