Im Jahr des Wasserdrachen
Was die Chinesen können, das können die Mongolen schon lange. Auch wir feiern hier ein spezielles Neujahr, genannt wird es Zagaan Sar. Übersetzen kann man dies entweder mit „Weißer Mond“ oder „Weißer Monat“. Zagaan Sar ist sozusagen das mongolische Weihnachten. Es ist das wichtigste Fest in diesem Land und das habe ich letzte Woche drei Tage am Stück hautnah erfahren dürfen.
In der Mongolei gibt es eine besondere Nationaltracht. Diese Tracht wird Deel genannt und vor allem zu Zagaan Sar getragen. Ich hatte bereits letztes Jahr im Dezember eine Schneiderin bei mir zu Hause, die mich vermessen hat und pünktlich zu Zagaan Sar habe ich mein persönliches Deel in braun mit orangenem Gürtel, eine orangene Weste und Stiefel bekommen. Insgesamt war es eine nicht ganz billige Anschaffung, aber auf jeden Fall eine nützliche Anschaffung. Denn dadurch habe ich mein Leben lang Erinnerung an die Mongolei und mein Freiwilliges Soziales Jahr.
Der Dienstagabend wurde hier als „Heiliger Abend“ bezeichnet. Der Abend also vor dem eigentlichen Neujahr. An diesem Tag wurde die ganze Wohnung geputzt und zwar richtig geputzt. Am Abend gab es dann das erste gemeinsame Essen und zwar Buuz – das Traditionsgericht zu Zagaan Sar. Wirklich jede Familie aß die Zagaan-Sar-Tage über nur Buuz. Jetzt hängen sie mir persönlich zu den Ohren raus und ich freue mich, dass ich jetzt wieder selbst an den Herd gehen darf.
Am Mittwochmorgen wurde mit Sonnenaufgang aufgestanden. Die erste Sonne des neuen Jahres musste schließlich begrüßt werden und zwar nach einem ganz bestimmten Ritual. Frische Milch wird in drei Richtungen geworfen – der Sonne entgegen. Gleich danach hieß es: Fertig machen und anziehen. Wir mussten nach Darkhan fahren, der zweiten richtigen Stadt neben Ulaanbaatar hier in der Mongolei. Vor der Fahrt wurden auch die Reifen mit frischer Milch begossen, sodass eine gute Fahrt garantiert wurde. Auf dem Weg sah ich viele Menschen auf den Straßen, die den Sonnengruß mit der frischen Milch durchführten. Ein bisschen verrückt – um ehrlich zu sein – wenn alle Leute mit Schüsseln auf den Straßen stehen und diese in verschiedene Richtungen werfen, aber ich sage es immer wieder: Andere Länder, andere Sitten.
So waren wir dann also im Auto und die dreistündige Autofahrt begann, fast! Denn kurz nach Ulaanbaatar mussten wir an einem Steinhaufen noch mal anhalten. Auch das ist der mongolische Brauch: dreimal um den Steinhaufen laufen, dreimal Steine werfen und dann hat man eine gute Fahrt. Gesagt, getan. Und tatsächlich hatten wir eine gute Fahrt und sind am Mittag endlich in Darkhan bei der Großmutter meiner Kollegin angekommen. Die ganze Familie versammelte sich dort.
Dann kann man eigentlich auch nichts mehr falsch machen, wenn man das ganze Ritual und alle Sitten kennt. Man kommt also in die Wohnung und dann muss man die Hausherrin bzw. den Hausherrn begrüßen. Dabei legt der jeweils Jüngere, also meist der Gast, seine Unterarme unter die des Gastgebers. Man bekommt auf jede Backe einen Kuss und fragt dabei – auf Deutsch übersetzt – „Wie geht es Ihnen? Alles Gute für das neue Jahr“. Danach wird der zweitälteste genau nach demselben Schema begrüßt usw., bis man eben alle Anwesenden begrüßt hat. Nach dem Begrüßen wird Schnupftabak gereicht.
Auch was das Essen angeht, gibt es spezielle Reihenfolgen. Man nimmt zuerst vom süßen Reis (weil es das weiße Gericht ist), greift dann zur Idee – einem Turm aus süßem Gebäck. Danach bekommt man ein Stück von gekochtem Fleisch abgeschnitten, das über die Feiertage auf dem Tisch liegt. Abschneiden muss es der älteste Herr, der anwesend ist.
Ja, und dann ist erstmal Warten angesagt. Die Buuz müssen nämlich gekocht werden. Bei wirklich jeder Familie, die wir während den Feiertagen besuchten (und das waren viele!), gab es Buuz. Wir besuchten Verwandte und auch Freunde von Khosoo, meiner Mitbewohnerin. Auf Nachfrage wurde mir dann auch gesagt, dass es keine Familie gibt, die über Zagaan Sar keine Buuz kocht. Nach den Buuz wird zur Verdauung Wodka getrunken – allerdings nicht nur einmal, sondern insgesamt dreimal – nur das bringt Glück, alles andere führt zu Leiden. Ich habe eine gefühlte Flasche während der Tage getrunken und gefühlte 60 Buuz gegessen. Bevor man eine Familie wieder verlässt, bekommt man ein Geschenk der Hausherrin bzw. des Hausherren. Ich habe erstaunlicherweise sehr viel Pflegeartikel für meine Haare bekommen, angefangen von einer Kur bis zum Haargel und Shampoo. Die Mongolen dachten wahrscheinlich, dass ich jeden Morgen zwei Stunden vor dem Spiegel stehe und meine Haare pflege. Naja, ganz so Unrecht haben sie ja nicht 😉
Zagaan Sar war wirklich ein sehr beeindruckendes Fest. Nun sind wir also vom Hahn-Jahr zum Wasserdrachen-Jahr gewechselt. Der Wasserdrachen steht für viel Stärke und vor allem Glück. Ich wünsche allen ein glückliches neues mongolisches Jahr 🙂
Übrigens: In jetzt schon weniger als sechs Monaten werde ich wieder deutschen Boden betreten. Am 27. August um 17:45 Uhr in Frankfurt am Main 😉
Naja es sieht ja nicht so aus als würdest du uns da drüber verhungern, oder? 😀
Hallo Sebastian,
ich bin gerade in Schney und da hab ich natürlich an dich gedacht. Ich hoffe, dir geht es so gut, wie es immer den Anschein hat…
Ganz liebe Grüße sendet dir mit den allerallerbesten Wünschen für den weiteren Verlauf deines FSJ,
Diana Stanke
… Und den 28. August kannst du dir schonmal ganz dick im Kalender anstreichen – wie besprochen 😉
Liebe Grüße!
Hallo Basti! Mal wieder ein total interessanter Bericht! Aber was sind denn nochmal Buuz?
Ich wünsche dir auch ein gutes neues mongolisches Jahr! 🙂
Buuz sind die mit Fleisch gefüllten Teigtaschen 😉