Follow the Moskwa – Neu in Moskau

29. November 2011
von Caroline Stelzer

Wie wichtig Zeit ist und wie knapp Glück und Pech bei einander liegen, hat mir das Wochenende in Moskau mal wieder deutlich gezeigt. Aber auch, dass aus spontan bescheuerten Situationen die besten Lacher hervorgehen können.
Zitronenwassereis schleckend machte ich mich vorletzten Freitag auf dem Weg zum Nowosibirsker Flughafen. Andrej, der Schulfahrer, brachte mich. Was allerdings nicht eingeplant war: Die normalerweise 35-minütige Fahrt dauerte wegen Staus  2 Stunden lang. Der Flug nach Moskau war zwar nur ein Inlandsflug, aber ich war irgendwo auf der Autobahn, als es immer noch nicht richtig voranging, fest davon überzeugt, dass ich ihn verpassen würde.
Als ich um 18:11 Uhr (der Flug ging 18:45 Uhr) zum Schalter angehetzt kam, beruhigte mich  die Frau dahinter „Du hast doch noch 4 Minuten.“ Boah, war das knapp. Die Überraschung ging gleich weiter. „Wir hatten übrigens keine Plätze mehr in der Economy Class, also haben wir dich Business gebucht.“ Ich war viel zu aufgekratzt, um darüber nachzudenken, was das bedeuten sollte. Erst als ich von der Stewardess zu einem von diesen herrlich breiten Sesseln vorne im Flugzeug geführt worden war und mit meinem Glas Sekt Platz genommen hatte, konnte ich es glauben. Und konnte nicht mehr aufhören zu lachen. Wie geil war das denn? Erst fast zu spät und jetzt in der ersten Klasse mit einer Schale voll angewärmter Nüsse, einem Drei-Gänge-Menü zu dem ich aus der Weinkarte (!!!) etwas auswählen sollte und meinen eigenen Aeroflot-Hausschuhen. Das Leben ist schön, so entspannt bin ich noch nie geflogen.

Vorspeise des exquisiten Essens

Irgendwann nachts um 1, für mich um 4 Uhr morgens, traf ich endlich auf die Georgienclique, nachdem ich am Flughafen mittels 20-minütiger Busfahrt den Terminal gewechselt hatte. Die Freude war groß. Ein Fahrer fuhr uns in unser Moskauer Hostel, das „Napoleon“, ca. 15 Minuten Fußweg vom Roten Platz entfernt, eine moderne und gemütliche Unterkunft im 4. Stock, aber ich hatte ein paar nette Jungs organisiert, die gern hübschen deutschen Mädchen die Koffer hochtrugen. Wir gingen schlafen, bis wir morgens um 8:30 Uhr von einem besoffenen Russen aufgeweckt wurden, der von einem ebenso besoffenen Engländer mit in unser Zimmer geschleift worden war, lautstark diskutierte und sich in gutem Englisch weigerte, ohne Kopfkissen zu schlafen. Nachdem er Noras Bettdecke als Kissen missbrauchen wollte, mir eine Plastiktüte auf den Kopf geworfen hatte und sich auf Laras Bett gesetzt hatte, um zu plaudern, versuchten wir ihn irgendwie zu überreden, die Klappe zu halten, während der Engländer wie ne Motorsäge schnarchte. Zum Glück wollten wir sowieso gleich aufstehen. Im Gegensatz zum Rest unseres Hostels, wie wir bemerkten, als wir beim morgendlichen Zähneputzen gefragt wurden, ob wir jetzt auch ins Bett gingen.
Unsere erste Station war das Eierkuchen-Schnellrestaurant „Teremok“, wo wir uns mit russischen Blinis vollstopften und eine Fangemeinde gründeten. Dann ging es zum Roten Platz. Ich musste quieken, als ich die Basilika endlich mit meinen eigenen Augen sah, da sie genauso unwirklich und märchhaft aussieht wie auf den Bildern. Auch von innen kann sie sich sehen lassen, mit den labyrinthartig verschachtelten Gängen und der farbenfrohen Blumenbemalung. Das GUM, das große Kaufhaus am Roten Platz, gefällt mir auch sehr gut, es ist hell, hübsch winterlich dekoriert und man trifft auf viele Hochzeitspaare, die im November zum Fotoshooting vor der Moskauer Kälte und dem Regen fliehen. Bloß Einkaufen ist dort schlecht, es ist alles sehr teuer.

Lara, Lisa, Nora und ich vor der Basilius-Kathedrale

Auch uns wurde der Regen und die Kälte nach einem Spaziergang an der Moskwa, wobei wir leider nicht auf den Gorki Park stießen, zu viel und wir legten uns im Hostel trocken, bevor das Abendprogramm losging. Restaurant- und Cafehopping: von einem amerikanischen Diner zu Kофе Хаус zu McDonald’s, voller Spaß und echtem Girly-Talk. Nachts gingen wir noch mit unserer Deutsch-Holländisch-Englisch-Brasilianisch-Russischen-Connection in einem kleinen Club tanzen, bevor wir in die Doppelstockbetten fielen.
Am nächsten Morgen und nach einem genauso leckeren Frühstück bei „Teremok“ ging es weiter, um meinen Homie Lenin zu besichtigen. Diesmal in echt und gut geschützt hinter Glas und drei Sicherheitskontrollen. Nicht mal Fotohandys waren erlaubt. Das Mausoleum an sich ist nicht besonders beeindruckend, aber Lenin zu sehen (der übrigens wohl ohne Hirn in seiner Stätte weilt), hat sich gelohnt. Unsere Statue in Nowosibirsk im Kopf war ich sehr verwundert über das schmale, bärtige Männchen im schwarzen Anzug, dass da auf der Bahre lag und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wohin ist der große starke Mann mit wehendem Umhang und dem Visionärsblick nur verschwunden? Kommunisten sind eben auch nur Menschen.
Nach einem stärkenden Dabbel-Kapputschino bei Kофе Хаус  und ein wenig Shopping liefen wir zur Fußgängerzone Arbat, bevor wir auch schon wieder ins Hostel aufbrachen. Dort ließ ich mir von der Rezeptionistin den Weg zum Flughafen erklären und mit welchem Zug wir pünktlich ankämen. Tja, nicht nur wir, sondern auch die gute Dame hatte sich ein wenig verschätzt. Der Flughafenexpress fuhr alle halbe Stunde, den um 18 Uhr hatten wir um 3 Minuten verpasst, aber wir dachten uns nichts Böses. Bis wir am Schalter ankamen und merkten, dass wir durch den Menschenstau vom Zug zum Check-in-Schalter den Flug verpasst hatten. Keiner von uns hatte damit gerechnet, denn der Zug war ca. 19 Uhr angekommen, der Flug ging 20 Uhr und als ich auf die Uhr am Schalter guckte, war es 19:38 Uhr. Da gab es bei uns großes Trara, wir waren völlig überrascht, vor allem, weil wir ja schon Witze gemacht hatten, dass, wenn wir zu spät wären, wir schlimmstenfalls in der ersten Klasse landen würden.
Am Flughafen sprach natürlich keiner Englisch (Ach, wozu denn auch?) und so war ich mal wieder froh über meine Russischkenntnisse. Wir buchten einen neuen Flug für 0:25 Uhr, ein Taxi zum Hostel in Petersburg und danach setzten wir uns zum Italiener, stießen mit dem letzten Schluck Wodka an, aßen Pizza und alle Süßigkeiten, die wir noch hatten. Moskau ist toll, sehr westlich verglichen mit Nowosibirsk und groooß. Aber Hauptstädte sind sowieso mein Ding.
Wir hatten viel Spaß beim Flughafenpicknick und die Zeit ging zu viert schnell vorbei. Aber mich lehrt die Geschichte, dass ich nie mehr knapp zum Flughafen losfahre. Obwohl… ohne dieses Risiko landet man schließlich auch nie spontan in der ersten Klasse.

Mehr dazu bei Noras Blog:
http://www.norasfernweh.blogspot.com/2011/12/moskau-moskau-werft-die-glaser-die-wand.html

Ein Kommentar
  1. 30. November 2011
    Marcel. permalink

    Musste sehr schmunzeln über dein Erlebnis in der Business Class, hasst dich wahrscheinlich wie ein neumodischer Zar gefühlt ;-)

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