Wochenende am Wochenanfang

Warme Sonne, lachende Menschen und blühende Bäume –  klingt vielleicht kitschig? Aber genau das habe ich gehört, als ich am Sonntag mein Gesicht dem Himmel entgegen streckte und tief einatmete. Wir waren im Century Park, meine Mitbewohnerinnen und ich. Er ist der größte in Shanghai und daher verlaufen sich die vielen Besucher, die der Stadt entfliehen wollen. Der Picknick-Plan stand schon eine ganze Weile und bei gediegenen 26° Grad Celsius zogen wir los, bepackt mit Decke und selbst gekochten Essen. Ich hatte die Ehre, einen Kartoffelsalat zu zubereiten, Beverly versuchte sich an Meatballs, kleinen Fleischklößchen und Eve kreierte eine Art Spaghetti-Omelett sowie ihr brasilianischen Lieblingsnachtisch, Brigadeiro. Es wird aus süßer Kondensmilch und mit ganz viel Kakaopuder zubereitet. Normalerweise werden daraus wohl kleine Kugeln geformt, in denen sich noch Bananen- oder Erbeerstückchen verstecken. Aber wir hatten einfach nur die Creme, was dem Geschmack nichts abtat.

Familienausflug

Viele gepflegte Parks sind kostenpflichtig, umgerechnet war der Eintritt am Sonntag etwa einen Euro. Andernorts habe ich auch schon mehr gezahlt, dort konnte man auch einen Tempel und eine Pagode besichtigen. Gestern habe ich mich noch darüber aufgeregt, dass solch vermeintlich öffentliche Plätze kapitalisiert werden. Heute habe ich erfahren, dass in meiner Heimatstadt Dresden für den Park zum Pillnitzer Schloss auch Eintritt verlangt. Im Century Park erwarteten uns nicht nur gepflegtes Gras und ein großer angelegter See, sondern auch wunderbar blühende Bäume. Die müssen allerdings erst vor kurzem eingepflanzt worden sein; viele standen in einem Haufen frisch angehäufter Erde. Die Familien und Pärchen genossen mit uns das Wetter. Manche fanden unser Picknick sehr erstaunlich – den Blicken nach zu urteilen. Drachensteigen und Fahrradfahren sind die Hobbies Nummer Eins, Photographieren und Schlafen rangieren auf den dahinter liegenden Plätzen der Beliebtheitsskala. Sehr interesssant dabei: Oft gab es Großeltern, mehrere, jüngere Eltern und Onkel sowie Tanten, aber maximal zwei Kinder. Dabei gibt es inzwischen Lockerungen in der Ein-Kind-Politik, denn wenn der Vater und die Mutter Einzelkinder sind, dürfen sie zwei Kinder haben. Das trifft nicht auf jeden zu, weil manche Familien die Erlaubnis erhielten, schon in der jetzigen Elterngeneration noch ein zweites Kind zu bekommen. Resultat? Die jetzigen Kinder werden als „kleine Schneeflocken“ bezeichnet, die sich noch nicht ein Mal die Schuhe binden können. Ihre Eltern hingegen sind die verhätschelten „kleinen Kaiser“, die alles bekommen durften. Die Schneeflocken-Kinder leiden aber in der Hinsicht, dass ihnen kaum etwas erlaubt wird. So hat eine Freundin von mir nie Schwimmen gelernt, weil ihre Mutter Angst hat, dass ihre Tochter ertrinkt – obwohl sie am Meer wohnen! Die Logik ist so verwirrend, weil man ja meinen könnte, dass die Mutter nun erst recht Angst hat, weil die Tochter -selbst wenn sie ins Wasser fällt- sich noch nicht mal selbst retten könnte. Eine weitere Theorie von der gleichen Freundin ist, dass aufgrund dieser Ängste China so schlecht im Fußball ist. Denn: Die Eltern lassen ihre KInder nicht mehr Fußball spielen, weil ihnen etwas passieren könnte. So fehlt der Nachwuchs für die Nationalmannschaft 🙂 Dieser Taxifahrer hat anscheinend sehr wohl Schwimmen lernen dürfen, wie das Video des Guardians zeigt. Nettes Detail: Auch in den Parks gibt es überall öffentliche Toiletten, die funktionieren und sauber gehalten werden.

Arrangierter Feiertag

Heute ist nun Montag und ich habe einen freien Tag. Für viele Chinesen ist heute eigentlich Samstag, morgen Sonntag und am Mittwoch der Feiertag, dafür haben sie gestern und vorgestern regulär gearbeitet. Sehr smart, weil somit aus einer zerhackten Woche drei Tage kontinuierlich frei genommen werden. Für viele Ausländer ist es dennoch verwirrend, weil sich alles verschiebt. Am Mittwoch ist nun „Tomb Sweeping Day“, an dem die Ahnen geehrt werden und die Familie zusammen kommt. Sie pflegen die Gräber und bringen Gaben wie Papiergeld, Handys und Autos mit, die sie dort verbrennen. Anschließend essen sie dort oder in der Nähe gelegenen Parks, um eine Art Familienreunion zu feiern. Ich habe den heutigen Tag zum Ausschlafen gegönnt, Kenner wissen, dass das bei mir lange dauern kann 😉 Anschließend war ich auf der Jagd nach Postkarten, kein einfaches Unterfangen in Shanghai. Später erfuhr ich, dass Postkarten wohl eher eine deutsche Kultur seien. Eve meinte, in Brasilien würden hauptsächlich ältere Leute Ansichtskarten verschicken und Beverly hat bisher keine einzige in die Phillipinien geschickt. Im touristischsten Fleck, Xintiandi, wurde ich fündig. Dort fand ich nicht nur Ansichtskarten und das Museum für die erste Sitzung des Nationalkomitees der chinesischen KP. Das Viertel, das extra für Touristen im Stil der alten chinesischen Städte aufgebaut wurde, beherbergt viele teure Restaurants, auch einen Paulaner! Zwei Minuten später stand ich in der gewohnten Umgebung riesiger Hochhäuser, Apple Stores und Luis-Vuitton-Läden und verdrückte mich zusammen mit einer anderen, deutschen Freiwilligen in den People’s Square Park. Letzte Woche hatte ich hier den Match-Making-Market erleben dürfen. Zusammen mit Eve hatte ich die vielen Anzeigen bestaunt, die links und rechts hingen, oder auf Regenschirmen lagen. Darauf stand auf Chinesisch die Eckdaten der Söhne und Töchter, deren Eltern auf der Suche nach dem passenden Dating-Partner waren: Größe, Einkommen, Auto oder nicht, Wohnung in Shanghai, Ausbildung. Am Ende kommen aber keine arrangierten Ehen und gekaufte Bräute dabei heraus, sondern Dates. Inzwischen sind viele Chinesinnen sehr anspruchsvoll, was den Partner betrifft, und ab und zu verschulden sich Familien, nur damit ihre Söhne eine Frau finden können! Ich hingegen verlor Eve zwei Mal aus den Augen und stand kurz allein in der Menge. In diesen Augenblicken kamen eine Mutter bzw. ein Vater auf mich zu und zupften mich am Ärmel. Ich ergriff die Flucht und zupfte Eve am Ärmel, das war etwas zu viel des Guten.

Im People’s Square Park gibt es auch ein Museum, auf dessen Dach ein Kaffee gelegen ist. Pünktlich zur Happy Hour kamen Johanna, die andere Freiwillige, und ich dort an und genossen die Aussicht plus einen leckeren Cocktail. Es war dann auch Johanna, die mir von den politischen Vorgängen erzählte, die zurzeit in Peking stattfinden. Dazu aber ein andermal, morgen ist zwar für Chinesen Sonntag, für mich aber nur ein regulärer, arbeitsreicher (yeah?!) Dienstag.

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