Ja, es ist vorbei. Und ja, ich habe ein bisschen geheult. Gestern war der letzte Schultag und ich habe mich von meinen Schüler_innen verabschiedet. Und sie sich auch von mir, aber wie…
Die meisten gaben mir einfach die Hand, wünschten mir alles Gute und sagten, ich solle mal wieder nach Ulcinj kommen. Doch die Siebtklässler_innen, meine geheime Lieblingsklasse, verabschiedete mich mit einer Geste, die mich sehr berührt hat. Am Ende der Stunde stellten sie sich in einer Reihe vor der Tafel auf und sangen für mich „Marmor, Stein und Eisen bricht“, ein Lied, das Kurt und ich das Jahr über immer mal wieder mit ihnen geübt hatten.
Jetzt habe ich eine wunderschöne Video-Erinnerung und laufe nicht Gefahr, auch nur einen oder eine von ihnen zu vergessen.
Ein kurzer Überblick über das, was bis zum Schuljahresende noch so passiert ist:
Almir, einer meiner Lieblingssiebtklässler, hat tatsächlich den landesweiten Lesewettbewerb gewonnen, der eigentlich für die achten Klassen ist. Aus Ulcinj gingen drei Schüler ins Rennen, aus Berane sechs Schüler_innen. Unsere Trainingslager haben sich tatsächlich ausgezahlt, mit einer sehr niedlichen Performance des Anfangs von „Das Vamperl“ setzte er sich deutlich gegen die älteren Teilnehmer durch und darf nun im Herbst zur Regionalausscheidung nach Belgrad fliegen. Ein wundervolles Abschiedsgeschenk und ich habe nicht mal die Jury bestochen, nur ein bisschen emotional Einfluss genommen 😀
Ein paar Tage später wurde ich prompt mal wieder ein bisschen krank. Ich hütete ein paar Tage mit Fieber, Husten und Schnupfen das Bett und mittlerweile bin ich fast komplett wiederhergestellt.
Fast komplett sage ich, weil ich nämlich in den letzten Tagen und Wochen wieder mal feststellen konnte, dass ich offensichtlich absolut deliziös schmecken muss. Ich werde jede Nacht von diversen Viechern angeknabbert, das ist echt nicht mehr schön. Als Artan, mein Kollege, mich wieder zu Gesicht bekam, empfahl er mir beim Anblick meines verstochenen Gesichts, es doch mal mit Rakija zu probieren. Wenn man sich damit einschmiere, kämen keine Mücken mehr. Ich habe dann doch lieber auf den Praxistest verzichtet und die Fenster meiner Wohnung weitestgehend geschlossen gehalten.
Meine Krankheitszeit habe ich dann endlich mal genutzt und mein Interview zu meinem Preis gegeben. Die nette Frau vom PAD wollte dienstags mit mir Skypen. Bedauerlicherweise funktionierte ausgerechnet an diesem Tag das Internet hier nicht. Blöderweise bedeutete das, dass ich ihr ja auch nicht mitteilen konnte, dass es mit dem Skypen nichts wird. Ich schrieb also meiner Mutter eine 46ct-SMS nach Deutschland inklusive meines Email-Passworts, damit sie der Frau vom PAD Bescheid sagen kann, dass ich nicht zu erreichen bin.
Gott sei Dank klappte das und das Internet wurde über Nacht reanimiert. Ich war den ganzen Mittwoch irre aufgeregt, es war dann aber doch halb so wild. Mein Bruder hatte Recht als er zu meiner Beruhigung diagnostizierte, ich wäre schon immer gut im Schwafeln gewesen. Ende Juni wird dann die Projektbeschreibung online gestellt, dann gibt es hier auch einen Link für euch, damit ihr seht, was ich so die ganze Zeit getrieben habe.
Wenn ich von Schülerverabschiedungen schreibe, muss ich auch von den Neuntklässler_innen berichten. Sie habe die Grundschule abgeschlossen und waren deshalb schon ein wenig früher weg als die anderen. Und sie feierten vor einer Woche abends ihren Abschied am kleinen Strand. Traditionell machen sich alle wahnsinnig schick, laufen ein paar Mal an der Strandpromenade auf und ab und dann geht’s auf die Party. Wir positionierten uns geschickt in einem Restaurant am Fenster, damit wir die Schüler_innen pizzaessend bewundern konnten. An diesem Wochenende hatten wir Besuch aus Belgrad und die beiden wussten nicht, was auf sie zukommt. Während wir noch auf die Schüler_innen warteten, berichteten sie vom Vortag, als die Viertklässler_innen ihr Abitur auf dieselbe Art gefeiert hatten. Sie waren der festen Überzeugung, es wäre eine Massenhochzeit. Und so sahen die Schüler auch aus. Die Jungs alle schnieke im Anzug, die Mädels in schicken Kleidern und unter ihrer Schicht Make-up schlicht nicht mehr zu erkennen. Nicht so ganz mein Fall, aber für die Schüler_innen so ziemlich das größte Ereignis ihres bisherigen Lebens.
Ja, jetzt habe ich es also fast schon hinter mir. Der letzte Blogeintrag aus Ulcinj ist schon in der Entstehung, weil er eine perfekte Liebeserklärung an diese Stadt sein soll und mir immer wieder Sachen einfallen, die unbedingt noch reinmüssen. Er kommt dann kurz vor meiner Abreise. Diese wird in ca. eineinhalb Woche, als so um den 21./22. rum sein. Dann fahre ich mit Armin in Richtung Norden, sehe noch ein bisschen was vom Balkan und werde dann ab Triest mit dem Bus nach Hause fahren. In ca. 2 Wochen kann mit mir gerechnet werden… 🙂
Weil ich sehr traurig bin, dass ich Ulcinj hinter mir lassen muss und das auch im nächsten Blogeintrag deutlich rauskommen wird, will ich an dieser Stelle schon mal festhalten: Ich freue mich auch auf zu Hause. Auf meine Freunde, meine Familie, mein Orchester, mein Bett. Ich freue mich auch auf das, was danach kommt, aufs Studium und alles was folgt. Aber diese zwei Wochen bemitleide ich mich jetzt nochmal ausgiebig, dass ich hier weg muss.
Dass ich aber wiederkomme, steht eigentlich außer Frage. Jeder, von dem ich mich verabschiede, fordert das von mir, und ich denke, ich werde sie nicht enttäuschen. Dass der Schuldirektor mir allerdings versprochen hat, mir dann einen Mann zu suchen, muss ich mit ihm nochmal diskutieren. Die Heiratsangebote reißen nicht ab, und als ich das meinem Bruder erzählt habe, erklärte er sich bereit, vorbeizukommen und über die Anzahl der Kamele zu verhandeln, die er dann für mich bekommen würde. Seine Antwort auf die Frage, wie viele er denn wollen würde, fand ich ausgesprochen nett: „Mindestens 66 Kamele für deine Schönheit, 40 Kamele für die Hausarbeit, die du verrichten wirst und ein Kamel auf dem wir den Tillmann (meinen kleinen Bruder) in der Wüste aussetzen.“ Sehr freundlich, aber es macht mir Sorgen, dass mein Bruder scheinbar ausgesprochen gut über die Marktpreise informiert ist 😀
Jetzt sitze ich also noch ein paar Tage auf dem Balkon in der Sonne, lese Dostojewski und versuche angestrengt, nicht aus Versehen zu heiraten. Das nimmt mich schon genug in Anspruch und verhindert hoffentlich allzu verfrühte Traurigkeit über den nahenden Abschied.
„…Alles, alles geht vorbei, doch wir sind uns treu!“