сайн байн уу? - sain bain uu?
Herzlich Willkommen auf meinem Blog, sozusagen meinem Internet-Tagebuch über meinen Mongoleiaufenthalt. Regelmäßig gab es neue Artikel und Fotos online und ich versuchte dadurch, einen möglichst guten Einblick in mein Leben im fernen Asien zu geben. Jetzt ist der Blog vollendet.Nach einer wirklich für meine Verhältnisse langen Pause melde ich mich wieder zu Wort. Der März war in seinen Zügen wie eigentlich jeder Monat hier sehr ereignisreich. Ich befinde mich jetzt in der zweiten Hälfte meines Einsatzes, die Halbzeit ist also schon vorbei. Eigentlich wäre es jetzt an der Zeit, die letzten sechs Monate Revue passieren zu lassen, doch dafür nehme ich mir ein anderes Mal Zeit. Wichtiger sind erst einmal die Ereignisse von Anfang März.
Mit 200 Schülerinnen und Schülern von fünf verschiedenen Schulen ging es in der ersten Märzwoche in das internationale Ferienlager „Nairamdal“. Man könnte also sagen: Es ging ins Schullandheim. Schon die einstündige Fahrt war wieder ein Abenteuer. Im wackligen Bus und auf nicht ausreichend asphaltierten Straßen führte uns Weg aus der Hauptstadt raus in die Natur. Die Landschaft und vor allem auch die Luft waren in Nairamdal sehr angenehm. Man könnte fast sagen, dass es Urlaub war, wären da nicht die knapp 200 Schüler gewesen, die jedoch nur am Vormittag in unserer Obhut waren.
Eine Woche lang beschäftigten sich die Schüler in neun verschiedenen Workshops mit dem Leitthema: „Die vier Elemente“ – von einem Versuchsworkshop zum Thema Luft bis zum Schattentheater, in dem u.a. der Wasserkreislauf dargestellt wurde, konnten sich die Schüler aussuchen, wo sie denn am liebsten sein möchten.
Mein Kurs lautete: „Die vier Elemente in den Märchen der Gebrüder Grimm“. Passend zum Grimm-Jahr 2012 haben wir jeweils pro Tag ein Märchen gelesen und anschließend das Märchen nachfotografiert. Es en6tstanden echt tolle Fotostorys, die bei der Abschlusspräsentation gezeigt wurden. Mein persönliches Lieblingsmärchen war hierbei „Hänsel und Gretel“. Eine Auswahl der Bilder gibt es hier zu sehen.
Am Nachmittag wurden die Schüler von den Nairamdal-Lehrern betreut. Daher kann ich auch recht wenig über das Nachmittagsprogramm erzählen, denn das bestand bei mir meist nur aus Schlafen, Spazieren gehen oder Zusammensitzen mit den Kolleginnen. Was ich jedoch aus der Moderation weiß, für deren Übersetzung ich am Eröffnungs- und Abschlussabend zuständig war, ist folgendes: ein Sportwettkampf, Karaoke singen, Sternwarte und noch einiges mehr. Die Schüler hatten nachmittags jedenfalls immer ein volles Programm und waren zu unserem Vorteil abends meist geschafft.
Nairamdal an sich finde ich eine grandiose Anlage. Mit Jugendherberge, Schule, Theater, Sporthalle, Sportplätzen im Freien und vielem mehr ist es ein idealer Treffpunkt für Kinder und Jugendliche aus der ganzen Mongolei. Das Konzept funktioniert dort schon seit zwanzig Jahren und ich bin sicher, dass auch die Nachfrage in den nächsten zwanzig Jahren kaum abnehmen wird.
In die Deutsche Woche fielen dieses Jahr zwei Geburtstage von Kolleginnen, das sechsmonatige Freiwillige Soziale Jahr von Johanna und mir und der Frauentag am 08. März. Für diesen habe ich allen meinen Kolleginnen etwas geschenkt – so wie es sich eben in der Mongolei (und meiner Meinung nach überall auf der Welt an diesem Tag 😉 ) gehört.
Regelmäßig bekamen wir am Nachmittag oder am Abend Besuch von den Deutschkolleginnen, die nicht mitgefahren sind. Einige mussten ja schließlich auch in der Schule bleiben und den Deutschunterricht der anderen vertreten.
Jeden Abend trafen sich alle Schülerinnen, Schüler und Lehrer im großen Theater von Nairamdal. Am ersten Abend fand dort der Eröffnungsabend statt, mal gab es einen Kulturwettbewerb, bei dem ich in der Jury sitzen durfte, mal eine Disko und auch den Abschlussabend, der sehr emotional war. Viele – vor allem Mädchen – weinten und wollten noch länger dort bleiben. Für viele der Teilnehmer ist es wohl die einzige Möglichkeit, einmal im Jahr aus der Stadt rauszukommen und so ist der tränenreiche Abschied beim mongolisch-deutschen Gute-Nacht-Lied nachzuvollziehen. Dieses Lied prägte übrigens die ganze Woche und wurde deswegen von mir auch zum Lied des Monats gewählt.
Während des Abschlussabends wurde dann das Nairamdal-Video für die Deutsche Woche vorgestellt. Eine Zusammenstellung der „Best-of-Fotos“, die in der ganzen Woche entstanden sind: Bilder einer Woche, die mir sehr gefallen hat, in der man ein bisschen vom Alltagsstress befreit war und die Natur in ihren vollen Zügen genießen konnte.
Was die Chinesen können, das können die Mongolen schon lange. Auch wir feiern hier ein spezielles Neujahr, genannt wird es Zagaan Sar. Übersetzen kann man dies entweder mit „Weißer Mond“ oder „Weißer Monat“. Zagaan Sar ist sozusagen das mongolische Weihnachten. Es ist das wichtigste Fest in diesem Land und das habe ich letzte Woche drei Tage am Stück hautnah erfahren dürfen.
In der Mongolei gibt es eine besondere Nationaltracht. Diese Tracht wird Deel genannt und vor allem zu Zagaan Sar getragen. Ich hatte bereits letztes Jahr im Dezember eine Schneiderin bei mir zu Hause, die mich vermessen hat und pünktlich zu Zagaan Sar habe ich mein persönliches Deel in braun mit orangenem Gürtel, eine orangene Weste und Stiefel bekommen. Insgesamt war es eine nicht ganz billige Anschaffung, aber auf jeden Fall eine nützliche Anschaffung. Denn dadurch habe ich mein Leben lang Erinnerung an die Mongolei und mein Freiwilliges Soziales Jahr.
Der Dienstagabend wurde hier als „Heiliger Abend“ bezeichnet. Der Abend also vor dem eigentlichen Neujahr. An diesem Tag wurde die ganze Wohnung geputzt und zwar richtig geputzt. Am Abend gab es dann das erste gemeinsame Essen und zwar Buuz – das Traditionsgericht zu Zagaan Sar. Wirklich jede Familie aß die Zagaan-Sar-Tage über nur Buuz. Jetzt hängen sie mir persönlich zu den Ohren raus und ich freue mich, dass ich jetzt wieder selbst an den Herd gehen darf.
Am Mittwochmorgen wurde mit Sonnenaufgang aufgestanden. Die erste Sonne des neuen Jahres musste schließlich begrüßt werden und zwar nach einem ganz bestimmten Ritual. Frische Milch wird in drei Richtungen geworfen – der Sonne entgegen. Gleich danach hieß es: Fertig machen und anziehen. Wir mussten nach Darkhan fahren, der zweiten richtigen Stadt neben Ulaanbaatar hier in der Mongolei. Vor der Fahrt wurden auch die Reifen mit frischer Milch begossen, sodass eine gute Fahrt garantiert wurde. Auf dem Weg sah ich viele Menschen auf den Straßen, die den Sonnengruß mit der frischen Milch durchführten. Ein bisschen verrückt – um ehrlich zu sein – wenn alle Leute mit Schüsseln auf den Straßen stehen und diese in verschiedene Richtungen werfen, aber ich sage es immer wieder: Andere Länder, andere Sitten.
So waren wir dann also im Auto und die dreistündige Autofahrt begann, fast! Denn kurz nach Ulaanbaatar mussten wir an einem Steinhaufen noch mal anhalten. Auch das ist der mongolische Brauch: dreimal um den Steinhaufen laufen, dreimal Steine werfen und dann hat man eine gute Fahrt. Gesagt, getan. Und tatsächlich hatten wir eine gute Fahrt und sind am Mittag endlich in Darkhan bei der Großmutter meiner Kollegin angekommen. Die ganze Familie versammelte sich dort.
Dann kann man eigentlich auch nichts mehr falsch machen, wenn man das ganze Ritual und alle Sitten kennt. Man kommt also in die Wohnung und dann muss man die Hausherrin bzw. den Hausherrn begrüßen. Dabei legt der jeweils Jüngere, also meist der Gast, seine Unterarme unter die des Gastgebers. Man bekommt auf jede Backe einen Kuss und fragt dabei – auf Deutsch übersetzt – „Wie geht es Ihnen? Alles Gute für das neue Jahr“. Danach wird der zweitälteste genau nach demselben Schema begrüßt usw., bis man eben alle Anwesenden begrüßt hat. Nach dem Begrüßen wird Schnupftabak gereicht.
Auch was das Essen angeht, gibt es spezielle Reihenfolgen. Man nimmt zuerst vom süßen Reis (weil es das weiße Gericht ist), greift dann zur Idee – einem Turm aus süßem Gebäck. Danach bekommt man ein Stück von gekochtem Fleisch abgeschnitten, das über die Feiertage auf dem Tisch liegt. Abschneiden muss es der älteste Herr, der anwesend ist.
Ja, und dann ist erstmal Warten angesagt. Die Buuz müssen nämlich gekocht werden. Bei wirklich jeder Familie, die wir während den Feiertagen besuchten (und das waren viele!), gab es Buuz. Wir besuchten Verwandte und auch Freunde von Khosoo, meiner Mitbewohnerin. Auf Nachfrage wurde mir dann auch gesagt, dass es keine Familie gibt, die über Zagaan Sar keine Buuz kocht. Nach den Buuz wird zur Verdauung Wodka getrunken – allerdings nicht nur einmal, sondern insgesamt dreimal – nur das bringt Glück, alles andere führt zu Leiden. Ich habe eine gefühlte Flasche während der Tage getrunken und gefühlte 60 Buuz gegessen. Bevor man eine Familie wieder verlässt, bekommt man ein Geschenk der Hausherrin bzw. des Hausherren. Ich habe erstaunlicherweise sehr viel Pflegeartikel für meine Haare bekommen, angefangen von einer Kur bis zum Haargel und Shampoo. Die Mongolen dachten wahrscheinlich, dass ich jeden Morgen zwei Stunden vor dem Spiegel stehe und meine Haare pflege. Naja, ganz so Unrecht haben sie ja nicht 😉
Zagaan Sar war wirklich ein sehr beeindruckendes Fest. Nun sind wir also vom Hahn-Jahr zum Wasserdrachen-Jahr gewechselt. Der Wasserdrachen steht für viel Stärke und vor allem Glück. Ich wünsche allen ein glückliches neues mongolisches Jahr 🙂
Übrigens: In jetzt schon weniger als sechs Monaten werde ich wieder deutschen Boden betreten. Am 27. August um 17:45 Uhr in Frankfurt am Main 😉