Die Welt ist klein, Sibirien ist groß!

1. Oktober 2011
von Caroline Stelzer

Wie klein doch die Welt ist, wurde mir heute besonders bewusst. In meinem Gymnasium fand  die feierliche Vergabe der allerersten DSD-Diplome an die Schüler der jetzigen 11. Klasse statt.  Alle waren gekommen: Die Eltern, der Vertreter der ZfA, Lehrer und die Direktorin. Außerdem waren auch einige andere Gäste eingeladen, zum Beispiel  Gabi, die Deutschlehrerin an Minas Gymnasium aus Sachsen und auch eine Kollegin von ihr aus Irkurtsk, die zwecks eines Seminares für Deutschlehrerinnen angereist war. Ich schaute und schaute. Irgendwoher kam mir diese Dame doch bekannt vor…
Ich fragte Gabi, woher ihre Kollegin sei. Aus Berlin, war die Antwort.  Da war ich mir sicher: es handelte sich um eine ehemalige Lehrerin aus dem Archenhold-Gymnasium, der Schule, die ich bis zur 11. Klasse besucht hatte. Ich hatte damals bei ihr keinen Unterricht, habe mich aber an sie erinnert. Und jetzt treffe ich sie hier, in Sibirien, in Akademgorodok. Es ist doch unglaublich! Wir haben uns dann sehr nett unterhalten. Überhaupt war die Diplomvergabe sehr feierlich, es wurden Reden gehalten und auch ich wurde der versammelten Elternschaft vorgestellt. Danach gab es ein superleckeres Büffet und nette Gespräche. Ich habe mich gut mit einer Englischlehrerin unterhalten, deren Sohn ich unterrichte und der ich auch im Englischunterricht assistieren soll.
Ach ja, der Unterricht. Mir macht die Arbeit hier wirklich viel Spaß, ich helfe vor allem in den jüngeren Klassen und bei der DSD-Vorbereitung. Samstags hat auch die Grundschule mit mir Unterricht, also Dritt- und Viertklässler.  Die Kinder sind meist aufmerksam, wissbegierig und quasselig, außerdem natürlich begeistert von meinen Spielen, Liedern und Energizern.

Das bin ich. Ein Gemälde der Grundschüler.

Das bin ich. Ein Gemälde der Grundschüler.

Trotzdem muss ich mich an das andere Schulsystem gewöhnen, Disziplin ist hier nicht so verbreitet wie bei uns. Nur zu reden, wenn sie drangenommen werden, sind die Kinder nicht gewöhnt, außerdem stehen sie auch in den Stunden schonmal auf oder fragen, ob sie mal rausgehen (sprich: auf die Toilette gehen) können. Deshalb kann es vorkommen, das in der Klasse ganz schöner Trubel herrscht, es ist der reinste Flohzirkus. Für mich ist das oft schwer, denn ich bin meist allein mit den Kindern und wenn alle durcheinander Russisch plappern, bin ich überfordert und kann die ernst gemeinten Fragen nicht immer von den lustigen unterscheiden. Es macht Spaß, ist aber auch anstrengend. Die Kinder sind alle aufgweckt und klug, lenken sich aber  gegenseitig ab. Also heißt es manchmal durchgreifen. Heute habe ich das erste Mal einen Schüler vor die Tür schicken müssen. Sergey ist ein süßer, lieber und schlauer Junge. Ich glaube ja, er ist ein wenig verliebt in seine Banknachbarin Poline, jedenfalls hat er sie im Unterricht  permanent geärgert, ihr ihre Schulsachen weggenommen und generell stark gestört. Irgendwann hat es mir gereicht, nachdem ich schon zehnmal zur Ruhe aufgeordert hatte.
„Raus!“ , das muss auch jeder russische Schüler verstehen. Ich ging mit Sergey vor die Tür und sagte ihm: Я тебя отчень люблю и ты очень умный, а пожалуйста не мешай, я новая учительница, это очень трудно для меня!“ (Ich habe dich sehr lieb und du bist sehr klug, aber bitte stör nicht mehr! Ich bin eine neue Lehrerin, das ist sehr schwer für mich!)
Da wurde er ganz kleinlaut und hat nur genickt. Wir sind zusammen wieder in die Klasse gegangen und die Arbeitsatmosphäre war deutlich besser. Ich denke, die Kinder haben gemerkt, dass ich freundlich, lustig und lieb bin, wenn sie ordentlich arbeiten, aber auch streng sein kann. Das war ein Erfolgserlebnis. Natürlich habe ich mein Vorgehen mit meiner Mentorin besprochen und sie meinte, ich hätte richtig gehandelt.
Ansonsten habe ich heute sehr viel gespielt, „Obstsalat“, „Zehn kleine Fische“ und „Rehlein und Jäger“. Ich habe Videos, die ich bestimmt bald hochladen werde. Aber jetzt besprechen Mina und ich unsere Pläne für dieses und nächstes Jahr!

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