Während meines Aufenthalts im peruanischen Regenwald bei Iquitos bin ich zusammen mit zwei Freunden selbst in den Genuss einer Ayahuasca-Zeremonie gekommen und möchte mit diesem Erfahrungsbericht einige Vorurteile aus dem Weg räumen und dabei offene Fragen beantworten: Was ist Ayahuasca? Wie läuft die begleitende Zeremonie ab? Wie habe ich den Rausch wirklich erfahren? Und was musst DU beachten, wenn Du selbst überlegst, Ayahuasca auszuprobieren?
Droge oder Medizin – Was ist Ayahuasca und wie wird es benutzt?
Die Substanz Ayahuasca ist ein bräunlicher Pflanzensud, der aus dem Saft der Ayahuasca-Pflanze, sowie einer Mischung regionaler Lianen, Sträucher und anderer Pflanzen des lateinamerikanischen Regenwalds gewonnen wird. Mehrere Liter Flüssigkeit werden hier im Laufe mehrerer Tage über dem Feuer zu einem starken Konzentrat eingekocht, das dann für Zeremonien und Rituale verschiedener Amazonas-Ethnien benutzt wird.
Trotzdem muss man wissen, dass Ayahuasca nach wie vor in eine Grauzone fällt und man vorsichtig sein muss, in welchem Kontext man es einnimmt. Denn außerhalb der Amazonas-Region ist das Getränk natürlich vor allem für seine starke Rauschwirkung bekannt, und es existieren die wildesten Theorien über die Effekte, Stärke und nötige Vorbereitung auf das Einnehmen des allgemein immer noch als „Droge“ anerkannten Gebräus.
Aber es ist wohl hilfreich zu wissen, dass man normalerweise keine Konsequenzen zu befürchten hat, wenn es nach der nationalen Gesetzeslage der Amazonas-Region geht. Diese geht nämlich normalerweise sehr hart mit Touristen ins Gericht, die wegen Drogenmissbrauch festgenommen werden. Der Konsum von Ayahuasca fällt aber (zum Zeitpunkt dieses Artikels) eben NICHT darunter.
Abgesehen von der juristischen Seite gelten auch in der Verwendung ähnliche Regeln wie bei anderen halluzinogenen Drogen: es ist nicht ratsam, Ayahuasca in Verbindung mit anderen Substanzen einzunehmen und selbst bei sachgemäßer Anwendung ist es leider möglich (wenn auch seltener), Horrortrips zu erleiden. Dies passiert insbesondere dann, wenn man bereits vor Einnahme psychisch nicht ausgewogen ist. Übermäßige Nervosität ist zum Beispiel der beste Weg zu einer negativen Erfahrung der Zeremonie. Und hier spielt das Vertrauen in den Schamanen eine extrem wichtige Rolle – dazu aber gleich mehr.
Zunächst aber soll es um meinen Erfahrungsbericht gehen:
Im Bann der Naturgeister – Was passiert während des Ayahuasca-Rituals?
Wir erklärten uns also in einer Dreiergruppe dazu bereit, ein Ayahuasca-Ritual zu durchleben, um auch als Selbstbestätigung unsere eigenen Vorurteile gegen diesen uralten Brauch auszuräumen. So besuchte uns am nächsten Tag der lokale Schamane, der sich auch nochmal viel Zeit nahm, uns gut zuzureden. Denn auch, wenn wir die Entscheidung recht guten Gewissens getroffen hatten, konnten wir eine gewisse Nervosität nach wie vor nicht verbergen. So war es toll, den Ablauf der Zeremonie vom Schamanen selbst beschrieben zu bekommen und seinen spannenden Erzählungen zu lauschen, wie seine jahrelange, extrem harte Ausbildung zum Schamanen aussah. Durch seine Ausführungen wussten wir, was auf uns zukam und gewannen mit jeder Minute mehr Vertrauen in sein Handwerk und seine Authentizität. Denn die letztendlich größte Gefahr bei einer Ayahuasca-Zeremonie ist und bleibt, an einen Schamanen zu geraten, der entweder nicht weiß, was er tut, oder gar bösartige Absichten verfolgt. Es sind eben diese Schamanen, die die Ayahuasca-Substanz falsch zubereiten und/oder anwenden und somit in der Lage sind, die Teilnehmer „spirituell zu töten“, wie es uns unser Schamane erklärte. Und eben solche Situationen sind es, in denen Schamanen in fahrlässig großen Gruppen unwissender Touristen etwas zulassen, wie die Tragödie des kanadischen Jugendlichen.
Vertrauen in den Schamanen ist das A und O, und wir hatten Vertrauen – trotz, oder vielleicht gerade wegen seines unorthodoxen Auftretens: ein lockeres Hemd, aus dem der Bierbauch rausguckte, Jeans, Nike-Sneaker, den Pflanzensud abgefüllt in alte PET-Flaschen. Instinktiv würde man bei diesem Bild vielleicht die Seriosität des Schamanen hinterfragen. Je länger wir aber darüber nachdachten, desto klarer wurde uns, dass ein solch lockerer Umgang mit der Prozedur die bessere Variante ist, als einen Schamanen zu haben, der sich zwecks Unterhaltung der Touristen in ein Kostüm wirft. Wir wollten lieber eine richtige Zeremonie, keine Show ohne Substanz dahinter!
Und dann ging es irgendwann los: relativ unspektakulär wurde eine kleine handgemachte Schale mit ca. 100ml der bräunlichen Flüssigkeit gefüllt, die jeder von uns nacheinander in einem Zug leerte. Der Geschmack war, wie zu erwarten, eher weniger rosig, aber auch nicht fürchterlich: mit einem eher bitteren, erdigen Geschmack erinnerte die Substanz an einen pflanzlichen Hustensaft.
Und dann hieß es warten auf die ersten Effekte. Dazu gehört in der Regel auch die einzig quasi garantierte Nebenwirkung des Ayahuascas: das Erbrechen… Ja, man muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass das Ayahuasca einem höchstwahrscheinlich den Magen umdrehen wird, weswegen auch jeder von uns seinen persönlichen Plastikeimer vor sich stehen hatte. Das gehört aber nun einmal zu der reinigenden Wirkung des Konzentrats und verdirbt einem nur am Anfang den Spaß an der Sache. Nach etwa 30 Minuten sollte dieser unangenehme Teil weitestgehend vorüber und keine weiteren Nebenwirkungen zu erwarten sein. Ich hatte sogar das Glück, mich gar nicht übergeben zu müssen, was wohl auch vorkommen kann, wenn man einen etwas stärkeren Magen besitzt. Dennoch sollte man wie gesagt mit dem Regelfall des „Brech-Zyklus“ rechnen, so wie ohne meine beiden Zeremonie-Partner erlebten.
Nach besagten 30-40 Minuten begannen dann die ersten halluzinogenen Wirkungen.
Ich kann und werde natürlich primär von meinen Erfahrungen berichten. Dennoch war es im anschließenden Austausch mit den anderen Teilnehmern der Zeremonie faszinierend zu erfahren, wie ähnlich unsere Sinneseindrücke doch waren. Natürlich variierten die konkreten Visionen, die sich vor uns abspielten, aber der Verlauf und das Grundgerüst war an vielen Stellen fast deckungsgleich.
Trotz der Intensität der Eindrücke ist die Einschränkung der sinnlichen Wahrnehmung und motorischen Fähigkeiten nicht vergleichbar mit etwa Alkohol. Das, was sich vor offenen, wie geschlossenen Augen abspielt, sind ohne Frage sehr intensive Halluzinationen. Gleichzeitig aber ist man sich zu einem fast nüchternen Maße bewusst, an welchem Ort und in welchem Zustand man sich befindet. Die Sprachfähigkeit bleibt erhalten und die Feinmotorik ist nur wenig eingeschränkt, was wir vor allem erst dann bemerkten, als wir gegen Ende der Zeremonie aufstanden. Den Rausch insgesamt habe ich entsprechend weniger als „Betäubung“, sondern viel mehr als Bewusstseinserweiterung wahrgenommen. Dies kann aber natürlich auch gut auf die geringe Dosis zurückzuführen sein, die wir uns verabreichten.
An dieser Stelle möchte ich nochmal aus meinem Kopf herausgehen und beschreiben, wie die Zeremonie von Seiten des Schamanen abläuft:
Ich habe bereits ein paar mal die zentrale Rolle des Schamanen erwähnt, und diese geht auch weit über die reine Vorbereitung und Verabreichung der Substanz hinaus! Er selbst nimmt ebenfalls eine kleinere Portion des Ayahuascas, und während er den Raum mit dem Rauch seiner Zigaretten aus regionalem Tabak beweihräuchert, wiederholt der Schamane während der gesamten ca. 3-4 Stunden des Rituals denselben Gesang. Die gespenstisch anmaßenden Strophen (die ihr hier in einem Elektrosong verarbeitet hören könnt) bilden dabei für die Teilnehmer der Zeremonie eine Art „Anker“ in der Realität. Sobald man das Gefühl hat, zu intensiv in den Visionen zu versinken, muss man sich nur auf die Stimme des Schamanen und den Gleichtakt des kleinen Pflanzenschlägels fokussieren, mit dem er als Begleitung auf die Holzplanken der Hütte klopft. Wenn einem die innere Unruhe auch nach außen anzusehen ist, so kommt der Schamane sogar von selbst zu einem und versucht, mit Klopfen auf den Kopf und dem Einhüllen in den Rauch seiner Zigaretten die bösen Geister zu vertreiben.
Besonders spannend wurde es aber in dem Moment, in dem ich merkte, dass ich nicht nur einer Art „Tagtraum“ unterlag, sondern meine Gedankenreise aufs höchste steuerbar war. Die darauf folgende Phase kann ich nur mit dem vergleichen, was mir einige über das luzide Träumen berichtet haben. Nur mit Gedankenkraft tauchte ich ab in Unterwasserwelten, konnte mich durch das Drehen meines Kopfes in der realen Welt auch in meiner Vision in den Säulengängen von Atlantis umsehen.
Um die Grenzen der Vorstellungen auszutesten, fing ich irgendwann an, mit dem Konzept von Zeit zu spielen. Die Zeitreise begann zunächst entlang eines Zeitstrahls, aber schnell setzte sich eine ganz andere Visualisierung von Zeit durch: ich begann, Zeitpunkte als Orte wahrzunehmen. Ich schaute über eine endlose Karte, auf der jeder Moment seine eigenen Koordinaten hatte. Ich war in der Lage, mich in der Zeit vor und zurück, rechts und links zu bewegen, wie ich es nur vom Räumlichen kannte. Mein Weg führte mich dabei zum Beispiel hinter eine schwere Bunkertür, die aufschwang und die letzten Momente offenbarte, die Adolf Hitler vor seinem Selbstmord in seinem Bunker verbrachte.
Nach einiger Zeit, die ich lediglich grob auf 3-4 Stunden zu schätzen vermag, stoppte der Schamane seine Gesänge und erklärte damit die Zeremonie für beendet. Wir befanden uns immer noch unter Resteinfluss, aber spürten auch, wie erschöpft unsere Körper von der Gedankenreise waren. So begaben wir uns, zwar nicht torkelnd, aber sehr langsam und mit leicht zittrigen Knien, in unsere Schlafhütten, in denen wir den Rest der Nacht tief schliefen und am nächsten Morgen katerfrei, aber natürlich mit hohem Gesprächsbedarf, aufwachten.
Was mir am meisten in Erinnerung geblieben sind, waren nicht die photorealistischen Bilder, die zwar beeindruckend real, aber trotzdem eindeutig von mir selbst projizierten waren. Es war die Fähigkeit, zu reisen wohin ich will, und dabei auch Konzepte wie Zeit zu ergründen, die eigentlich manifestiert zu sein schienen. DAS war definitiv die unglaublichste Erfahrung von Spiritualität und Transzendenz, die ich je gemacht habe. Auch, wenn mich persönlich dieses Experiment nicht dazu gebracht hat, von nun an Pflanzengötter anzubeten, so wundert es mich nach dieser Erfahrung trotzdem nicht, welche Bedeutung die Einheimischen der Region diesem Getränk zusprechen.
Und jetzt ihr – Was gilt es zu beachten?
Aber ich bin dennoch stolz, dieses eine Mal den gefürchteten Sud bezwungen zu haben und dabei nicht mit einem Horrortrip, sondern einer extrem positiven, bereichernden Sinneserfahrung zurück geblieben zu sein. Somit kann ich es verstehen, wenn der ein oder andere, der den Artikel bis hierhin verfolgt hat, ein gewisses Interesse daran hegt, Ayahuasca selbst einmal auszuprobieren.
Was waren also die für mein geglücktes Experiment relevanten Rahmenbedingungen?
- Seid euch eurer Rechte bewusst
Sich nicht mit der Angst vor rechtlichen Folgen beschäftigen zu müssen, ist ein großer Gewinn. Nehmt Ayahuasca nur dort ein, wo es von der Strafverfolgung ausgeschlossen ist! - Nehmt in einer kleinen Gruppe unter Bekannten teil
Ihr solltet mindestens eine Vertrauensperson innerhalb der Gruppe haben, die ihr kennt und schätzt. Auch wenn ihr euch während des Rausches wenig austauschen werdet, so gilt es, mögliche Faktoren der Nervosität & Unsicherheit im Vornherein zu reduzieren, um einem Horrortrip vorzubeugen. Eine psychische Unausgewogenheit ist, wie bereits erwähnt, einer der größten Faktoren, die zu einer schlechten Erfahrung bei vielen Substanzen führen können. Außerdem ist es natürlich besonders schön, auch im Nachhinein ungehemmt im Gespräch das Erlebte verarbeiten zu können. - Setzt euch intensiv mit der Materie auseinander
Mit diesem Artikel habe ich mein Bestes gegeben, eine gute informative Grundlage zu schaffen. Nehmt mich jedoch nicht als einzige Quelle! Abgesehen von den wachsenden Informationen, die es online gibt, unterhaltet ihr euch am besten mit jemandem vor Ort. Idealerweise ist es der Schamane selbste, der euch mit der Prozedur näher vertraut macht. - Unternehmt KEINE (!) besonderen Vorbereitungen
Es kursieren einige Legenden, nach denen man sich mehrere Tage vor der Prozedur schon aushungern, das Immunsystem abschwächen, oder anderes tun muss, um die reinigende Wirkung zu amplifizieren. Lasst es euch von mir gesagt sein: KEINE dieser Maßnahmen sind für die Zeremonie notwendig, wahrscheinlich noch nicht mal ratsam. Stattdessen: gesund sein, gegessen haben und im Vorfeld nüchtern bleiben – so hat es bei mir geklappt. - Haltet Verhaltensregeln ein, die bei anderen Substanzen auch üblich sind
Insbesondere die Einnahme mit anderen Drogen zusammen ist natürlich nicht ratsam! - Und das ALLER wichtigste: entwickelt Vertrauen in den Schamanen
Je unauthentischer, desto besser… Schamanen, die sich in Kostüme werfen, sind meist die schlechteste Wahl. Je weniger touristisch und je persönlicher eure Tour, desto größer die Wahrscheinlichkeit, an einen richtigen Schamanen zu gelangen. Ein solcher hat eine jahrelange spirituelle Ausbildung hinter sich, von der er euch gerne erzählt! Sucht im Vornherein schon Kontakt zu ihm, lasst euch von seinen Geschichten berieseln und gewinnt ein Sympathie-Gefühl für seine Person. Letztlich ist es einzig der Schamane, der als zentraler Begleiter der Zeremonie deren Verlauf und Ausgang bestimmt. Solltet ihr tatsächliche Zweifel an seinen Absichten haben, hört auf euer Bauchgefühl! Zu einer Entscheidung für Ayahuasca sollte euch keiner zwingen wollen.
Ein paar abschließende Worte
Die Ayahuasca-Zeremonie und der dazugehörige Rausch waren eine extrem einschneidende Erfahrung. Ich hatte das Glück, mit minimalen Nebenwirkungen eine meditative Reise der besonderen Art zu unternehmen und dabei einige Schranken und Vorurteile im Kopf auszuräumen. Diese rein positive Erfahrung war für mich ein perfekter Abschluss einer sowieso unglaublich vibranten Reiseerfahrung am Amazonas und ein extrem spannendes Thema, um darüber ein paar Worte zu verlieren. Ich glaube, dass Ayahuasca zu Unrecht verteufelt wird und würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass der Pflanzensud wahrscheinlich wesentlich weniger Risiken birgt, als viele andere (besonders chemische) Stoffe.
Allein deswegen wollte ich meine Geschichte mit dem Rest der Welt teilen und hoffe, dass ich zum Informationsreichtum rund um Ayahuasca beitrage und anderen bei ihrer Entscheidung für oder gegen die Substanz helfe.
Trotz allem: better safe than sorry! Lasst euch zu nichts drängen und gebt euch im Zweifel mit dem Gedanken zufrieden, über das Thema ein bisschen besser Bescheid zu wissen, auch ohne euch selbst einer eventuellen Restgefahr ausgesetzt zu haben. Auch ich werde ziemlich sicher kein zweites Mal zur Schale greifen…
Vielen Dank fürs Lesen und checkt gerne den Rest des Blogs aus – darunter auch einige bewegte Bilder von Peru und meinen Reisen.