Mir ist aufgefallen, dass es mir nicht gelingt, meinen alten Schreibrhythmus auf diesem Blog beizubehalten, was manchmal dazu führt, dass ich ungeduldige Nachrichten von treuen Lesern bekomme, wann es denn mal endlich weitergehe. Es berührt mich, dass manchen von euch dieser Blog etwas bedeutet, das ist einfach nur schön und ermutigend! Ich entschuldige mich, wenn ich das Schreiben manchmal etwas verschieben muss, aber im Moment passiert vieles gleichzeitig, sodass ich erstens schlichtweg keine Zeit zum Schreiben finde und zweitens das Erlebte nicht ausreichend für mich selbst reflektieren kann, sodass sich alles immer weiter hinauszögert.
Nachdem wir aus Freudenstadt zurückkamen, gab es einige Baustellen zu beackern.
Für die Zweitklässler stand die DSD1-Prüfung unmittelbar bevor. Die letzten Fragen wurden beantwortet, alles nochmal geübt, Präsentationen getestet und gestern, heute und morgen war bzw. ist es dann soweit. Ich habe noch nichts gehört, aber da ich meine Schüler kenne, brauche ich mir größtenteils keine Sorgen zu machen.
Unser neu geschaffener Deutsch-Stammtisch fand das zweite Mal statt, diesmal sogar mit 7 Leuten, aber es sind jetzt schon mehr auf unserer Liste, das ganze könnte ein Erfolg werden! Ich arbeite daran, unseren E-Mail-Verteiler auszubauen und alle möglichen Leute, die Deutsch sprechen, einzufangen.
Zwei Tage nach uns kam Julia in Ulcinj an. Sie studiert in Deutschland Grundschullehramt und macht hier für 3 Wochen ein Praktikum, da sie sich sowohl für andere Schulsysteme als auch für DaF (Deutsch als Fremdsprache) interessiert. Da sie natürlich die Zeit hier nutzen will und viel unternimmt, bin ich auch immer relativ viel auf Achse. Wir waren am großen Strand, in Valdanos, einem kleinen Strand jenseits des Berges, wo wir fast zwei Hundewelpen gekauft hätten und immer wieder im Plaza, unserem Stammrestaurant. Es ist natürlich wundervoll, dass das Wetter seit einigen Tagen auch mitspielt. Am Anfang war es nämlich ganz düster, es gewitterte, regnete und windete die ganze Zeit. Da eine stürmische See aber auch ihre schönen Seiten hat, gingen wir einmal gegen Abend an den Strand, weil Julia sich ein Foto mit Wellen im Hintergrund wünschte. Wir witzelten, dass ich genau dann abdrücken sollte, wenn eine Welle sie trifft. Dann stellte sie sich aber natürlich doch etwas weiter vorne hin, für eine Dusche ist es dann doch noch zu kalt. Also lieber in Sicherheit. Dachten wir…
Um diese Geschichte zu erzählen bedarf es keiner weiteren Worte:
Um die Relationen dieser Monsterwelle zu verdeutlichen, ich habe die Fotos geschossen und war dann auch klatschnass! Es war sehr lustig und der schlimmste Lachanfall der letzten Zeit.
Zusätzlich zu Julia gab es aber noch weiteren Besuch aus Deutschland! Meine liebe Vorvorgängerin Alex, die meine Leidenschaft für Ulcinj aber sowas von teilt, besuchte uns und die Stadt und versüßte mir so manchen Tag.
Meine liebe Schwalbe, ich wünsche dir alles Gute in Namibia, viele tolle Erfahrungen, man sieht sich in Ulcinj!
PS: Ich steige bei der gendergerechten Schusswaffentechnik für Mali nicht so ganz durch, aber auf jeden Fall interessant! 🙂
PPS: Die beste Barfußwanderung am Strand ever!
PPPS: Auf das unsere (streng geheime) Geschäftsidee irgendwann Realität wird!
Am 8.März begrüßte uns der Platz vor der Schule mit Blumenständen, die es vorher nie gab. Ich kramte in meinem Gedächtnis, was der Anlass sein könnte. Weltfrauentag! Praktischerweise wird der Weltfrauentag in Montenegro gleich mit dem Muttertag zusammengefeiert, aber wie! Die Lehrerinnen bekommen alle Blumen geschenkt. Auch ich entkam dem nicht, Kurt schenkte mir und Julia jeweils ein Blümchen und auch in unserem Stammcafé gab es nochmal eine:
Auch die Mamas bekommen von ihren Kinder Blumen und von ihren Ehemännern Ausgang. Ich war an diesem Tag abends in der Stadt, sämtliche Cafés, Bars und Restaurants waren bevölkert von Frauengruppen. Einige hatte ihre Ehemänner dabei, die aber lediglich die Bestellungen an die Kellner weiterleiten durften und sonst den Mund halten mussten. Schön, dass es so etwas gibt! 😀 Schade, dass sich die Wertschätzung der Frauen und Mütter scheinbar auf einen Tag im Jahr beschränkt!
Weil ich am Donnerstag bei den Prüfungen nicht gebraucht wurde, konnte ich beginnen, unsere 30 Kisten Bücher in der Bibliothek zu sortieren. Ich hatte mich mit Zenepa, der stellvertretenden Bürgermeisterin, und Ardita, der Bibliothekarin getroffen und besprochen, wie es weiter geht. Es wurden emsig Pläne gesponnen, manchmal auch Luftschlösser gebaut, aber es ist toll zu sehen, wie viel Engagement es hier doch gibt, denn alle städtischen Bediensteten arbeiten weiter, obwohl sie seit 10 Monaten (!) keinen Cent mehr bekommen haben. Ich habe das nicht verstanden, aber Ardita meinte nur, sie lebe für diese Bibliothek, sie liebe Bücher und deshalb macht sie weiter. Zenepa brennt sowieso für alle ihre Projekte und ist immer wieder eine Inspiration! Es ist ein Privileg, dass ich solche Menschen kennenlernen darf und dass ich mit ihnen zusammenarbeiten darf!
Ich ging davon aus, dass ich fürs Sortieren Wochen brauchen würde. Ich kenne mich viel zu gut und weiß, dass ich mich in jedes Buch einzeln verlieben würde. Die Bibliothekarinnen schätzen mich aber scheinbar recht gut ein, sodass sie ein gutes System entwickelten, mich von diesen Ausschweifungen abzuhalten. Sie standen an den Kartons, gaben mir jedes Buch einzeln in die Hand und fragten: Skola or here? So war ich gezwungen, in ein paar Sekunden zu entscheiden, wo das Buch hin soll und ich kam nicht in Versuchung, anzufangen zu lesen, sonst hätten die Damen so lange warten müssen, das wäre mir unangenehm gewesen. Und so trug es sich zu, dass wir heute, an einem Vormittag, mit dem Sortieren fertig wurden. Morgen werde ich mit dem Katalogisieren weiter machen, aber ein großer Teil ist schon geschafft.
Es war tatsächlich einer der schönsten Tage meines Lebens! Es war auch der schrecklichste, weil ich so viele wunderbare Bücher achtlos aus der Hand legen musste, aber dass das Wissen von Jahrhunderten heute durch meine Hände ging, macht mich irgendwie ganz demütig. Da ist so viel Literatur in der Welt, die noch gelesen werden muss, eigentlich dürfte man sein ganzes Leben nichts anderes mehr tun.
Bücher haben immer noch etwas Magisches für mich. Ich bin mittlerweile auch un-stolze Besitzerin eines Ebook-Readers, weil man (bis jetzt) hier nicht an deutsche Bücher kam. Das ist als Ersatz ganz nett, weil die Bücher überall auf der Welt verfügbar sind, aber etwas zutiefst Unrationales und Emotionales treibt mich immer wieder zum gedruckten Wort. Das Rascheln des Papiers, der Geruch, das Gewicht in der Hand, das lässt sich durch so einen blöden Computer nicht ersetzen. Es erforderte höchste Selbstbeherrschung und Disziplin, aber es ist mir tatsächlich gelungen, nur ein Buch zu stehlen und rauszuschmuggeln, weil es auf meiner „Noch-zu-lesen-Liste“ ohnehin ganz oben stand und mich einfach angelacht hat. Ein undefinierbares Glücksgefühl hält sich bis zu diesem Augenblick in meinem Herzen und ich versuche, es möglichst lange nicht mehr gehen zu lassen.
Wer also mal einen ruhigen Strandurlaub in schöner Umgebung verbringen will und dabei keinen Koffer voller Bücher mitschleppen will, sollte den Weg nach Ulcinj finden!
Sowieso sollte jeder seinen Weg nach Ulcinj finden, denn es lohnt sich einfach! Ich habe überrascht festgestellt, dass es noch nicht mal eineinhalb Wochen sind, bis meine Eltern nach Ulcinj kommen. Das ist ganz toll, denn dann verstehen sie endlich mal, wovon ich genau rede, wenn ich mal wieder ins Schwärmen gerate!