„Gleich scheißt mich der Jäger tot!“ – Unterricht & Co
Was ich die Tage so mache? Lernen, hauptsächlich! Und wie lernt man am besten? Man beobachtet! Ganz wichtig ist es aber auch, immer mit dem Kopf zu nicken, selbst wenn man das Russischgewusel absolut nicht kapiert!
Was habe ich also in den drei Tagen in Akademgorodok gelernt?
1. Russinnen sind wunderschöne Geheimartisten, die in hohen Stöckelschuhen durch Staub und über die unebenen Wege turnen und das Ganze mit Bravour meistern (ich habe übrigens von meinen kleinen Pumps schon Blasen).
2. Der Deutschunterricht wird eher locker gesehen (es klingelt, irgendwer ist nicht da, irgendwer schreibt SMS, Pause, die Lehrerin verteilt Kekse und leiht den Schülern auch mal 50 Rubel), aber meine Mentorin ist absolut engagiert .
3. Wodka steht im nahegelegenen Supermarkt gleich neben dem Eingang, er ist das erste, was man sieht.
4. Man sollte bei Sing- und Bewegungsspielen in Klassen lieber nicht das Wort „schießt“ verwenden, sonst… (siehe Überschrift). Und dann verstehen 12 Kinder nicht, warum du lachen musst.
5. Der große Plastikeimer im Badezimmer ist kein Mülleimer, sondern der Wäschekorb (…ups!).
6. Durch Sibirien kann man auch in FlipFlops laufen, sogar Ende September!
7. Mein Abiballkleid und die dazugehörigen Stöckelschuhe wären in der Schule ein absolut angebrachtes Outfit (Mist, ich hab die Gelegenheit verpasst, das nochmal anzuziehen!)
8. Sibirische Kinder lachen lauthals, wenn du erzählst, dass -15°C zu Hause schon eine Katastrophe sind.
9. Neue Freunde kennen zu lernen ist schwer. Da heißt es abwarten und sich unbedingt eine russische SIM-Karte zulegen. (Ich habe seit heute so eine SIM-Karte und Einladungen fürs Wochenende zum Kaffee trinken und Shoppen.)
10. Der erste Schnee wird Mitte Oktober erwartet.
11. Ich muss unbedingt schicke Blusen für die Schule kaufen (kam mir in meinen T-Shirts etwas trampeltierig vor).
12. Der Fahrstuhl wird nicht abstürzen, auch wenn ich jedes Mal das Gefühl habe. Die einzige Gefahr sind fremde Männer. Mit denen NIE alleine Fahrstuhl fahren (mit fremden Frauen aber bestimmt auch nicht).
13. Außerdem gibts im Herbst und Frühling ab und zu freilaufende Schizophrene.
14. Trotzdem ist es hier nicht gefährlich und ich fühl mich sicher, denn die Wohnungstür wird 2 Mal unten und drei Mal oben abgeschlossen!
15. Ich mag mein Zimmer und mein Bett ist sehr bequem, auch wenn ich nichts an die Wände kleben darf (habe aber den Stecknadeltrick angewandt!).
16. Wenn man mal verschläft (weil der Wecker aus schleierhaften Gründen nicht geklingelt hat), auch wenn man erst um 11:30 Uhr in die Schule sollte, ist das kein Problem und wird von der Mentorin auf den Jetlag geschoben!
17. Schon am zweiten Tag finde ich alleine in die Schule (5 Minuten zu Fuß) und zurück! Juhuuu!!!
18. In der Wasserkaraffe hat unbedingt ein abgebrochener Silberlöffel zu liegen (müsste mal fragen, wozu!?).
Alles in allem: Ich mag es hier, auch wenn Heimweh ganz neue Dimensionen annimmt (ich nenne es Heimsucht).
Ich durfte von Anfang an unterrichten. Gestern war ich gleich alleine mit den Sechstklässlern, die ständig mein Russisch verbessern mussten, aber sehr lieb und nett waren (haben ja auch Ahoi-Brause bekommen) und außerdem gibt es geschätzte 1000 Projektideen, die meine Mentorin verwirklichen möchte! Heute konnte ich auch den ersten Energizer anbringen (das in der Überschrift angedeutete Rehlein-und-Jäger-Szenario), außerdem habe ich mit der 8. Klasse auf dem Schulflur Laurenzia gespielt, bis sich die Mathelehrein über den Lärm beschwert hat.
Morgen muss ich erst zum Mittagessen in der Schule sein, dann geht es in den Botanischen Garten von Novosibirsk, ein paar freche, aber liebenswerte Siebtklässler wollen mich führen!
Всё будет хорошо! (Alles wird gut!)

Hallo Karo,
wir drücken Dir alle die Daumen und wünschen Dir viel Glück.
In einer Woche zieht Sophie auch in die „weite Welt“ (nach Potsdam).
Sie fehlt mir jetzt schon.
Falko – der Papa von Sophie