Ich habe mich also dann doch mal wieder bequemt einen Bericht zu schreiben. Die Vernachlässigung der letzten Wochen liegt vor Allem daran, dass ich Besuch hatte und Ich das Kuscheln den Schreiben vorziehe. Auf absehbare Zeit habe ich dafür aber neimanden mehr, ergo: mehr Zeit für den Blog.
Die folgende Geschichte schon eine Weile her, es wäre aber ein Unding sie nicht zu erzählen:
Ich stand am Bahnhof und fror. Es war Ende November, 7:00 Uhr morgens. Ich musste zwecks Zwischenseminar nach Shanghai und hatte mir die Woche davor zum Reisen freigenommen.
Zugverbindung, Ulaanbaatar – Peking.
Abfahrt, 7:15 Uhr.Fahrtdauer, etwa 30 Stunden.
Die Beantragung meines Visums war nicht ganz problemlos verlaufen: Als ich es abholen wollte, hatte man mir nur eine Woche ausgestellt.
Ich hatte mich beschwert, ein bisschen zu laut vieleicht, die Frau am Schalter musste lachen.
Dann ihre Frage, warum ich mich denn so aufrege?
Eigentlich eine gute Frage: Ich hatte nicht viel zu verlieren, ausser einem weiteren Antrag und 30 Dollar, aber irgendetwas scheinen Behörden an sich zu haben, das einen bei der kleinsten Unregelmäßigkeit sofort zur Weißglut treibt.
Ich hatte mein Visum also erneut beantragt und eine Woche später erhalten.
Mit Getöse fuhr der Zug ein. Er sah aus, wie man sich einen Zug vorstellt. Alt, rustikal und dunkelgrün. Keine Sitzheizung, kein W-Lan, dafür offene Kohleöfen und simple Betten.
Die Kontrolleure trugen schwarze Ledermäntel und Pelzmützen und ihr Blick machte deutlich, dass ratsam war ein Ticket zu besitzen.
Ich war begeistert. Das ganze Bild wirkte schon fast zu Klischeebeladen um wahr zu sein. Ich stieg ein und verstaute mein Gepäck unter meinem Bett. Man sah viele Menschen eifrig Waren aus- und einladen. Anscheinend wird die Transmongolische Eisenbahn auch verstärkt als Handelsweg benutzt.
Nach einer halben Stunde fuhren wir los.
Ich teilte meine Kabine mit einer Frau und ihren Kindern. Da die Tochter Englisch verstand, unterhielt man sich ein wenig. Es gab heißes Wasser, mit dem man sich Instantsuppen und Tee machen konnte, die meiste Zeit las ich oder lief durch den Zug und machte Fotos.
Dann meine Grenz-Geschichte: Es war schon spät am Abend und ich ertrug es nicht länger, nicht schlafen zu können bis man nicht die Grenze passiert hat. Endlich hielten wir an, die letzte Stadt vor China, eine Frau lief durch die Abteile,sammelt die Pässe ein und verschwindet. Ich versuche zu lesen, nach einer halben Stunde kommt sie wieder.
»Come with me!«, sagt sie freundlich und bedeutet mir eine Jacke anzuziehen.Ich folge ihr, draußen ist es eisig, solange die Sonne da ist ist es angenehm, aber es ist Nacht und nachts ist es kalt, ganz gleich wie viele Klamotten. Es sind nur wenige Schritte, aber ich trage nur einen Pulli und so spüre ich die warme Luft des Büros mit Erleichterung.
Eine Frau sitzt dort und zeigt auf meinen Pass.
»Re-entry visa!«, sagt sie.
»Yes, It is«, sage ich und zeige ebenfalls auf meinen Pass.
Sie betrachtet mich, als sei ich der letzte Idiot. Ihr Englisch ist brüchig, und um diese Uhrzeit, scheint kaum jemand anderes im Büro zu sein, wir versuchen uns zu verständigen, was mislingt.
Sie tippt eine Weile auf ihr Handy und reicht es mir, plötzlich höre ich eine weitere Frauenstimme, diesmal jedoch in einwandfreiem Deutsch.
Gott, was ich dieser Stimme zu verdanken habe, vermutlich hätte ich nirgendwann diese Stadt verlassen. Wie sich später herausstellte, gehörte sie einer Mitarbeiterin der deutschen Botschaft, die einmal ein Formular mit meinem Namen ausgefüllt hatte, sie war nicht für mich verantwortlich, kannte mich nicht und hatte keine Ahnung woher die Grenzbehörde ihre Nummer hatte, aber sie half mir.
Sie übersetzt für mich, anscheinend benötige ich ein Schreiben der Schule, ich renne wieder zu meinem Gepäck um meinen Laptop zu holen, auf dem ich den Wisch vermute. Diesmal friere ich nicht, weil aufgeregt.
– Schwachsinnig eigentlich, was hatte ich denn Angst zu verpassen, was sollte ich denn in China mehr erleben, als an dieser Grenze?
Jedenfalls hole ich mein Gepäck und suche die Datei, natürlich ist es die falsche.
Die Stimme sagt mir, die Behörde schließe bald und könne ohne das Schreiben nichts tun, ich protestiere, verstehe nicht was das Problem ist. Ich habe in Deutschland ein multiple-entry Visum erhalten und was hat meine Schule mit dem Ganzen zu tun?
Ich speichere die Nummer der Stimme als „the dark knight“ in mein Handy ein – der unbekannte Retter aus der Dunkelheit erschien mir passend.
Schließlich gebe ich nach, was hätte ich auch anderes tun sollen? Ich raffe mein Gepäck und suche mir das nächste Hotel.
Keine zehn Meter werde ich fündig, wütend beziehe ich mein Zimmer und frage an der Rezeption nach einem Restaurant in der Nähe.
Als ich die Tür öffne, ist das Bahngleis leer.
Der Zug fährt weiter, ohne mich.


