Achter Tag

Ich hab keine Ahnung wie weit ich mich eingelebt habe, aber ich schaffe es einen Bus „nach Hause“ zu nehmen. Einfach in irgendeinen Bus einsteigen, „Univermag“ sagen, abwarten wie reagiert wird. Falls Leute auf mich einreden sitze ich wohl im falschen Bus. Also wieder raus. Am Univermag, dem zentralen Busumschlagsplatz dann in die 38 oder 100.

Ich bin also nicht mehr komplett unnütz. In der Schule werde ich inzwischen nicht mehr von allen Seiten mit „Guten Tag“ beworfen, sondern nur noch aus meinem Blickfeld. Das Händeschütteln war anfangs sehr komisch, denn ein weicher Händedruck ist Mode. Ein kräftiger Druck ist eine Provokation, ein Zeichen, dass man auf Streit aus ist. Nach einigen verwunderten Reaktionen auf meinen „deutschen“ Händedruck habe ich zum Glück nachgefragt.. An sich finde ich den „weichen“ Händedruck ziemlich cool. Weniger Macho, angenehmer und man kann seinem Onkel die Hand geben ohne danach seine schmerzende Hand schnell in die Hosentasche stecken zu müssen.

Aber vielleicht etwas allgemeiner über die Schule: Das Goethe Gymnasium. 500 Schüler in der 6. bis 11. Klasse. Ich bin meistens bei den 11 oder 9-Klässlern. Mal begleite ich nur den Unterricht und erkläre zum Beispiel, was das Lehrbuch mit „wild tanzen“ meinen könnte, indem ich Pogo und die „Wall of Death“ vorstelle. Bei anderen Gelegenheiten „halte“ ich Stunden, wenn man das so nennen kann. Zum Beispiel eine sehr unterhaltsame Stunde über die Ernährungspyramide. Erst die Pyramide anschauen, erklären, das typische eigene Tagesmahl zusammenstellen und bewerten. easy. Und anstrengend, die neunten Klassen geben Aufmerksamkeit nicht so leicht her.

Apropos Ernährung. Plov, dass Volksgericht ist…
…sättigend 😀 Reis, Karotten, Fleisch und irgendwie ne Menge Öl ergeben eine sehr leckere aber eine noch stärker sättigende Speise. Am Tisch meiner unglaublich genialen Gastfamilie werde ich immer gefragt warum ich so wenig esse. Vielleicht weil drei Löffel Plov bereits die Sättigungswirkung eines McDonalds-Hamburgers haben..

und nochmal apropos Essen:

Krout. Ich habs probiert. Reicht dann auch..

Krout (die Kugeln). Ich habs probiert. Reicht dann auch..

Krout. Ich dachte erst „cool, n Kaugummi oder so..“ Als ich dann draufgebissen hab, musste ich erst mal kurz zu den anderen schielen, ob das vielleicht verdorben war. Aber leider aßen Foteh und Chodsched weiter. Also blieb mir kaum eine Wahl als dass nach saurem Käse und sehr viel schmeckende Stück Lokalküche weiter zu kauen. Es wird nebenbei wirklich aus Buttermilch(-Pulver iirc) und Salz hergestellt. Irgendwas von vergoren wurde eventuell noch gesagt, vielleicht hab ich mirs auch ausgedacht. Wahrscheinlich hab ich’s mir ausgedacht. Krout ist auf jeden Fall perfekt, wenn man seinen nicht so guten Freuden was aus Tadschikistan mitbringen möchte.

Mein Gastbruder möchte noch zum „Späti“, deswegen gibt’s kein Ende sondern Bilder

Ein Park.

Ein Park.

Die Stadt. Ich hab tatsächlich den einzigen Moment, in dem es bewölkt war, seit ich hier bin, gewählt um das Foto zu machen. Nur für euch.

Die Stadt. Ich hab tatsächlich den einzigen Moment, in dem es bewölkt war, seit ich hier bin, gewählt um das Foto zu machen. Nur für euch.

…und noch schnell die Schuhe einfetten

Da auf der Wachsdose steht, dass zwei- bis dreimaliges einwachsen die besten Ergebnisse erzielt, nutze ich nun die „Einziehpause“.
Meine Wanderstiefel und -Schuhe stehen vor mir in der Sonne, das noch schnell auf Empfehlung besorgte Mountainbike ist bereits eingetütet, die Gitarre im Koffer. Es muss eigentlich nur noch mein richtiger Koffer gepackt werden. Also fast alles. Und in ungefähr 48 Stunden fliegt die Maschine, die mich nach Istanbul bringt, los. Dort werde ich versuchen, wachzubleiben um dann in einen zweiten Stahlvogel zu steigen, der mich nach Chudschand bringt.
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So komm ich grade vom Vorbereitungsseminar und nun gehts bald schon wieder los. Aber erst mal zum Seminar:
Die zehn Tage am Werbellinsee haben mich tief bewegt. ~220 Freiwillige auf einem großen Haufen, die meiste Zeit über aufgeteilt in ~20 „Homezones“, die von jeweils einem Trainer, bei uns war’s Florian, geleitet wurden. Und bereits unsere Homezone (#Flowzone) war genial. Vielen vielen dank für die tolle Zeit Florian. Inhaltlich wurde unglaublich viel in mir angestoßen, insbesondere die Auseinandersetzung mit der eigenen Position im globalen, aber auch im privaten Kontext. Ich werde daran noch ne Weile verdauen müssen, deswegen schreibe ich erstmal über die „einfacheren“ Dinge. Wie zum Beispiel das Abendprogramm des Seminars: Tolle Aktionen der Trainer, aber auch ein genialer Kulturabend mit bewegenden Poetry-Slams und Musikbeiträgen. Auch ich habe mich auf die Bühne gewagt und zum ersten mal auf einer Bühne gesungen, zusammen mit Leos Saxophon, Elias Stimme und meiner Gitarre. Ich hatte das Gefühl nach 6 Wochen Ferien und vorherigen Monaten des Abistresses aus mir rauszukommen, endlich nicht mehr nur zu dösen oder ans Lernen zu denken.
Vielen Dank an alle auf dem Seminar!

Und nun die Schuhe ein zweites mal einfetten. Den Koffer packen. Aufbrechen. Endlich.
Während der Bewerbung habe ich immer wieder fest mit Absagen gerechnet, danach fürchtete ich naiv, dass ich kein Visum bekomme, dann hatte ich Angst, meinen Zug nach Berlin zum Vorbereitungsseminar zu verpassen, meinen Reisepass zu verlieren oder was auch immer. Nun ist die Ausreise in greifbarer Nähe, ich muss nur noch einige Tage und Stunden warten.

Die Schale des Eis brechen

In kleinsten Schritten beginne ich, WordPress zu verstehen. Die nächsten Tage (und Wochen?) wird dieser Blog erstmal nur experimentelles Spielfeld sein. Da ich weder weiß, wie ich meinen Blog umbenennen kann, noch, wo ich nachschauen kann, ob überhaupt wer meinen Blog bereits gesehen hat, schreibe ich einfach mal dieses kleine, später wohl der Zensur unterliegende Stück Zeilen.

Ich wünsche eine Gute Nacht. Aus Itzehoe. wie exotisch.

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