Szenen aus der bolivianischen Polizeiwache. Ein Einakter.

2015-10-16 18.15.10

Wir befinden uns auf einer bolivianischen Polizeiwachen, irgendwo in einer versteckten Ecke der Stadt.

Charaktere: ein Exil-Kubaner, ein Polizist mit Anglermütze, eine Polizistin mit Anglermütze, ein weiterer Polizist (höheren Ranges), ein Lieferant, ein Exil-Kubaner, ein junger Mann in Alltagskleidung, ein junger Herr im Anzug, ich.

Akt 1, Szene 1

Zwei Polizisten mit Anglermütze befinden sich an ihrem Arbeitsplatz – einem Schreibtisch am Empfang einer kleinen Polizeiwache irgendwo in La Paz. Ein exilierter Kubaner, der nun in Miami lebt sitzt auf der Bank und wartet. Auftritt: Ich.

Ich setze mich zu ihm auf die Wartebank.
Kubaner: „Na, wollen Sie auch reisen?“
Ich: „Nein. Ich bin bereits gereist. Aus Deutschland hierher.“
Kubaner: „Ah! Deutschland ist schön.“
Ich: „Haben Sie denn vor zu reisen?“
Kubaner: „Nein, ich habe nur meinen Freund auf die Wache begleitet. Er will reisen.“
Da erscheint besagter Freund. Er trägt eine Baseballcap mit den Buchstaben „NY“ aufgestickt und einen Alpacawollpulli. Komm ist er da, dreht er sich wieder um und kehrt in den Raum zurück, von dem er kam.
Kubaner: „Er lässt seine Sachen immer überall liegen…“
Kurz darauf kommt sein Freund wieder aus dem Raum und sie verlassen beide die Polizeiwache.

Akt 1, Szene 2

Der Polizist mit Anglermütze beginnt genüsslich zu lachen, während er in einem 30*30cm Fernseher dem gräulichen  Bild – nicht schwarz-weiß, aber auch nicht in Farbe – eines Slapstick-Komikers zuschaut. Ohne zu wissen, dass er mit seinem militärfarbenen Anglerhut und seinem karikaturesken Gesicht gar selbst eine lustige Figur abgibt.

Akt 1, Szene 3

Auftritt: ein Lieferant
Er betritt den Raum und reicht der Polizistin am Empfang (mit militärfarbenen Anglerhut) eine graue befüllte Plastiktüte. Der lustig aussehende Polizist mit Anglerhut möchte gleich etwas vom Tüteninhalt abhaben. Der Lieferant nennt im Herausgehen noch den Preis von 2 Bolivianos, begleitet von der Info, dass er auf dem Parkplatz warten wird. Schnell wird klar: Es handelt sich um Kokablätter. Denn bereits wenig später fangen beide Polizisten genüsslich an, die Blätter zu kauen. Ihre Wangen werden immer dicker. Schon bald sitzen zwei Polizisten mit Anglerhut und Hamsterbacken am Empfang.

Akt 1, Szene 4

Auftritt: ein junger Mann in Alltagskleidung
Er möchte sein Führungszeugnis beantragen.
Polizistin mit Anglerhut: „Aber du warst doch schon hier!“
Junger Mann: „Nein, zum ersten Mal.“
Polizistin mit Anglerhut: „Ich hätte schwören können… naja, zeig mal her, was du mitgebracht hast, Freundchen! … Oh! Jamil, was für ein schöner Name. Hier fehlt aber noch eine Kopie von diesem Zettel.
Junger Mann: „Wo kann ich denn hier kopieren?“
Polizistin mit Anglerhut: „Einmal raus und gleich da drüben ist ein Laden.“

Akt 1, Szene 5

Auftritt: Ein weitere Polizist (höheren Ranges)
Die Polizistin mit Anglerhut winkt ihn eilig zu sich und dem anderen Kollegen mit Hut.
Alle drei beginnen zu tratschen.

Akt 1, Szene 6

Auftritt ein sehr junger Mann (nicht älter als 21) im Anzug.
Er steht etwas verloren in der Mitte des Raums herum. Er hat sich für den Polizei-Termin extra herausgeputzt: Anzug, Krawatte und Lederschuhe, die durch den Sandweg, der zum Revier führt, leicht verstaubt sind.
Nun steht er da und weiß so gar nicht wohin mit seinen Händen. Schließlich sind die Taschen seines Jackets nicht aufgenäht worden…

Akt 1, Szene 7

Auftritt: der Kubaner
Kubaner (zu mir): „Er hat mal wieder seinen Zettel verschlampt… typisch!“
Kubaner (zur Polizistin): „Können Sie mir bitte noch einmal die Kontaktdaten von der Behörde geben?“
Polizistin: „Für Bolivianer?“
Kubaner: „Nein, für Ausländer.“
Polizistin: „Ok, also hier einmal die Kontaktdaten für Bolivianer. Und hier für Ausländer.“ 

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