Der Besuch der schwarzen Männer
Es ist ein Mittwoch wie jeder andere auch. Die einzige Veränderung ist, dass ich am Nachmittag nicht wie gewohnt zu zweit mit meinem Kollegen im Deutschbüro sitze, sondern alleine. Mein Kollege war nämlich zu dem Zeitpunkt in Deutschland.
Mein Schreibtisch steht im Raum so, dass ich mit dem Rücken zur Türe sitze. Desöfteren geht bei uns immer mal wieder die Türe auf, weil Schüler nachsehen, ob wir da sind oder weil sich Fremde an der Türe irren – neben unserem Büro ist nämlich das Büro der Schulmanagerin. Daher beachte ich meist die Leute auch nicht, die in der Türe stehen, da sie nach meist einer Sekunde wieder weg sind und die Türe wieder zu ist.
So war es auch am letzten Mittwoch, doch die Türe geht nicht wieder zu, sondern ich höre laute Schritte, drehe mich um und sehe plötzlich zwei große Männer in schwarzen Anzügen. Einer fängt sofort mit mir auf Mongolisch zu sprechen an. Ich gebe ihm zu verstehen, dass ich kein Mongolisch spreche (obwohl ich es ja eigentlich doch tue) und sofort fragt der zweite: „But do you speak English?“ Ich antworte: „Yes, I do.“ und mit dieser Aussage nimmt der erste von beiden auch schon ungefragt auf dem Bürostuhl meines Kollegen Platz.
Sie fragen mich nach meinem Ausweis und meiner Registrierungskarte. In der ganzen Aufregung muss ich erst einmal nachdenken, wo diese Unterlagen sind. Ah – klar, in meinem Geldbeutel. Ich zeige ihm meine Registrierungskarte und zeitgleich verändert sich sein Gesichtsausdruck. Man merkt: Irgendetwas stimmt nicht. Ich frage mich ständig: Warum bin ich alleine in diesem Raum? Kann ich nicht jemanden zum Übersetzen holen, doch das war nicht möglich. Sie halten mich auf meinem Stuhl sozusagen gefangen. Ein Mann fragt mich, warum ich nicht in der Universität sei und ich sage, dass ich kein Student bin und deswegen nicht zur Uni gehe. Gott sei Dank öffnet sich plötzlich die Tür und eine Kollegin kommt herein. Sie tut so, als würde sie etwas suchen, lauscht aber dem Gespräch und mischt sich schließlich ein. Sie erklärt den Männern meinen Status: dass ich eben ein Freiwilliger bin und kein Student. Die Männer schauen weiterhin skeptisch und verlangen ein Gespräch mit der Direktorin.
Ich stehe auf, sehe meine Kollegin an, die mir zuzwinkert als klein: „Es wird schon alles. Mach dir keine Sorgen.“ Trotzdem mache ich mir Sorgen, weil jetzt das Gespräch auf Mongolisch weiter geführt wird und ich aufgrund der schnellen Geschwindigkeit und der Aufregung nur einzelne Bruchteile verstehe, wie: Freiwilliger, achtunddreißig Stunden, kein Geld. Nach circa zehn Minuten ist das Gespräch beendet und meine Kollegin übersetzt mir den Kerninhalt. Problem ist, dass ich ein falsches Visum habe. Ein S-Visum (für Studenten) und eigentlich ein V-Visum (für Volunteers, also Freiwillige) bräuchte.
Da ich im Alphabet unter den drei Freiwilligen an erster Stelle stehe, kam ich in das Vergnügen, diese Männer kennen zu lernen. Johanna und Simon blieben von so einem Besuch verschont. Jetzt ist alles wieder OK. Ich durfte meine alte Karte behalten, die Mitarbeiter vermerkten das Gespräch auf ihren Unterlagen und kommen hoffentlich nicht ein zweites Mal.