Die Geschichte des Fluges Istanbul – Duschanbe.
Meine Eltern waren gestern aus Istanbul abgereist. Um 1835 sollte mein Flieger gehen. Zurück nach Dushanbe. Von dort mit dem Taxi nach Chudschand. Der Tag war herrlich ereignislos, ich kam relaxt am Terminal an. Ne mega kurze Schlange bei Check-In, bis ich bemerkte, dass ich bei der BusinessClass stehe, also schnell abhauen, dahin, wo ich hingehöre, zum Pöbel, aka economy. Der Flug war nicht sehr voll, ich konnte meinen Sitzplatz wählen: „letzte Reihe bitte, wenn möglich allle drei Sitze, ich will schlafen“, denn der Flug würde um 4 Uhr morgens in Duschanbe landen. Kurz fragte ich mich, ob mich das Karma für meine Extravaganzen bestrafen würde..
Irgendwann dann das Gate gefunden, mit zwei lustigen Leuten geredet, dann ins Flugzeug, als einer der ersten. Ich stratz nach hinten, sitzen da schon sieben Leute in den letzten zwei Reihen. Die waren schon im Flugzeug. Komisch. Ich sehe, dass ich auch nur vorletzte Reihe war, fläz mich hin, gefühlte zehn Reihen niemand vor mir. Ein Ehepaar kommt zu mir, schaut verwirrt auf die Nummern, fragt den Flugbegleiter, wo sie sitzen sollen. Sie werden gebeten, n bisschen zu warten, weil wir „Special Passengers“ hätten. Er meint die drei Strafgefangenen, die von den vier Polizisten eskortiert werden. Die drei tragen Handschellen, sehen eher uninteressant aus.. Der Polizist in der Reihe neben mir lächelt mich an, ich versuche zu smalltalken, es scheitert an seinem Englisch. Naja, auf jeden hab ich jetzt später was in meiner Gastfamilie zu erzählen, das da Gefangene hinter mir saßen.
Ich versuche während des Fluges angestrengt, zu schlafen, nehme mein Essen in so ner römischen Liegepose ein… Irgendwie halbwach realisiere ich, dass n Besoffener die ganze Zeit hier rumhängt und mit den Cops schnacken will. Die aber halt nicht mit ihm. Und sie verstehen ihn halt auch nicht. Schade. Mit meiner Schläfrigkeit verschwindet auch meine Ignoranz, und als der Besoffene versucht, den Cops Dosenbier anzudrehen, setze ich mich aufrecht hin und sagt ihm, er soll sich neben mich setzen. Wenn er mit jemandem reden möchte, dann muss’s wohl ich sein.. Sofort wird Gin Tonic geordert. Ich hatte mir eigentlich fest vorgenommen, kein Alkohol zu trinken, da ich nicht zu erschöpft nach dem Flug sein wollte.. Aber wenn man sich mit Betrunkenen beschäftigt kann n Tropfen auch nicht schaden. Wir smalltalken, er ist Schwede und Jäger. Und dann fällt das Flugzeug.
Eine Szene so wunderbar und intensiv, dass man sie nur im Rückblick erfassen kann. Das Flugzeug ist leicht angestiegen, man konnte die erhöhte Schwerkraft spüren. Dann: Gleichzeitig heulen die Turbinen auf und dass Flugzeug sackt einfach Weg. Die meisten Passagiere, Herr Gin Tonic und ich ebenfalls, sind nicht angeschnallt. Ich sehe vor mir wie die meisten aus ihren Sitzen gehoben werden. Dann knallt es, die Schwerkraft funktioniert wieder. Die Gin Tonics sind weg, meine Hose ist alkoholhaltig und ich muss das Dosenbier schnell von meinem Nachbarssitz aufheben. Ich konnte zum Glück meine Hände nach oben reißen, damit mein Kopf nicht von der Decke gehaun wird. Mr. Gin Tonic hatte leider seine Reflexe bereits gegen n guten Schwips eingetauscht und daher sehr große Kopfschmerzen, da er voll gegen die Decke, also diese Gepäckfächer geknallt ist. Ich find’s in der Situation ziemlich witzig. Behalts aber für mich. Hinter mir fängt der Gefangene laut an zu beten, was er auch für die nächsten zwanzig Minuten nicht für eine Sekunde unterbricht. Daher der Titel. Ich erinnere mich an die Pfadfinderpflicht, die seit ungefähr 100 Jahren nicht mehr aktuell ist: „Unterstütze die Polizei, wo du nur kannst“. Also erstmal die Officers anlächeln. Die Lächeln zurück. Yay, Partystimmung. Mir fällt ein, dass in einem Actionfilm jetzt der kräftige, gutaussehende der drei Gefangenen ausgebrochen wäre, weil er entweder insgeheim der Gute ist, oder weil der Held, der auch an Bord des Flugzeugs ist, n Gegner braucht. Aber es ist kein Film. Alles ist normal. Außer das halt inzwischen Stimmung im Flugzeug ist. Um mich zu beruhigen, scherze ich zu Mister Gin Tonic, dass wir definitiv nicht sterben können, so wie der Beter hinter mir sich ins Zeug legt. Über die nächsten dreißig Minuten gibt es natürlich weiter Turbulenzen, wobei diese auf der Matthis-Gördel-Turbulenskala ein „sie waren stets bemüht“ erreichen. Spannend wirds nur, wenn das Flugzeug kurz hochzieht, und ich wieder ein wegsacken erwarte. Apropos: hat jemand n Plan, wie das funktioniert? Hab von diesem wegsacken der Flugzeuge vorher noch nie gehört. Ist das n Luftloch? Naja, alle müssen auf jeden Fall sitzen, nur n paar wollen auf die Toilette und werden von den Flugbegleitern von der Mittelmäßigkeit ihrer Idee überzeugt. Den Flug über rede ich mit Mr. Gin Tonic über Gott und die Welt, durch Alkohol und vermeintliche Todesgefahr beflügelt stoßen wir bis zu unseren persönlichen Abgründen vor.
Und hier ist das Problem. Spannung aufm Höhepunkt, aber Story noch nicht vorbei. Sorry, werter Leser..
Wir landen, Business as usual, man kennt die Formulare, nette Einreisebeamtin, aufs Gepäck warten. Ich bin todesmüde. Das Gepäck kommt. Aber nicht mein Gepäck. Panik, Verzweiflung und Wut bauen sich in mir auf. Ich hab in Istanbul unter großer Anstrengung Iod-Trinkwassergewinnungspillen und Hexamin aka Campingkocher Fest-Brennstoff gefunden und erworben habe. Und leider wird Hexamin halt von den meisten Airlines nicht mitgenommen. Des Typ am Schalter hat gemeint, ich soll’s mitnehmen, die Security weiß, was zu tun ist..
Verliere ich jetzt meine Tasche mit all den Sachen, die mir lieb und teuer sind [heillose Übertreibung, ich hatte leichtes Gepäck und deutsches Naschi mit]? Fünf Minuten später hab ich meine Tasche. Raus ausm Airport. Ich kann leider den nervigen Taxifahrer nicht loswerden, der mich überteuert irgendwo hinfahren will. Es ist 5 Uhr morgens. Ich geh einfach weiter, ignoriere ihn. Sehe links von mir noch einen dieser „Touristen-Taxifahrer“, der mich auf meiner Hinreise übers Ohr hauen wollte, mir das aber erst klar wurde als ich in seiner Karre saß. Aussteigen, Sachen nehmen und abhauen ging klar, war trotzdem damals ne nervige Diskussion. Schön, dass es ihm gut geht, schade, dass ich ihn nun, morgens um 5 wieder sehen muss. Ich geh zur Hauptstraße und warte auf Marshrutkas. Aber es fahren halt keine. N cooler Taxifahrer (schrottiges Auto und am cruisen -> billig) sammelt mich auf, es wird geredet und gelacht, nur leider sprech ich halt immer noch sehr sehr schlecht russisch. Irgendwann nach fünf bin ich dann am Autobahnhof, wo ein einziger Fahrer nach Chudschand schon auf mich wartet. Yay, hoffentlich gehts bald los. Er fährt n Opel Astra und keinen Geländewagen, aber ich werde die Fahrt über den Pass schon überleben, denke ich, sind ja alles asphaltierte Straßen. Leider hat irgendwie niemand anders Bock, morgens um 5 Auto zu fahren, deshalb muss ich noch vier Stunden in einem arschkalten Auto warten, in einem Horror aus Halbschlaff..
Irgendwann gehts dann doch los, ich bin zwischendurch ausgestiegen und rumgelaufen, weil andere Fahrer schon aufgebrochen sind, nur mein Fahrer konnte niemanden an Land ziehen. Mein Fahrer bemerkt meine Unzufriedenheit, steckt mich in ein anderes Auto, wo schon einer wartet. Fünf Minuten später kommt er wieder und holt uns ab, wir sind drei Mitfahrer in seinem Auto, es kann losgehen. Leider habe ich meinen Premium-Platz vorne an einen Tadschiken verloren und leider hatte ich zum Schlafen den Sitz GANZ NACH HINTEN gestellt, also: Null Beinfreiheit. Nada. Aber irgendwie mussten nochmal die anderen aussteigen, ich nutze meine Chance und stell den vorderen Sitz nach vorne. Ganz fair auf die Höhe des Fahrersitzes. Als mein Vordermann wieder Platz nimmt, bemerkt er leider sofort, was ich angestellt habe und versucht, neuen Lebensraum nach „hinten“ zu gewinnen. Mein dagegenhalten mit den Oberschenkeln führt zu seiner Kapitulation. Er rächt sich später, in dem er mir auf der „Autobahnraststätte“, die genau wie in Deutschland, teures und schlechtes Essen anbietet, eine Portion bestellt, obwohl ich vorher gesagt hatte, dass ich nichts wollte. Dieser Miese.. So muss ich kaltes Fleisch mit Fett essen..
Die Fahrt ansonsten war eher normal, wir sind angekommen, irgendwann war ich zuhause. Genug geheult, sorry für den Clickbait-Titel, als Dankeschön fürs durchhalten:
Bilder von Steinen:





