Website-Icon STORIES FROM THE JUNGLE

Kleiner Aprilscherz!

Für die schätzungsweise null Leser*innen, die sich vielleicht gefragt haben, was in der Zwischenzeit so passiert ist, wie es mir ergeht, ob ich gut angekommen bin und warum ich so lange nichts mehr geschrieben habe. Einen kulturweit-Blog verspricht sie uns, und dann endet er mit guten Wünschen der Vorgängerin, endet an der Stelle, wo es erst anfängt, richtig interessant zu werden!

Tja, das hat folgenden Grund: Mein kulturweit ist geendet an der Stelle, wo es anfing, erst richtig interessant zu werden. Und zwar mit folgender eMail:

Sent: Thu 12.3.2020 10:33
From: freiwillige@kulturweit.de
Betreff: Sofortiger Stopp aller kulturweit-Ausreisen

Liebe Freiwillige,

angesichts der stetigen Verschärfung der Situation haben wir gemeinsam mit den Partner und dem Auswärtigen Amt die Entscheidung getroffen, alle Ausreisen sofort abzusagen.

Bitte sagen Sie sofort alle Reisepläne ab. Wenn Sie bereits losgefahren sind, kehren Sie um.

Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen, allerdings ist sie im Moment die einzig verantwortliche für alle Betroffenen: für Sie, die Einsatzstellen und Ihre Gastländer. Die Situation in den vergangenen Tagen hat sich so unübersichtlich entwickelt – Schulschließungen, Einreisesperren, Flugabsagen, unklaren Quarantäneregelungen etc., dass wir uns zu diesem Schritt entscheiden mussten.

Wir informieren die Partner und die Einsatzstellen.

Mehr Informationen folgen, bitte warten Sie mit Rückfragen. Alle Freiwilligen die bereits im Ausland sind, werden wir in Kürze kontaktieren.
In Anbetracht der volatilen weltweiten Gesamtsituation gibt es keine andere Möglichkeit.

Mit vielen Grüßen & Bleiben Sie gesund
Anna Veigel und das kulturweit-Team

Um es nochmal sehr deutlich zu machen (und auch für mich selber, da ich es nach vier Wochen immer noch nicht ganz durchdrungen habe, weswegen ich auch geflissentlich diesen Blog ignoriert und das dazugehörige Lesezeichen aus meiner Taskleiste gelöscht habe.)
Ich bin nicht in São Paulo.

Ich werde auch nicht hinfahren.
Stattdessen sitze ich in Bremen auf dem Sofa meiner Mama.
Mein kulturweit-Vertrag endet in zehn Tagen. (Und ich kann froh sein, dass sich seit der Absage der ein oder andere Sachverhalt geklärt hat und ich nicht mehr, wie an Tag Null, so ganz ohne Studierendenstatus, Krankenkasse, Kindergeld, Job, Wohnung oder Plan dastehe.)

Ich war genau zwei Monate lang Freiwillige und habe es gerade so eben zum gepackten Koffer und zum leergeräumten Zimmer geschafft. Meine Mutter saß im Zug zu mir nach Hamburg, um mit mir Abschied zu feiern, als ich ihr und all meinen wichtigen Kontakten ohne einen weiteren Kommentar den Screenshot der eMail schickte, woraufhin wir ein laut meinem Telefonprotokoll 30-sekündiges Gespräch führten, das ungefähr so verlief:

„Ich hab gerade eine Nachricht von dir gekriegt, die ist nicht wahr, oder?“
„Doch, fürchte schon.“
„Heißt die das, was ich denke, was sie heißt?“
„Jap, fürchte schon.“
„Ok, ich komm erstmal trotzdem, und dann schauen wir weiter, ok?“
„Jau, bis gleich.“

Seitdem hat sich eine Menge getan. Ein Haufen Pläne wurden geschmiedet und verworfen, unter anderem der, diesen Blog weiterzuführen und ihn zu einem Stattdessen-Blog zu machen. Ich hatte sogar schon ein wahnsinnig originelles Motto: “ Quando se fecha uma porta, abre-se uma janela“, schrieb mir meine Betreuerin beim Goethe-Institut, die zugegebenermaßen sehr lieb ist und es nur gut meinte. Ich habe wohl ein recht sparsames Gesicht gemacht beim Lesen dieser Weisheit, das versprochene Fenster habe ich bislang weder gefunden noch geöffnet.
Dieser Blog aber ist heute mit folgenden Worten zurück ins Leben gerufen worden, die mir einer meiner liebsten kulturweit-Menschen schrieb: „Tut irgendwie gut, sowas zu lesen, auch in dieser schwierigen Zeit (…) Ich freue mich auf deine Berichte:)“ Manchmal braucht es nicht mehr als das.
Und ja, es tut gut, zu wissen, dass 200 andere Menschen in derselben Scheißsituation festsitzen, und es tut unendlich gut, diese Menschen persönlich kennengelernt zu haben, in zehn unvergesslichen Tagen am Werbellinsee beim EInführungsseminar, über das ich eigentlich auch hatte berichten wollen, wäre nicht etwas dazwischengekommen.
Aber jetzt.
Ich werde das Brasilianische Feuilleton weiterführen mit allen Büchern und Filmen, die ich nun mal als Vorbereitung gelesen und geschaut und zu denen ich mir Notizen gemacht und EInträge entworfen habe.
Ich werde von den Menschen beim Einführungsseminar berichten, von meiner geliebten Homezone, von diesen zehn Menschen, ohne die die letzten Wochen noch sehr viel spaßloser und frustrierender gewesen wären, als sie letztendlich waren.
Ich werde von allen Schnapsideen erzählen, die wir uns in der Zwischenzeit als kulturweit-Alternative ausgedacht haben, von unseren Isolations-Breakdowns, von stundenlangen Skype-Gesprächen und Palo-Santo-Gelagen, von to-do-Listen für 2020, bis 2030 und bis zu unserem unvermeidlichen Dahinscheiden (irgendwann in 500 Jahren vielleicht).
Ich werde alle Stadien der Wut, der Resignation und der neuen Hoffnung dokumentieren, die es von uns gibt.

Scheißegal, ob irgendjemand das liest, aber ich brauche was zu tun und einen Raum für Eigentherapie. Und ich freue mich auf die Blogs aller Freiwilligen, die etwas Ähnliches tun, denn, trotz allem – sind wir zum Glück nicht allein!

Soviel zu meinen Plänen und genug für heute. Até já!

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