Vom Zeitreisen und dem Wilden Westen

Seid gegrüßt, liebe Leser!

Zuerst einmal muss ich einen großen Fehler aus dem letzten Eintrag verbessern: Ich bin mitlterweile zwar drei Sonntage, aber (jetzt) gerade mal zweieinhalb anstatt drei Wochen hier.

Und jetzt geht´s los:

Ich bin zu tiefst schockiert! Jeder Slowene, mit dem ich bisher geredet habe, hat mich angeflunkert! Immer wenn die Frage aufkam, wie ich mich denn hier fortbewegen würde und ich antwortete, dass ich bei längeren Distanzen mit dem Zug fahren würde, war die Reaktion eher mitleidig. Es wurde immer gesagt, dass Zug fahren hier eine Qual und langweilig sei, da die Züge so langsam fahren würden.

Und am Sonntag fand ich dann heraus, dass es genau das Gegenteil ist! Gut, die schnellsten Züge sind es dann tatsächlich nicht… Um eine kurze Tempobeschreibung zu geben: Wenn man in Deutschland aus einem fahrenden Zug hinaus sieht, dann sieht man meistens (bei einer Fahrt durch einen Wald) verschwommenes grün. Wenn man hier in Slowenien aus dem Fenster sieht, dann kannst du jedes Blatt zählen… Also allein hier ist Langeweile also schon praktisch ausgeschlossen: Hat man während der Zugfahrt nichts zu tun, dann kontrolliert man eben den Blattbestand im Wald… Oder man winkt den Kindern, die in fünf Meter von den Gleisen entfernt in ihrem Garten spielen. Wohl bemerkt: Eine Abgrenzung zum Zugverkehr gibt es nicht, jeder hat schließlich Augen im Kopf (das war der Kommentar meines Nachbarn!).

Aber im Ganzen ist das Zug fahren hier echt spaßig und ein Erlebnis, dass man einmal in seinem Leben gemacht haben sollte (zumindest, wenn man aus Deutschland kommt).

Mein Zug-Abenteuer fing aber schon weit vor der eigentlichen Zugfahrt an: Da ich nicht genau wusste, wie lange ich zu Fuß von mir Zuhause bis zum Bahnhof brauchen würde, ging ich wirklich früh los. Infolge dessen verbrachte ich eine wirklich spannende halbe Stunde am Bahnhof Crnomelj. Denn der Bahnhof Crnomelj hätte in Deutschland nicht einmal den Namen Bahnhof verdient. Er bestand im großen und ganzen aus einer ausrangierten Deko-Lokomotive, die vor dem Bahnhofsgebäude stand, dem Bahnhofsgebäude selbst mit einem Café drin (das geschlossen war, obwohl auf den Öffnungszeiten stand, dass es offen ist) und den Gleisen. Und meine Freunde, es kommt auf die (fehlenden, wohlgemerkt) Details an! Ich habe weder Elektrizität, die den Zugverkehr regelt, noch Bahnsteige erwähnt. Und das nicht  ohne Grund: Es gab keine!

Mit Eintreten in das Bahnhofsgebäude fühlte ich mich in die 60-er Jahre zurückversetzt.

Zuerst suchte ich vergeblich das gesamte Gelände nach einem Fahrkartenautomaten ab. Und ehrlich gesagt hat es schon ziemlich lange gedauert, bis ich gerafft habe, dass das Leben früher wesentlich kommunikativer und zwischenmenschlicher war. Das nächste Problem war dann aber: Der Schalter, wo man normalerweise die Tickets kauft, war (auch, obwohl die Öffnungszeiten etwas anderes verrieten) geschlossen. Mit der Hilfe einer Dame ging ich dann letztendlich durch die Eintritt-verboten-Tür in das Büro des Bahnhofswärters und kaufte dort meine Karte. Anschließend setzte ich mich draußen auf eine Bank, genoss den Sonnenschein und das Ambiente (so eine Zeitreise mache ich ja schließlich nicht alle Tage).  Und, meine Freunde, falls ihr denkt „Okay, da sitzt das Mädel nicht mal 2000 km von uns entfernt an einem Bahnhof, wo es zwar keinen Bahnsteig aber Bahnhofswärter gibt, die den Zug  mit einer Kelle einwinken und die Tickets persönlich im Büro verkaufen, noch skurriler geht es ja wohl nicht“, tja, dann habt ihr euch geirrt!

Ich sitze also dort auf einer Bank als auf einmal auf der anderen Seite der Gleise ein Cowboy dahergetrabt kommt. – Nein, ich übertreibe nicht und ich male auch nichts aus (genau genommen kürze ich sogar). Ich dachte wirklich ich gucke nicht richtig. Dieser Mann hatte ganz stilecht einen Cowboyhut auf dem Kopf, die Zügel voll mit irgendwelchem Gebamsel und saß in so einem Westernsattel. Und so zuckelte er dann ganz gemütlich mit seinem Pferdchen die Gleise entlang. Genauso, wie ihr vielleicht gerade ausseht, während ihr meinen Blog lest, sah ich auch aus. Ich kann mich wahrscheinlich glücklich schätzen, dass keine Fliege in meinen Mund geflogen ist. Aber anhand der nicht vorhandenen Reaktion der anderen anwesenden Personen (außer mir stiegen noch stolze drei Personen in den Zug ein) konnte ich mir denken, dass diese Szenerie keine unübliche ist. Später, als ich das dann ein paar Jugendlichen, mit denen ich mich in Metlika getroffen hatte, erzählte, meinten sie auch, dass das hier ganz normal sei.

Und spätestens ab diesem Punkt wusste ich, dass ich meine Einsatzstelle hier gegen keine andere, weder in der Karibik noch in Sibirien hergeben würde!

In Metlika (einer kleinen Stadt hier in der Nähe) angekommen traf ich mich dann mit einigen Schülern um mit ihnen ein Handballspiel der örtlichen Mannschaft anzusehen.

Und danach waren wir Pizza essen in der einzigen Pizzeria der Stadt Und dort wurde mir dann auch wieder bewusst, dass Metlika ein Städtchen ist, das zwar keiner kennt, in dem sich aber untereinander jeder kennt. In einem Restaurant versammelten sich am Sonntag Abend der Schulbusfahrer meiner Freunde (die Schüler mit denen ich dort war), ihr Leher von der Grundschule, die zuvor angefeuerte Handballmannschaft, eine weitere Schülerin von mir und drei weitere Freunde meiner Begleiter. Ich bezweifle, dass in diesem Restaurant jemand saß, der völlig unbekannt war!

 

So, das war alles, was ich über den Sonntag zu berichten habe.

Heute wurden die DSD- Zeugnisse (Deutsches SprachDiplom) an die Schüler, die diese Prüfung letztes Jahr bestanden, verliehen. Diese Zeugnisse ermöglichen es den Schülern, in Deutschland zu studieren.

Im Rahmen dieser Verleihung kam auch der stellvertretende Botschafter aus Ljubljana zu uns an die Schule! Ich muss sagen, dass ich tatsächlich positiv überrascht bin, wie sehr Deutschland sich im Ausland engagiert, um das Interesse junger Leute an unserer Sprache und Kultur zu wecken. Schön war auch, dass der Herr Botschafter als Repräsentant Deutschlands dann sogar noch mit einem markanten Stereotypen brechen konnte: Statt um 14.00 Uhr kam er mit zusammen mit der Kulturreferentin um ca. 14.15 Uhr an. So viel dazu, die Deutschen seien immer pünktlich!

Also Spaß bei Seite, ich bin echt schwer begeistert, wie viel den Jugendlichen hier im Rahmen der Interkulturalität und der Mehrsprachigkeit geboten wird!

 

So. Damit wäre ich dann für heute fertig mit meiner Berichterstattung. Und mit Stolz betone ich, dass ich nicht nur nichts über Essen oder Einkaufen geschrieben habe, sondern sogar tatsächlich über Slowenien und die slowenische Kultur berichtet habe!

Langsam kommt die Sache hier also ins Rollen! (…aber andererseits muss ich nächste Woche wieder einkaufen und wer weiß, vielleicht  treffe ich dann ja auf Indianer und Cowboys!)

Also, ich wünsche liebe Grüße aus dem scheinbar coolsten Ort der Welt !

 

 

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