In meinem Studium hab ich mich schon ein bisschen mit Globalisierung beschäftigt. Es ist damals auch klar geworden, dass Globalisierung nicht seit zehn, zwanzig oder hundert Jahren existiert. Hier also etwas Lyrisches, dass ein sehr Deutscher verfasste. Nicht im 21., sondern im 19. Jahrhundert:
Wer sich selbst und andre kennt,
Wir auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.
Sinnig zwischen beiden Welten
Sich zu wiegen, lass ich gelten.
Also zwischen Osten und Westen
Sich bewegen, sei’s zum besten.
Der gute Goethe wusste das schon in seinem west-östlichen Divan zu dokumentieren. In dieser Version habe ich das Gedicht in einem sehr guten Kinderbuch von Susanne Hornfeck: „Ina aus China“, in dem es um ein chinesisches Mädchen in den 30er und 40er Jahren geht, die aus Shanghai nach Berlin flüchtet. Das Buch gibt sehr gute Einblicke in das Deutschland der damaligen Zeit!
Ohne Bodenkontakt
Heute ist Sonntag und ich habe einen kleinen Kater, der die Gedanken vermaunzt. Warum? Ich habe gestern Abend vorgeglüht, eine sehr deutsche Sitte. War ja auch bei Deutschen feiern. Die ich allerdings nicht kannte. Sondern nur die Italiener, die mit mir zusammen im Chinesisch-Kurs sitzen. Bei den beiden Deutschen trafen wir noch auf einen Norweger. Klassisch fing der Abend mit Bier an; Budweiser. Aber keine Ahnung, ob es aus CZ oder USA kam. Angestoßen wurde mit chinesischem Bier, das aus einer Stadt kommt, die die einzige ehemalige deutschen Kolonie war – behauptet auch nach dt. Brautradition hergestellt zu sein. Dann stand plötzlich „snaps“ auf dem Tisch: ein Akavavit, gekauft bei Ikea, made in Sweden. Als Antwort auf das „Skol“ kam ein „Chin Chin“ zurück. Zwei Franzosen gossen kräftig mit russischem Vodka und Cola nach. Nach dem amerikanischen Beer Pong ging es schließlich raus, wir wollten in die Stadt. Kamen wir da an? Ja, aber nur weil der Norweger die chinesische Adresse auf dem Smartphone parat hatte. Sonst konnte ja niemand die lokale Sprache, um dem Taxifahrer die Richtung anzusagen…
Situationen, in denen ich nicht weiß, wo ich bin.
…. Drei Chinesinnen im Carrefour-Hyper-Supermarkt, zwischen Bügeln und Tuberware. Spricht mich die Erste auf Chinesisch an – ich schüttel den Kopf. Nach einer Weile fragt sie mich: „Do you speak English?“ – „A little.“ (Vorsicht walten lassen!). Die Wortführerin dreht sich zu dem schlanken zweiten Mädchen, Kichern. „Where are you from?“, fragt die Erste. „From Germany.“ – „Ahaaah!“, erwidern alle im Chor und nicken mit ihren Köpfen, typisch chinesisch, um Verstehen auszudrücken. Schließlich fasst sich die Sprecherin ein Herz: „Do you believe in God?“WHAT?! „Eh…. dunno…“, murmel ich in mich hinein, völlig überrumpelt und keine Ahnung, was der professionelle Kulturweitler an dieser Stelle zu sagen hätte. Das schlanke Mädchen lächelt die anderen an. „Have your read the bible?“ – „Eh… dunno…“ Ich guck sie wie die Mondkälber an, zucke mit den Schuldern – „Tzai jian…“ (Tschüss) füge ich schnell hinzu und rette mich zwischen die Waschmittelregale. Plötzlich muss ich lachen – und hätte gern noch gewusst, ob mich gerade Scientology oder die Zeugen Jehovas im Supermarkt bekehren wollten.