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Reisen

Ende Juni begann mein Urlaub. Sachen werden gepackt, ein Sammeltaxi nach Duschanbe wird bestiegen.

In Duschanbe treffe ich dann Richard und Lina. Zusammen soll’s nach Osten gehen, in den Pamir. Der erste Schritt dahin führte uns morgens zur „Khorog Stanzia“:

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Was aussieht wie ein „Land Cruiser“-Fanclub ist tatsächlich die Station, von der aus die Sammeltaxis nach Khorog aufbrechen.

 

Wir hatten bereits telefonisch einen Fahrer, Iloli, organisiert. Dieser überaus höfliche und leicht hünenhafte Mann fuhr uns für die nächsten rund 15 Stunden durch Tadschikistan, erst durch die Ebene von Duschanbe, dann entlang der tadschikisch-afghanischen Grenze, nach Khorog, der Hauptstadt der autonomen Region Berg-Badachschan.

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Das erfahrene Auge erkennt, dass der Pamir, genau wie Hindukush und Himalaya, aus Bergen besteht.

 

In Khorog bezogen wir ein einfaches Hotel, genossen die Ruhe und schauten uns Khorog an. Khorog ist definitiv die „touristisierteste“ Stadt Tadschikistans, wobei dies nicht bedeutet, dass man an jeder Ecke zum Kauf von wasweißich genötigt wird, ja, ich schaue dich an, Istanbul, sondern man merkt es hauptsächlich daran, dass man als Touri auf fröhlichen Englisch bei durch die Stadt flanieren angequatscht wird. Geht man zum Beispiel durch den Park kommt schnell von einer Gruppe Jugendlicher Jungen und Mädchen ein „Hello, how are you“. Man könnte so theoretisch ins Gespräch kommen, wir sind aber dazu teilweise zu Müde und teilweise zu verschroben.

An dieser Stelle, bevor die eigentlichen Abenteuer beginnen, stelle ich vielleicht noch meine zwei, oben bereits erwähnten Mitreisenden vor:
Zum einen Lina Jassmann, sie macht eigentlich das gleiche wie ich, nur in der Hauptstadt Duschanbe. Wer den Blog ein bisschen verfolgt, wird den Namen schon mal gehört haben.
Zum anderen Richard Schmidt, auch von Kulturweit, aber beim DAAD mit voller Elan mit Büroarbeit oder so beschäftigt. Ehrlich gesagt hab ich wenig Ahnung, was er den ganzen Tag macht. Aber er spricht Tadjik. Das führt zu komischen Situationen, da ich nur Russisch gelernt habe und daher sein Tadjik nicht verstehe. Ebenso versteht er kein Wort, wenn ich auf Russisch versuche, meine Gefühle, Wünsche und Träume in Worte zu fassen, um zum Beispiel einen Taxifahrer davon zu überzeugen, uns hier und dorthin zu fahren. Und so kam es bestimmt im Laufe dieser Abenteuer viel zu oft vor, das wir beide jeweils das gleiche in jeweils anderen Sprachen fragten, uns gegenseitig nicht verstehend. Zum Glück war niemand genervt von uns..

In Khorog wurd‘ und dann irgendwann langweilig, also auf zur Touri-Info, dort kurz einen Schlachtplan entworfen und schon steht das erste Ziel fest:

Der Durum-Kul, ein See. Das diesem See am nächsten liegende Dorf ist von Khorog zwei Autostunden entfernt, von da dann eine entspannte Wanderung über 10, vielleicht 15 Kilometern zum See. Da es früher Nachmittag ist, eilen wir so schnell wie Möglich zum „Busbahnhof“, um wenig später, beladen mit gigantischen Wanderrucksäcken, einen dezent kleinen Minibus chinesischer Fabrikation zu besteigen. Dieser fährt uns für insgesamt 30 Somoni gut anderthalb Stunden lang nach Roshqala. Das größte Dorf der gleichnamigen Region. Die ganze Strecke geht „gradeaus“, einfach immer durchs Tal. In Roshqala ist es dann schon etwas später und wir merken, dass alle Homestays mindestens sieben Kilometer weit weg sind. Zum Glück sitzen einige Männer an der Straße, die uns raten, mit dem Jeep bis nach Sezhd, das Dorf an dem der Durum-Kul liegt, zu fahren. Der Fahrer kommt aus der Gruppe der Männer und schlägt 150 Somoni als Preis vor, ein bisschen happig, aber ne richtige Alternative haben wir wohl nicht.

Der Fahrer ist dann in Sezhd, dem Dorf, auch gleich so gut uns ein Homestay zu organisieren, denn eigentlich gibt es dort keins, aber er ist mit einem der Herren des Dorfes befreundet, er bittet uns im Auto zu warten und kommt kurz darauf mit unserem zukünftigen Gastgeber wieder. Dieser zeigt uns sein Haus, wir sind entzückt, der Preis ist gut, und alle Fragen werden mit „bes problem“ beantwortet. Ohne Problem. So genießen wir kurze Zeit später erst hausgemachten Joghurt, dann sehr deftige Suppe mit „Bergfleisch“. Mal reden Richard und der Herr auf Tadjik, die meiste Zeit rede aber eher ich auf Russisch, da im Pamir eigentlich Pamirsprachen gesprochen werden und das Tadjik dann die zwei Fremdsprache nach Russisch ist. Laut Richard spricht unser Gastgeber wohl auch nicht so gutes Tadjik. Dafür ist sein Russisch absolut makellos, soweit ich das als Anfänger beurteilen kann.

Am nächstes morgen wird uns dann netterweise noch gezeigt, wo der Weg zum See hin beginnt. Direkt zu Beginn müssen wir einige Hügelchen aufsteigen und bereits nach der ersten Stunde sind wir völlig erschöpft. Wir sind inzwischen zwischen 2500 und 3000 Metern und ich fühle mich durchaus ein bisschen mulmig. Nach einem halben Tag wandern erreichen wir dann den See. Leider setze ich mich kurz danach selber außer Gefecht. Wir wollten vom See zurück zum letzten Haus und um einen Kochtopf und ein bisschen Reis bitten, da wir nur einen Campingkocher hatten, aber so nebensächliches wie Töpfe oder gar Nahrung aus Zeitmangel nicht in Khorog besorgt hatten. Leider forderten dann Hitze, Sonne und vielleicht auch Höhenkrankheit bei mir ihren Tribut. So saß ich erst ne Weile vor dem Haus und sah Elend aus, bis dann die überaus freundlichen Bewohner beschlossen, dass ich Krank sei und mir einen Platz zum liegen anboten. Den Rest des Tages hab ich geschlafen, außer einer kurzen Unterbrechung, dem Abendbrot.

So spulen wir vor auf den nächsten Morgen. Wir treten die Rückreise an, nachdem wir uns nochmal ausführlich bei unseren Gastgebern bedankt haben. Wir treffen nach kurzer Zeit auf einen Jeep, der runter ins Dorf will, wir steigen ein. Im Dorf fragt der Fahrer wo wir hinwollen, wir antworten „Khorog“, er bietet an, uns für ein kleines Entgelt bis zu dem Dorf zu fahren, von wo die Kleinbusse aus nach Khorog aufbrechen.

Und so landen wir wieder in Khorog, diesmal nur nicht in dem kleinen Sares-Hotel, sondern in der Pamir-Lodge. DEM Ort für westliche Pamir-„Abenteurer“, die meist auf Fahrrädern oder Motorrädern den Pamir-Highway bezwingen. Die meisten kommen aus Murghab im Norden. Von dort ist es ne ziemliche Strecke und die Meisten bleiben erstmal ne Weile in der Lodge um sich auszukurieren und ihre „Magenverstimmung“, ein fröhliches Codewort für Durchfall, wieder loszuwerden. Und so hat die Lodge nicht nur europäisches, sondern auch Krankenhausflair. Wir drei Kulturweitler genießen meist unsere Überheblichkeit über diese „Globetrotter“, die meist kein Wort Tadjik und nur äußert wenig Russisch können. Aber manchmal kommt man dann doch ins Gespräch, und man erkennt, dass es nicht nur von der Welt gelangweilte Manager sind, sondern zum Beispiel auch die britische Ärztin, die erst ein halbes Jahr für „Medicins Sans Frontieres“ gearbeitet hat und jetzt nochmal auf dem Drahtesel Zentralasien erobert. Aber leider gibt es eben auch diese, die einfach aus purer Langeweile und materiellem Überfluss den Pamir aufsuchen..

Wir sitzen nun die nächsten Tage in der Pamir Lodge, ich kuriere meine Höhenkrankheit mit einer Feinschmecker „ReisOhneSalz“-Diät und kipp mir ab und zu nochmal n bissel Elektrolyte gegen den Nährstoffverlust rein. Richtig, „Magenverstimmung“..
Zwischendurch sind wir fest entschlossen, die Lodge zu verlassen und ein neues Abenteuer zu starten, aber schon wenige hundert Meter hinter der Lodge treffen wir (unwissentlich) auf ein Privatgrundstück inklusive Wachhund, welcher Lina anschrammt und Richard ein kleines Loch in den Oberschenkel zaubert. Also ab in die Lodge. Ein Krankenwagen wird gerufen, die äußerst sympathischen Sanitäter inklusive Ärztin versorgen die Wunden, und beteuern, dass das keine „beschenstvo“ (=Tollwut) war. „Alle Hunde in Khorog sind gesund“ wurde uns versichert. Da wir am nächsten Tag rausfinden mussten, dass es eh keinen Impfstoff gibt, haben wir’s geglaubt. Und so genießen wir noch ein oder zwei Tage in der Lodge, bis die Rückfahrt anstehen soll.

Doch dann kommt Armin, seines Zeichens Absolvent eines zweimonatigen Praktikums an der deutschen Botschaft Duschanbe, und überzeugt mich und Lina gleich mit, mit ihm nochmal nach Langor zu den Engelswiesen (wegen des Kommunisten, nicht des Federviehs) zu fahren.

Und so verabschieden wir Richard, der arbeiten muss, und beginnen dann den sechsstündigen Autoritt nach Song (weiches „s“, nicht wie das Lied). Im Auto sitzen Lina und ich unbequem ganz hinten, Armin vorne und auf der Mittelbank wird gekotzt.. Rohi Safed. Abends kommen wir an, genießen ein äußert leckeres Mal und erfreuen uns der Gastfreundschaft von Gulischers Familie. Gulischer war nebenbei auch unser Fahrer und seine Familie hat halt ein Homestay wo gerne mal Bergsteiger oder Touristen vorbeischauen, insbesondere, wenn sie zu den Engelswiesen wollen.

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Links von mir Armin, in der Mitte, im weißen Shirt, Gulisher

Und am nächsten morgen ging’s los zu den Engelswiesen..

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Hier rennen wir drei Stunden in die falsche Richtung. Yay.

Nachdem wir erkannt haben, das wir falsch waren, umgedreht haben, wurden wir hier zum Essen eingeladen.

Nachdem wir erkannt haben, das wir falsch waren, umgedreht haben, wurden wir hier zum Essen eingeladen.

Auf der anderen Seite des Flusses liegt Afghanistan

Auf der anderen Seite des Flusses liegt Afghanistan

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Die Engelswiesen, fast 4000 Meter hoch. Hinten der Pik Engels, 6510 Meter hoch.

Die Engelswiesen, fast 4000 Meter hoch. Hinten der Pik Engels, 6510 Meter hoch.

 

Nach der Wanderung ging’s nochmal in die heißen Quellen, die’s da auch noch gab, dann zurück nach Khorog, dann mit Iloli nach Duschanbe

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Hahnenkampf

…nicht nur ein K.I.Z. Album, in Deutschland verboten, sondern auch in den „asiatischen Ländern“ mehr oder weniger beliebt. Auf den Philippinen zum Beispiel ist der Kampf ein traditionsreiches furioses Spektakel, noch weiter aufgeheizt durch Rasierklingen an den Klauen oder künstliche, Metallische Dornen. Irgendwo in dem Wikipediaartikel steht auch, dass eventuell das Huhn nur wegen dem Hahnenkampf domestiziert wurde..

Aber vergessen wir Wikipedia, hin ins „echte Leben“. In Tadschikistan ist Hahnenkampf durchaus vorhanden. Es ist bei weitem nicht so populär wie die „Volkssportarten“ Counter-Strike, Fußball und Clash of Clans (+Clash Royale seit neuem), aber am Goethe, dass ~250 Schüler in den Klassen 5 bis 11 zählt, weiß ich von zwei, Ali und Nabidjon, die Kampfhähne haben. Also haben vielleicht insgesamt drei Schüler Hähne. Oder  zehn, manchmal bin ich ja nicht der größte Sherlock..

Bei den großen Turnieren wird selbstverständlich gewettet. Viele die einen Kampfhahn züchten, refinanzieren die Anschaffung des eigentlichen Kampfhahns, der ab und zu auch mal eine dreistellige Dollarsumme kosten kann, oder versuchen es zumindest.

Die besagten Turniere finden Anfang Mai oder so statt, aber Nabidjon, sein Spitzname ist „Nabik“ oder „Nabikiller“, wollte mich wohl nicht enttäuschen, als ich gefragt hab, ob ich dann am Wochenende mal n Kampf sehen kann. [Anmerkung: Die Geschichte/Episode/wasAuchImmer ist am gleichen Tag wie das mit dem Fußball passiert, da war’s noch kalt und so, als irgendwann Anfang Februar.] Zu dem Zeitpunkt, als ich gefragt hatte, wusste ich halt noch nicht, dass die großen Turniere noch ne Weile hin sind.

Aber kein Problem, denn die Hähne trainieren ja nicht nur am Sandsack, ab und zu gibt es auch n Sparring. Und da durfte ich dann mal zuschauen und n paar Fotos machen.

Nabik mit seinem Hahn in Chashma, einem wunderschönem Dorf vor Chudschand

Nabik mit seinem Hahn in Chashma, einem wunderschönem Dorf vor Chudschand

Während der Kampf anfangs ausgeglichen war...

Während der Kampf anfangs ausgeglichen war…

...wurde mit der Zeit klar, dass der "andere" Hahn ausdauernder war...

…wurde mit der Zeit klar, dass der „andere“ Hahn ausdauernder war…

...bis schließlich der Kampf abgebrochen wurde, damit der Hahn nicht stirbt.

…bis schließlich der Kampf abgebrochen wurde, damit der Hahn nicht stirbt.

Nabik's Hahn hat leider den kürzeren gezogen. Vor dem Kampf war sein linkes Auge angeschlagen, jetzt ist er dort blind.

Nabik’s Hahn hat leider den kürzeren gezogen. Vor dem Kampf war sein linkes Auge angeschlagen, jetzt ist er dort blind.

 

Kurzwellenübertragung: Fußball

Eigentlich ist mit dem Titel alles gesagt, aber das‘ ja ’n Blog und nich twitter..

Ein paar Jungs aus der achten Klasse haben auf jeden Fall gefragt, ob ich Fußball spielen möchte. Also um 6 Uhr aufstehen, in die Mashrudka und zum Bolzplatz. Man muss dazu sagen, dass das schon ne weile her ist, inzwischen haben wir „kühle“ 20 Grad, aber „damals“ war’s echt kalt. Ich hab die Mütze nicht [nur] auf, weil ich den Bommel so gerne mag. Das die Jungs nicht so winterlich wie ich angezogen sind, liegt daran, dass das einfach harte Kerle sind.

Auf dem Feld selber hab ich dann wie üblich versucht, möglichst wenig Schaden in meiner eigenen Mannschaft anzurichten. Also ab in die Defensive und bloß nicht für Pässe anbieten. Da ich aber schnell laufen und gut im Weg stehen kann, die gegnerischen Stürmer durchaus frustrierter. Dass sich dann auch noch meine „Zweikampffähigkeiten“ darauf beschränken, einfach unkontrolliert meine Beine Richtung Ball zu strecken, oder, noch schlimmer, einfach die Gegner durch meinen Massenvorteil wegzuschieben, tut mir echt Leid. Aber ich will es mir einfach nicht erlauben, der nutzloseste Spieler auf einem Feld zu sein, auf dem ich mit ~4 (oder so) Jahren Abstand der Älteste bin. Ich bin vielleicht ein schrecklicher Mensch. Aber ich bin halt auch nicht komplett wertlos. Irgendwann gegen Ende schieß‘ ich sogar ein Tor. Und nein, kein Eigentor.

Das Spiel hat insgesamt bestimmt zwei Stunden gedauert, und nachdem ich in einer meiner Verschnaufpausen frustriert aufgehört habe, Fotos zu machen, haben Said-Amir und Safar übernommen. Die folgenden Bilder sind von den beiden, die offensichtlich nicht nur besser Fußball spielen sondern auch fotografieren.

Mehrodsch. Klein aber deftig. Der Pullover-Schriftzug trifft es wohl.

Hier ein Zweikampf auf Augenhöhe. Meine schiere Unfähigkeit hinsichtlich Technik wird durch ~20kg mehr Schwungmasse ausgeglichen. 

Dieses Bild zeigt ziemlich deutlich meine Fußballkompetenz.

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Links Dilshod, rechts Said-Amir. Zwei unserer erfolgreichsten Stürmer.

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Nach dem Match waren wir beim lokalen Burgerschuppen und noch Counter-Strike spielen. Da konnte ich wenigstens n bisschen mein Ego aufpolieren..

„We will not die, look at this guy, he’s prayin‘ so much, the plane won’t crash“

Die Geschichte des Fluges Istanbul – Duschanbe.

Meine Eltern waren gestern aus Istanbul abgereist. Um 1835 sollte mein Flieger gehen. Zurück nach Dushanbe. Von dort mit dem Taxi nach Chudschand. Der Tag war herrlich ereignislos, ich kam relaxt am Terminal an. Ne mega kurze Schlange bei Check-In, bis ich bemerkte, dass ich bei der BusinessClass stehe, also schnell abhauen, dahin, wo ich hingehöre, zum Pöbel, aka economy. Der Flug war nicht sehr voll, ich konnte meinen Sitzplatz wählen: „letzte Reihe bitte, wenn möglich allle drei Sitze, ich will schlafen“, denn der Flug würde um 4 Uhr morgens in Duschanbe landen. Kurz fragte ich mich, ob mich das Karma für meine Extravaganzen bestrafen würde..

Irgendwann dann das Gate gefunden, mit zwei lustigen Leuten geredet, dann ins Flugzeug, als einer der ersten. Ich stratz nach hinten, sitzen da schon sieben Leute in den letzten zwei Reihen. Die waren schon im Flugzeug. Komisch. Ich sehe, dass ich auch nur vorletzte Reihe war, fläz mich hin, gefühlte zehn Reihen niemand vor mir. Ein Ehepaar kommt zu mir, schaut verwirrt auf die Nummern, fragt den Flugbegleiter, wo sie sitzen sollen. Sie werden gebeten, n bisschen zu warten, weil wir „Special Passengers“ hätten. Er meint die drei Strafgefangenen, die von den vier Polizisten eskortiert werden. Die drei tragen Handschellen, sehen eher uninteressant aus.. Der Polizist in der Reihe neben mir lächelt mich an, ich versuche zu smalltalken, es scheitert an seinem Englisch. Naja, auf jeden hab ich jetzt später was in meiner Gastfamilie zu erzählen, das da Gefangene hinter mir saßen.

Ich versuche während des Fluges angestrengt, zu schlafen, nehme mein Essen in so ner römischen Liegepose ein… Irgendwie halbwach realisiere ich, dass n Besoffener die ganze Zeit hier rumhängt und mit den Cops schnacken will. Die aber halt nicht mit ihm. Und sie verstehen ihn halt auch nicht. Schade. Mit meiner Schläfrigkeit verschwindet auch meine Ignoranz, und als der Besoffene versucht, den Cops Dosenbier anzudrehen, setze ich mich aufrecht hin und sagt ihm, er soll sich neben mich setzen. Wenn er mit jemandem reden möchte, dann muss’s wohl ich sein.. Sofort wird Gin Tonic geordert. Ich hatte mir eigentlich fest vorgenommen, kein Alkohol zu trinken, da ich nicht zu erschöpft nach dem Flug sein wollte.. Aber wenn man sich mit Betrunkenen beschäftigt kann n Tropfen auch nicht schaden. Wir smalltalken, er ist Schwede und Jäger. Und dann fällt das Flugzeug.

Eine Szene so wunderbar und intensiv, dass man sie nur im Rückblick erfassen kann. Das Flugzeug ist leicht angestiegen, man konnte die erhöhte Schwerkraft spüren. Dann: Gleichzeitig heulen die Turbinen auf und dass Flugzeug sackt einfach Weg. Die meisten Passagiere, Herr Gin Tonic und ich ebenfalls, sind nicht angeschnallt. Ich sehe vor mir wie die meisten aus ihren Sitzen gehoben werden. Dann knallt es, die Schwerkraft funktioniert wieder. Die Gin Tonics sind weg, meine Hose ist alkoholhaltig und ich muss das Dosenbier schnell von meinem Nachbarssitz aufheben. Ich konnte zum Glück meine Hände nach oben reißen, damit mein Kopf nicht von der Decke gehaun wird. Mr. Gin Tonic hatte leider seine Reflexe bereits gegen n guten Schwips eingetauscht und daher sehr große Kopfschmerzen, da er voll gegen die Decke, also diese Gepäckfächer geknallt ist. Ich find’s in der Situation ziemlich witzig. Behalts aber für mich. Hinter mir fängt der Gefangene laut an zu beten, was er auch für die nächsten zwanzig Minuten nicht für eine Sekunde unterbricht. Daher der Titel. Ich erinnere mich an die Pfadfinderpflicht, die seit ungefähr 100 Jahren nicht mehr aktuell ist: „Unterstütze die Polizei, wo du nur kannst“. Also erstmal die Officers anlächeln. Die Lächeln zurück. Yay, Partystimmung. Mir fällt ein, dass in einem Actionfilm jetzt der kräftige, gutaussehende der drei Gefangenen ausgebrochen wäre, weil er entweder insgeheim der Gute ist, oder weil der Held, der auch an Bord des Flugzeugs ist, n Gegner braucht. Aber es ist kein Film. Alles ist normal. Außer das halt inzwischen Stimmung im Flugzeug ist. Um mich zu beruhigen, scherze ich zu Mister Gin Tonic, dass wir definitiv nicht sterben können, so wie der Beter hinter mir sich ins Zeug legt. Über die nächsten dreißig Minuten gibt es natürlich weiter Turbulenzen, wobei diese auf der Matthis-Gördel-Turbulenskala ein „sie waren stets bemüht“ erreichen. Spannend wirds nur, wenn das Flugzeug kurz hochzieht, und ich wieder ein wegsacken erwarte. Apropos: hat jemand n Plan, wie das funktioniert? Hab von diesem wegsacken der Flugzeuge vorher noch nie gehört. Ist das n Luftloch? Naja, alle müssen auf jeden Fall sitzen, nur n paar wollen auf die Toilette und werden von den Flugbegleitern von der Mittelmäßigkeit ihrer Idee überzeugt. Den Flug über rede ich mit Mr. Gin Tonic über Gott und die Welt, durch Alkohol und vermeintliche Todesgefahr beflügelt stoßen wir bis zu unseren persönlichen Abgründen vor.

Und hier ist das Problem. Spannung aufm Höhepunkt, aber Story noch nicht vorbei. Sorry, werter Leser..

Wir landen, Business as usual, man kennt die Formulare, nette Einreisebeamtin, aufs Gepäck warten. Ich bin todesmüde. Das Gepäck kommt. Aber nicht mein Gepäck. Panik, Verzweiflung und Wut bauen sich in mir auf. Ich hab in Istanbul unter großer Anstrengung Iod-Trinkwassergewinnungspillen und Hexamin aka Campingkocher Fest-Brennstoff gefunden und erworben habe. Und leider wird Hexamin halt von den meisten Airlines nicht mitgenommen. Des Typ am Schalter hat gemeint, ich soll’s mitnehmen, die Security weiß, was zu tun ist..
Verliere ich jetzt meine Tasche mit all den Sachen, die mir lieb und teuer sind [heillose Übertreibung, ich hatte leichtes Gepäck und deutsches Naschi mit]? Fünf Minuten später hab ich meine Tasche. Raus ausm Airport. Ich kann leider den nervigen Taxifahrer nicht loswerden, der mich überteuert irgendwo hinfahren will. Es ist 5 Uhr morgens. Ich geh einfach weiter, ignoriere ihn. Sehe links von mir noch einen dieser „Touristen-Taxifahrer“, der mich auf meiner Hinreise übers Ohr hauen wollte, mir das aber erst klar wurde als ich in seiner Karre saß. Aussteigen, Sachen nehmen und abhauen ging klar, war trotzdem damals ne nervige Diskussion. Schön, dass es ihm gut geht, schade, dass ich ihn nun, morgens um 5 wieder sehen muss. Ich geh zur Hauptstraße und warte auf Marshrutkas. Aber es fahren halt keine. N cooler Taxifahrer (schrottiges Auto und am cruisen -> billig) sammelt mich auf, es wird geredet und gelacht, nur leider sprech ich halt immer noch sehr sehr schlecht russisch. Irgendwann nach fünf bin ich dann am Autobahnhof, wo ein einziger Fahrer nach Chudschand schon auf mich wartet. Yay, hoffentlich gehts bald los. Er fährt n Opel Astra und keinen Geländewagen, aber ich werde die Fahrt über den Pass schon überleben, denke ich, sind ja alles asphaltierte Straßen. Leider hat irgendwie niemand anders Bock, morgens um 5 Auto zu fahren, deshalb muss ich noch vier Stunden in einem arschkalten Auto warten, in einem Horror aus Halbschlaff..

Irgendwann gehts dann doch los, ich bin zwischendurch ausgestiegen und rumgelaufen, weil andere Fahrer schon aufgebrochen sind, nur mein Fahrer konnte niemanden an Land ziehen. Mein Fahrer bemerkt meine Unzufriedenheit, steckt mich in ein anderes Auto, wo schon einer wartet. Fünf Minuten später kommt er wieder und holt uns ab, wir sind drei Mitfahrer in seinem Auto, es kann losgehen. Leider habe ich meinen Premium-Platz vorne an einen Tadschiken verloren und leider hatte ich zum Schlafen den Sitz GANZ NACH HINTEN gestellt, also: Null Beinfreiheit. Nada. Aber irgendwie mussten nochmal die anderen aussteigen, ich nutze meine Chance und stell den vorderen Sitz nach vorne. Ganz fair auf die Höhe des Fahrersitzes. Als mein Vordermann wieder Platz nimmt, bemerkt er leider sofort, was ich angestellt habe und versucht, neuen Lebensraum nach „hinten“ zu gewinnen. Mein dagegenhalten mit den Oberschenkeln führt zu seiner Kapitulation. Er rächt sich später, in dem er mir auf der „Autobahnraststätte“, die genau wie in Deutschland, teures und schlechtes Essen anbietet, eine Portion bestellt, obwohl ich vorher gesagt hatte, dass ich nichts wollte. Dieser Miese.. So muss ich kaltes Fleisch mit Fett essen..

Die Fahrt ansonsten war eher normal, wir sind angekommen, irgendwann war ich zuhause. Genug geheult, sorry für den Clickbait-Titel, als Dankeschön fürs durchhalten:

Bilder von Steinen:

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Die Grenze des Ferghana-Tals, der Tiefebene, in der auch Chudschand liegt.

Die Grenze des Ferghana-Tals, der Tiefebene, in der auch Chudschand liegt.

Gedanken über Städte und Dörfer. Oder: Tokio

Vorwort

Ist ne weile her, dass ich das letzte mal gebloggt habe, und ich wollte nach meinem letzten Beitrag weiter über die „große Reise“ und Tokio berichten. Keine Ahnung was ich damals im Sinn hatte, vergessen ist’s. Deshalb ein neuer Gedanke. Tokio, aber kontrastiert mit der Sicht von Chudschand.

Lebensräume

Die Woche in Tokio hat auf mich einen großen Eindruck gemacht. Während die Tage und Wochen davor in Chudschand ein verworrenes und bewegtes Durcheinander in meiner Gefühlserinnerung sind, war Tokio ein sehr klares, kühles Erlebnis. Im Nachhinein wirkt es auf mich so, als ob es kaum unterschiedlichere Lebensräume als Tokio und Chudschand geben kann. Zu beiden Städten hatten wir, Adrian und ich, hauptsächlich einen Zugang durch einen Freund oder eine kleine Zahl von Freunden, die unsere „Guides“ waren, wenn man das so nennen möchte. Denn beide Städte haben für mich eine große Gemeinsamkeit: eine sehr hohe „Einstiegshürde“. Durch die fremde Sprache und die für mich als DorfundKleinstadt-Jungen unbekannten und anfangs befremdlichen Systeme und Sitten war es schwer einen Zugang in diese Städte zu erhalten. Hinter der „Hürde“, über die wir dankenswerterweise getragen wurden, sehe ich jedoch zwei stark verschiedene Lebensräume. Beschreiben kann ich dies vielleicht, in dem ich einzelne Dinge oder Systeme betrachte:

Wie man fährt

In beiden Städten gibt es ein Verkehrssystem, dass die meisten Menschen von a nach b Transportiert. In Tokio: die Metro. Ein gigantisches Schienennetz, in dem alleine der Bahnhof Shinjuku täglich von mehreren Millionen genutzt wird. Mehr als zehn mal so viele Menschen, als überhaupt in Chudschand leben. Man bezahlt normalerweise mit PrePaid-Karten, die man auf die Durchgangskontrollen am Eingang und Ausgang legt. Durch Nahfunk wird der Eingang in den Bahnhof registriert, beim Verlassen des Bahnhofs wird dann das Geld abgebucht. Die Kartensysteme sind in jedem System und sogar in manchen Schnellrestaurants einsetzbar.
In Chudschand: die Marshrutkas. Mercedes Sprinter und GAZelle’s (sprich: Gasels), wie diese hier.Marshrutka

Das Bild ist von Wikipedia, könnte aber definitiv aus Chudschand stammen. Die Marshurkas haben eine Nummer, die die Linie kennzeichnen. Außerdem stehen wichtige Punkte der Linie ebenfalls auf dem Schild. Wenn man in eine Marshrutka einsteigen will, winkt man. Wenn man aussteigen will, sagt man in Chudshand „dorit“ und der Wagen hält. Es gibt neben dem Fahrer oft einen zweiter „Mitarbeiter“, der die Tür bedient und kassiert. Alternativ haben einige Marshutkas automatisierte Türen. Beim bezahlen gibt man das Geld während der Fahrt durch die Sitzreihen, bis es entweder beim „Kassierer“ oder Fahrer angelangt. Falls die Marshrutka keinen „Kassierer“ hat, und ein zu großer Schein beim Fahrer angelangt, ruft dieser durch den Bus, wo denn der Zehn-Somoni-Schein hinfahren möchte.
Hier, bei den Transportsystemen, hat man auf der einen Seite ein vollautomatisiertes und auf der anderen Seite eins, dass auf menschlicher, persönlicher Interaktion basiert. Dies sieht man auch in den „Fahrzeugen“, Waggons und Bussen respektive, selbst: Die Waggons in Tokio unterscheiden sich nur in der Farbe des Liniebetreibers. In Chudschand haben die Busse alle ihre persönliche Note. Die meisten Busse haben einen aufwendig gestalteten Innenraum. Die ursprünglichen Innenräume der Busse sind stark verändert. An der Decke ist eine Haltestange und die gesamte Decke ist bei vielen Marshrutkas verziert. Ich hab leider noch keine Bilder davon gemacht. Die Verziehrungen sind schlicht, manchmal werden LED-Bänder zur Beleuchtung eingesetzt. Doch jede Marshrutka hat ihren eigenen Charakter.

Wie man isst

In den meisten Tokioter Restaurants findet man irgendwo am Eingang das hier:

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Der Automat ist in gewisser Weise das Zentrum des Restaurants. Man Wählt sein Essen, bezahlt, drückt die passende Taste. Dann ein kleiner Zettel, den die Maschine freigibt. Den an die Bedienung reichen, die kurz nickt. Man nimmt platz und wartet aufs Essen. Wieder ein automatisierter, unpersönlicher Vorgang.
In Chudschand dagegen: Man geht ins Restaurant. Falls man nicht in einem der teuren Restaurants ist, nimmt man Platz und sieht meist, wie sich an einem der anderen Tische jemand erhebt. Die Bedienung. Dies ist bereits ein großes Unterschied zu Tokio: Dort sind die Räume klar getrennt. Wenn die Bedienung keine Arbeit hat, steht oder sitzt sie hinter der Theke. In Chudschand ist ein „Mischen der Rollen“; Ein Bediensteter, der an Tisch, also dem Platz der zu Bedienenden, sitzt, ist keine Seltenheit, im Gegenteil. Oft sitzen Bedienstete mit Kunden zusammen, manchmal wird gemeinsam ein Vodka getrunken. Die Bedienung hat oft ein freundschaftliches Verhältnis zu den Kunden.

Wie man einkauft

In Tokio: Malls. Kaufhäuser. Stilvolle, große Gebäude, die für jeden Wunsch eines oder mehrere Geschäfte haben. Schaufenster, Auslagen, Werbeposter, Preisschilder, Kartenzahlung.
In Chudschand: Die Basare. Pandschanbe:basar

De größte Basar der Stadt, hier die Haupthalle. Der Basar streckt sich außerdem über zwei Straßen und ein weiteren teilweise überdachten Bereich. Außerdem liegt am Pandshanbe eine der größten Haltestellen der Stadt. Wenn man etwas kaufen möchte, fragt man nach dem Preis, verhandeln kommt vor, aber eher selten im Vergleich zu Basaren in der Türkei oder Israel.

wie ich fühle

Tokio und Chudschand sind für mich zwei große Gegensätze. Auf der einen Seite eines der größten bewohnten Gebiete der Welt, wobei die meisten alltäglichen Interaktionen absolut entpersonifiziert sind. Auf der anderen Seite Chudschand, wo persönlicher Umgang allgegenwärtig ist.
In der Tokioter Metro sieht man die Menschen; es wird auf ein Smartphone gestarrt oder geschlafen. Wenn man in Tadschikistan beim Friseur oder im Fitnessstudio ist, und ein fremder den Raum betritt, schüttelt er erst jedem die Hand.

Während die automatisierte alltägliche Interaktion in Tokio wahrscheinlich „die Zukunft“ ist, hat das Leben in Chudschand durchaus seinen Charme. Die persönlich gestalteten Marshrutkas, das Händeschütteln mit absolut Fremden und noch so vieles mehr waren am Anfang für mich sehr befremdlich, aber inzwischen bin ich daran gewöhnt und finde diese lebendige Art des öffentlichen Lebens deutlich angenehmer als die Blasiertheit, die oft in Großstädten zu spüren ist.

Bis nach Tokio und noch viel, viel weiter..

Im Kulturweit-Programm ist ein Zwischenseminar fest eingebaut. Für uns Tadschiken ist das Seminar in der Mongolei, genauer, Ulan Bator. Und da das weit weg ist, haben wir uns gedacht, dass wir gleich n paar Umwege machen.

Die Planung

Lange wurde überlegt, welche „Umwege“ genommen werden können. Nachdem insbesondere Adrian verbrachte Tage auf den einschlägigen Flüge-Suchen-und-Buchen-Webseiten. Vielen Dank von meiner Seite dafür! Irgendwann stand dann der Plan fest:
Hinflug:
Chudschand – Tokio
und dann später: Tokio – Ulan Bator

Rückflug
Ulan Bator – Peking
Peking – Chudschand

Alle Angaben ohne Zwischenstopps.

Ein paar Tage Tokio und <72 Stunden Peking. Dank Touristen- und 72-Stunden-Transitvisa.

Doch schon beim Buchen begannen die Probleme. Durch das Schicksal wurde Peking von Adrians Besuch verschont.  Als „Upgrade“ hat sich dann Lina, die Freiwillige aus der Hauptstadt, entschieden, mit mir Peking mal von innen anzuschauen.

Soviel zum Vorwort. Auf zu Kapitel 1.

Hinflug und Tokio

Morgens, 7 Uhr und n paar zerquetschte. Mittags geht die Hinroute Chudschand – Tyumen – Moskau – Tokio los. Den Handywecker ausschaltend sehe ich meine Mails. Irgendne Mail vom Reisebüro, die sagt, dass mein Flug gecancelt wurde, genauer: Der Flug Chudschand Tyumen Fängt ja gut an. Außerdem WhatsAppnachrichten meines Vaters, der mir nach Chudschander Uhrzeit am frühen morgen, als ich noch schlief, ähnliches berichtet hat, da er auch die Mails bekommen hat. Nach europäischer Zeit war es tiefe Nacht, vielen Dank dafür.
Da der Vater nun schläft, da in Europa inzwischen noch tiefere Nacht ist, vier Stunden Zeitverschiebung und so, wird zum einen Adrian kontaktiert, der auf der anderen Seite der Stadt wohnt, und die Situation der Gastmutter dank der Gastschwester übersetzt. Und sofort gehts los. Sachen werden gepackt, der schläfrige Adrian angestachelt, dass ganze Gleichzutun, da wir dann ASAP zum Flughafen tuckern. Dort wird nach Flügen geschaut. Ein Direktflug Chudschand – Moskau. Nächste Aufgabe Bargeld. Visa streikt, also nochmal durch die Stadt rennen. Die Frau am Schalter hat uns versichert, dass es keine Probleme mit dem Gepäck und der Kostenerstattung gibt..

Vorspulen auf: Moskau, Domodedovo

Wir kommen nicht an unser Gepäck. Da das Gepäck auf Moskau gebucht ist, müssen wir zur Gepäckausgabe. Was sich ohne Visa als de-facto unmöglich erweist. Also hoch zum Transit-Check-in. Es ist inzwischen Mitternacht und zwei übermüdete aber heldenhaft eifrige Beamtinnen erklären uns, das wir n bissel blöde waren, und das wir warten sollen. Eine Stunde später haben wir die Zusicherung, dass unsere Taschen nach Tokio mitkommen. Außerdem gibts noch ne Runde Bordkarten für den Moskau – Tokio Flug und endlich ab in den Transitbereich. dort die nächste Herausforderung. Unser Flug geht erst in ~16 Stunden. Ab ins Kinderparadies. Der relativ kleine Raum ist mit Großplastikspielzeug ausgestattet, so Kindertische und so.. Außerdem läuft gruselige Weihnachtsmusik oder es kommen Knallgeräusche, weil auf dem Beamer, der einen Teil des Bodens beleuchtet, Schneeflocken auf dem „Boden“ fallen. Und dabei halt Knallgeräusche machen. Laute Knallgeräusche. Schwer zu verstehen? Für uns auch.
Aber nicht alles ist schlecht: Der Boden ist mit Schaumstoff überzogen und hat den Komfort einer Plastikisomatte. So pennen also die Chudschander KuWeitis umgeben von russischen Familien und teilweise handgreiflichen Kindern – Adrian ist sich fast sicher, dass er durch den Tritt eines Kindes aufgewacht ist – im Domodedovo.

"schöner kann man nicht schlafen".. -Adrian Ptak

„schöner kann man nicht schlafen“..
-Adrian Ptak

 

Dann, irgendwann, sitzen wir im Flugzeug. Japan Airlines. Es gibt eine Viererreihe in der Mittel und zwei Zweierreihen außen in der Economy. Wir sitzen in der Zweierreihe. Es ist schon schön, mal ein bisschen Privatsphäre zu haben. Mal keinen „Steve Jobs“. Steve Jobs?

//Handlungssprung, weil der Autor es nicht gebacken kriegt.

Zurückspulen nach Chudschand.

Wir betreten das Flugzeug nach Moskau. Eben waren wir noch froh, dass wir unseren Flug erreichen. Jetzt merken wir, wie müde wir sind, nach dem stressigen Tag. Und dann merken wir’s: Das Flugzeug besteht aus Babys. Gefühlt die hälfte der Passagiere scheint noch bewindelt zu sein. Und kaum hat man’s realisiert, geht’s schon los. Der Kanon des Quakens, Schreiens und des „Wäh Wäh“. Adrian und ich hoffen noch kurz, dass wir weiter hinten im Flugzeug sitzen können. Ich schaue auf meine Karte. Ich sitz mitten im Getümmel. Adrian sitzt ganz hinten. Sogar eine kleine Zwischenwand mit so nem Stoffvorhang zwischen ihm und den Lärmterroristen. Wir schöpfen Hoffnung. Also auf zum Steward. „Pomenjat“ heißt tauschen auf Russisch. Wird schon klappen. Der Steward versteht uns sofort. Wir wägen uns sicher. Doch dann: Wir sollen beide nach vorne. Auf meinen Platz und halt der daneben. Adrian überlegt noch kurz, ein gnädigeres Schicksal zu erbitten, ich resigniere, da ich im Kern immer noch froh genug bin, dass wir überhaupt n Flugzeug haben. Die Kinder werden uns schon nicht töten. Und im Domodedovo werden wir dann schon schlafen können..
Also auf die Plätze. Ich sitze am Gang, Adrian in der Mitte. Und dann kommt „Steve Jobs in Weiß“. Der junge Herr hat den Fensterplatz in unserer Reihe. Da er einen weißen Rollkragenpullover trägt, hat er seinen Namen auch schon weg. Adrian und ich „smalltalken“ noch kurz, was bei unserem 5-Wörten-Wortschatz durchaus witzig und eher hölzern ist, dann wird gestartet. Ich verliere irgendwann das Bewusstsein und gehe meiner Lieblingsflugzeugtätigkeit nach: Mit offenem Mund, leicht schnarchend, schlafen. So bekomme ich die Abenteuer von Adrian und Steve leider nur am Rande mit.
Als ich dann irgendwann wieder aufwache, beginnt Adrian mich für meinen festen Schlaf zu bewundern. Am Anfang meines Schlafes hat er noch weiter „gesmalltalkt“, danach Bilder von Steve’s Kindern bewundert. Dann hat Steve Musik gehört und gesungen. Muss ne schöne Atmosphäre gewesen sein. Kinder und Schlager. Dann ist Steve wohl zweimal über mich rüber geklettert, um zur Toilette zu kommen, was ich nicht bemerkt habe. Es fällt mir immer noch schwer, dass alles zu glauben. Wach werde ich auf jeden Fall dadurch, dass Steve, der inzwischen auf der anderen Seite des Ganges sitzt, sich mit den Leuten hinter uns unterhält. Ich gehe zur Abwechslung mal zur Toilette, und sehe wie der rückwärtige Teil des Flugzeugs noch mindestens fünf freie Plätze hat…
Irgendwann sind wir dann im Domodedovo. War n einmaliges Erlebnis..

Vorspulen nach: Japan Airlines

Im Flugzeug bei Japan Airlines sitzen wir wie gesagt „privat“. und wie: Es gibt ein geniales Fernseh/Musik/Konsolensystem an unseren Plätzen. Also zuerst einmal die Spiele der Konsole angucken, denn auf der Rückseite der Fernbedienung, die in der Lehne versteckt und rausnehmbar ist, ist ein kleines Gamepad. Nach einer Runde Tetris gegen Adrian hat dieser schon keine Lust mehr, ich war wohl ein bisschen zu brutal zu ihm. Also ein bisschen Street Fighter II. Das kann man zwar nicht im Versus spielen, aber die KI sorgt auch schon für große Gefühle. Ich spiele, bis Adrian mich ermahnt, dass ich langsam peinlich werde, weil ich durchs Flugzeug brülle, weil ich wieder mal sehr knapp verloren habe. Dann kommt auch schon das Essen, dazu Bier. Dann noch n Whiskey, man gönnt sich ja sonst nichts und kostenlos ist kostenlos. Wir spielen irgend ein Japanisches Strategiebrettspiel mit so schwarzen und weißen Steinen, dass ein bisschen an Schach erinnert. Nach meiner Zählweise habe ich beide Runden gewonnen, Adrian ist da anderer Meinung, aber wer Interessiert sich schon für die Spielregeln und so.. Dann noch Mad Max – Fury Road geguckt, „Der mit Abstand beste Actionfilm der letzen Jahre“ -Le__Art.

Und dann sind wir endlich in Tokio

Haneda

 

To be continued.

Kurzwellenübertragung – Krankheit

Wer genauer hinschaut, sieht, dass ich seit Monaten nicht geschrieben habe, jetzt aber schon meinen dritten Beitrag innerhalb von ~24 Stunden schreibe.

Weil ich derzeit zuhause sitze. Also in Shkalovsk. Denn ich bin Erkältet. Und ich muss am Samstag fit sein, denn dann beginnt der Flugmarathon. 38 Stunden. Chudschand. Irgendwas komisches. Moskau. Tokio. Aber das wird ein anderer Post. Und weil ein User mit dem Nickname Tamagotchi etwas über meinen Rücken „gespoilert“ hat.

Naja, und was mache ich während meiner Erkältung? Das volle Programm:
Tee trinken.
Nasenspray
Dampfbäder
Star Wars Episode IV
Heißes Salzwasser in die Nase ziehen
Hühnersuppe
Wie schon gesagt, schreiben..

Und: Schröpfen

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"Wie Knutschflecken, nur ohne Knutschen" -Annette Gördel

„Wie Knutschflecken, nur ohne Knutschen“
-Annette Gördel

 

Auch wenn gestern noch durchwachsen war, geht es mir zum einen heute schon wieder relativ gut. Es ist halt ne Erkältung. Man könnte sagen: das nervigste an einer Erkältung ist das mangelnde Prestige. Wenn ich jetzt schreiben würde, dass ich ne Sepsis hätte, würden alle ausrasten. Aber bei ner Erkältung denken die meisten (oder zumindest ich über mich selbst): „naja, richtig krank ist das ja nicht. Eher ein Faulheitsanfall des Immunsystems“
Zum anderen ist es echt schön, mal so richtig den Kopf frei zu haben. Im übertragenen Sinne. Meine Nebenhöhlen sind absolut dicht. In „Wo bin ich eigentlich grade?“ hab ich ja gemeint, dass „Die Tage ein permanenter Strom“ sind. 6 Tage die Woche in der Schule. Die ist bis ~15 Uhr. Um 16, oder nachm Sprachkurs um 17, Uhr zuhause. Das bekommt man schnell rum. Am Sonntag gibt’s immer was zu tun: Essen gehen und danach Counterstrike in nem PC Bang spielen. Oder auf’n Geburtstag gehen und dann nochmal beim Arbob, dem lokalen Palast, vorbei. Oder was auch immer. Da’s der einzige freie Tag ist, findet sich immer was.
Und da es hier keine Herbstferien gibt, bin ich halt immer gut beschäftigt. Bis gestern sozusagen. Es ist schön, von 12 bis zwei schlafen zu können, fern zu sehen, ohne sich wie ein Zeitverschwender zu fühlen und zu schreiben, ohne dass es sich lästig anfühlt. Also Mails, Blog und Chatten..
Denn zumindest zum Blog- und Mailschreiben konnte ich mich in den letzten Wochen offensichtlich schwer motivieren. Dafür halt jetzt die „Hyperarktivitätsphase“

P.S: Vielen vielen Dank für das positive Feedback und fürs Lesen! Und auch für den Kommentar, den ich bereits am Anfang erwähnt habe, der mich sehr erfreut hat!

 

Anmerkung zum Titel.

Die Idee ist immer noch geklaut. SWT steht für Shortwavetransmission.

Kurzwellenübertragung – Berge

Während der vier Tage in Duschanbe haben wir, man will es kaum glauben, nicht nur in der Bundesbar oder in diesem einen genialen chinesischem Restaurant gesessen, sondern wir haben tatsächlich zwischendurch mal den Arsch hochbekommen und sind in die Berge gefahren.

Man darf jetzt natürlich bloß nicht zu positiv über uns drei kulturweit’ler denken, der Ausflug geht an sich auf die Kappe der 89. Schule und Herrn Spahn. Wir waren nur Beifang. Es ist also weniger unsere gigantische Naturverbundenheit als eher der Umstand, dass die Wanderung für Lina geradezu ein „Betriebsauslug“ ist, da sie ja nun mal an der 89. Schule arbeitet.

Auf jeden Fall standen wir dann am viel zu frühen morgen, um 10

*/ Man muss halt dazu sagen, dass in Tadschikistan alles früher losgeht und aufhört. Adrian war schon mal um 5 Uhr morgens Fußballspielen, sowas ist keine absolute Seltenheit. Auch Foteh war am Wochenende immer spätestens um acht, in der Regel um sieben. Aber wie schon gesagt, um 18 Uhr endet langsam das öffentliche Leben und nach ~20 Uhr gibt’s nur noch wenige und teurere Taxis und eigentlich keine Busse mehr. Es ist also ein bisschen so, als ob ich in Deutschland schreiben würde: „am viel zu frühen morgen, um 12“. Aber wie immer: Wenn man das Gefühl hat, dass man den „Witz“ erklären muss, weil man’s nicht gebacken kriegt.. Hier sagt man „Naschud“. „Hat nicht geklappt“ */

oder so, an der Bushaltestelle, und haben erstmal ne ganze Weile auf den gecharterten Bus gewartet. Während der Fahrt selber habe ich einen großen Fehler, nämlich kein Foto der gigantischen Moscheebaustelle, gemacht. Tadschikistan hat glaub ich so’n kleinen Kompensationszwang und deshalb den größten Fahnenmast der Welt und die größte Moscheebaustelle Zentralasiens, aus der demnächst wohl die größte Moschee Zentralasiens wird. Und die ist halt echt groß. Ich dachte erst, das würde n Kraftwerk oder so werden.

Nach einer Stunde waren wir dann da:

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Keine Ahnung, was das genau für eine Ferienanlage ist und von wem sie benutzt wird.

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Ein Teil unserer fröhlichen Reisegruppe. Der Herr rechts hat sich uns im Dorf angeschlossen und die Gruppe währed dems Bergaufteils“ begleitet. Adrian und ich sind die meiste Zeit vormarschiert, weshalb wir nicht im ihm gequatscht haben.

immer diese Backpacker mit ihren Smartphonefotos..

immer diese Backpacker mit ihren Smartphonefotos..

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Noch sind alle fit!

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Bin 10 Minuten lang Fotos knipsend um den Esel gerannt.

Es gibt auch ein Bild, wo ich doof aussehe und nicht Lina. Ich hoffe mein Karma wird nicht vollständig ruiniert.

Es gibt auch ein Bild, wo ich doof aussehe und nicht Lina. Ich bin чмо.
[Google Übersetzer versagt hier, da чмо die Abkürzung für человек морально отсталый ist. Moralisch zurückgebliebener Mann. Eines der ersten Worte, die ich hier gelernt habe, Fotehs Großmutter hat Foteh während der Fahrt vom Flughafen permanent so genannt. Keine Ahnung, was Foteh vorher gesagt hat. „was ist Tschmo?“ „moralischer Idiot“.]

Warum gibt es hier eine Straßenlaterne? Und wo kommt sie her?

Warum gibt es hier eine Straßenlaterne? Und wo kommt sie her?

Ufo confirmed.

Ufo confirmed.

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Der älteste Baum Zentralasiens. 3000 Jahre alt.

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Der Baum ist heilig, und die bunten Tücher werden angebracht, wenn man eine Bitte hat.

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Wichtiger Hinweis zum Titel:

Die Idee ist geklaut. Dieser wunderbare Youtuber, der geniale Videospiel-Analysen auf höchsten Niveau macht, nennt seine fünfminutenvideos „Shortwavetransmission“. Heute ist kein guter Tag für mein Moral-Konto.

Wo bin ich eigentlich grade?

Noch zwei Tage, und es sind sieben Wochen. Das ich schon seit mehr als acht Tagen in Chudschand bin, ist wohl offensichtlich, aber waren die Tage doch durchaus ein permanenter Strom der erst jetzt langsam überschaubar wird.

So viel ist passiert. Vier Tage Panik-WG-Leben in der Hauptstadt, zwei Fahrradstürze, einer witzig, einer ärgerlich. Ja ich hatte den Helm auf Papa. Tage der Hitze, Tage mit „deutschem Wetter“, eine Woche Deutschcrashkurs für die Schülern von drei Gymnasien, Elftklässler, die das DSD-II ablegen wollen. Ein Besuch beim Kairakum, dem „Meer“ hier. Es ist ein Stausee. Aaaber ein sehr, sehr schöner Stausee. Und halt das einzige, was hier so in den nächsten paar hundert Kilometern an Meer oder Seen erinnert. Mein Russisch wächst wie Schimmel. Langsam, aber ich bin doch immer wieder erstaunt, wenn plötzlich was da ist.

"Meine Tasse". Jedes mal in der Mensa suche ich nach ihr und wenn ich sie nicht finde werde ich traurig oder bockig.

„Meine Tasse“. Jedes mal in der Mensa suche ich nach ihr und wenn ich sie nicht finde werde ich traurig oder bockig.

Der Blick vom Arbob

Der Blick vom Arbob

Gestern bin ich umgezogen, und heute sitze ich nun in einem neuen Zimmer und blicke auf die letzten Wochen zurück. Irgendwie hab ichs die letzten fünf Wochen immer geschafft, etwas zu tun zu haben, und wenn’s die digitale „Beschriftung“ der Pink Floyd-Alben ist, die ich von Gary, dem amerikanischen Gasthausbetreiber, in dessen Gasthaus Adrian, Wiebke und Frank wohnen, bekommen habe. Und jetzt müsste ich eigentlich meinem Vater ein Datum für meinen Rückflug nennen, n Hostel für meinen Kurzaufenthalt in Peking suchen und und und…

Aber jetzt erstmal #bloggen..

Was mache ich denn so derzeit?

Ich laufe durch die Schule und unterstütze die Deutschlehrer. Ich sitze mit im Unterricht, zeige, wie man „surfen“ ausspricht und so weiter. Auch eine Vertretungsstunde ist ganz leicht gemacht: „Auf welcher Seite seid ihr? Blättert eine Seite weiter und macht die erste Aufgabe! Gibt es Fragen?“ Nebenbei korrigiere ich ein bisschen die Hefte der Schüler, während ich im Deutschlehrerkabinett sitze und von den Lehrerinnen mitgebrachtes Essen esse, bevor ich eine kleine Salatpause einlege, um in der Kantine eine Hauptmahlzeit zu mir zu nehmen. In der Kantine sitze ich bei den 11. Klässlern, in gewisser Weise das erste mal, dass ich mit den „Coolen Leuten“ an einem Tisch sitze..
Neben der Schule und dem im konfusen „Intro“ erwähnten Russisch gibt’s natürlich noch das wohnen. Das spielte sich bis Gestern bei den Abdurakhmanovs ab. Der Abschied ist mir schwer gefallen, auch wenn ich insgeheim sehr Stolz war, wie herzlich ich verabschiedet wurde. Es ist irgendwie immer komisch, wenn man die Gastfamilie wechselt, obwohl alles super ist. Aber Inna, meine derzeitige Gastschwester, wollte unbedingt, dass ich zu ihr ziehe. Vielleicht, weil ich einfach sehr sympathisch bin, vielleicht, weil es nun mal von Vorteil ist, wenn man zuhause einen Deutsch-Muttersprachler hat, wenn in einem Monat die Prüfung fürs DSD ist..
Ich hab auf jeden Fall in der ganzen Situation das typisch-deutsche Gummirückrat bewiesen und einfach dass gemacht, was man mir gesagt hat. Also nun aus Schkalovsk die Retrospektive auf „Wodnik“, so hieß der kleine Ort..

Chudschand vom Dach von Garys Gasthaus aus.

Chudschand vom Dach von Garys Gasthaus aus.

Vier Szenen aus Wodnik:

Am Essenstisch.
Zumindest in den ersten Wochen wurde bekam ich mindestens einmal pro Tag den besorgten Blick von Fotehs Großmutter oder Mutter zu spüren, die befürchteten, dass ich nicht „satt“ würde..
So wie man es zuhause von Großmutter kennt.. Und wie wir alle wissen: Da hilft kein Reden, nur Taten können die „(groß)mütterliche“ Sorge stillen. Verhungert bin ich also nicht. Neben exzellentem Plov durfte ich, wie schon erwähnt an der Schlachtung teilnehmen (-> siehe weiter vorne im Blog) und auch das frisch geschlachtete Schafsfleisch und viele andere Leckereien genießen.

Foteh und Ich, irgendwo:
„Hast du einen Plan für heute nachmittag/abend“
„nö, du?“
„nö“
Man sieht: Foteh und ich waren hundertprozentig auf einer Wellenlänge! Ob wir nun stundenlang über Gott und die Welt geredet haben, über Assassins Creed oder wir einfach nur aufs Dach geklettert sind um Chudschand bei Nacht zu sehen.. Gastbruder ist der richtige Begriff.

Das „Klettern“. Oder: Anpassung ans Gastland
Da Garys Gasthaus, in dem auch Adrian wohnt, gar nicht so weit weg mit dem Fahrrad ist, durchaus ein zwei Nachmittage mit Adrian gekocht und oder abends in der unglaublich netten „geselligen Runde“ gesessen.

Wenn "Männer" kochen..

Wenn „Männer“ kochen..

Wenn man dann nun mal um 22:00 nach Hause kommt, also das öffentlich Leben eigentlich seit 4 Stunden vorbei ist, ist die Lösung einfach: Das Fahrrad und den Rucksack in den Vorgarten legen, auf den Zaun steigen, von dort aufs Vordach, dann das richtige Dach. Dann mein Balkon, die Tür ist immer offen, und zu guter letzt in Fotehs Zimmer, um zu prahlen, dass es mir wieder mal gelungen ist, ins Haus zu klettern. Und dann halt noch schnell runter, kurz das Lächeln der kopfschüttelnden Großmutter erwiedern und dann Rad und Rucksack durch das von innen zu öffnende Tor holen. Ein Klassiker.

„Der Großvater“
Vielleicht vor zwei Wochen, ich weiß es nicht genau, kam ich von der Schule wieder, stand im Hof, hab natürlich sofort den Großvater begrüßt, aber er war nicht ganz zufrieden. Nach kurzer Unklarheit dann: Ein Kuss rechts, ein Kuss links, ein Kuss rechts. Erst war ich irritiert. Und dann verdammt Stolz. Die von dem Zeitpunkt an etablierte Begrüßungszeremonie ist wohl das, was mich am meisten bei Foteh bewegt hat.

Chudschand vom Dach von Garys Gasthaus aus.

Chudschand vom Dach von Garys Gasthaus aus.

Achtung! Schlachtung!

[Anmerkung: Die Bilder, die ich für explizit halte, sind ganz unten als Miniaturen unkenntlich vorhanden. Wer einen Schafskopf sehen möchte, muss die Bildchen anklicken.]

Es gibt immer ein erstes Mal. Also zumindest bei den meisten Dingen. Egal. Heute durfte ich jedenfalls eine Schlachtung erleben. Da
ich nun schon seit fast zwei Jahrzehnten auch Fleisch esse, dachte ich: „warum nicht?“

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Aber eigentlich fange ich die Geschichte ganz falsch an. Heute ist Opferfest. Курбан Байрам (Kurban Bajram). Und deswegen wird geschlachtet. Und in meiner Gastfamilie, bei den Abdurachmonovs, beginnen nun die letzten Minuten des namenlosen Schafes, dass vorher in der Scheune seine Zeit verbracht hat.

Also wurde das Schaf geholt und geschlachtet. Wie man so ein Schaf halt schlachtet. Ich dachte im vorhinein, dass ich mich einfach dazustelle und ganz eventuell sogar ein bisschen dazu verpflichtet bin, so als Schafesser. Für all die Schafe, die bereits meinen Magen gefüllt haben, nun also eine Konfrontation mit einem Stück Realität.
Ich dachte, dass es keine Große Sache wäre. So fing also die Schlachtung an, Akmal, der Schlachter, hat mich tief beeindruckt mit seinem Handwerk. Ich hab ihn später gefragt, wie alt er sei.. „18“. Und wie lange er schon schlachte.. „seit 10 Jahren“. Ich war ziemlich baff. Zuerst dachte ich „wow, der ist nur ein Jahr älter als ich und schon so erfahren“ aber dann ist mir eingefallen, dass ich selber schon 18 bin und er keinen Zeitvorsprung hat, sondern einfach so deutlich mehr Arbeitserfahrung hat..

Während der Schlachtung war ich die meiste Zeit passiver Beobachter. Einfach zuschauen. Neutral aussehen. Beim zweiten bin ich wohl ziemlich gescheitert. Foteh hat mich immer wieder gefragt, ob ich sitzen wolle.. Es ist immer wieder traurig, wenn man sich nicht mehr selbst vorgaukeln kann, dass alles „easy“ ist. Ich kann nur schwer nachvollziehen, wie ich ausgesehen haben muss; wahrscheinlich eine Mischung aus Müde, Ernst und Passivität, böse Zungen würden sagen: Starre.

So was ähnliches hatte ich als Kind, wenn mir im Winter mein Bett zu kalt war.

So was ähnliches hatte ich als Kind, wenn mir im Winter mein Bett zu kalt war.

Irgendwann, kurz nach dem Häuten bin ich dann meine Kamera holen gegangen und hab, um das Klischee des europäischen Touristen zu erfüllen, ordentlich Bilder gemacht. Schade, dass ich kein Plan von Fotografie hab. Durch die Funktion des Fotografierens habe ich einen ganz anderen Zugang bekommen und ich bin echt Stolz auf die paar Bilderchen. Das erste mal, dass ich mit Begeisterung in Tadschikistan fotografiere..

ein ungeschlachtetes Schaf.

ein ungeschlachtetes Schaf.

Später am Abend wurde dann zumindest ein Teil des Schafes verspeist, was mir super schmeckte. Sogar ein geniales Stück Leber war dabei!

Jedem, dem sich eine ähnliche Chance bietet, würde ich raten, sie zu nutzen. Es war für mich ein bisschen wie Achterbahn fahren. Zwischendurch frage ich mich, ob die Idee „einzusteigen“ dumm war. In einigen Sekunden bereue ich die Entscheidung. Aber am Ende fühlt ich mich relativ krass und bin Stolz drauf.

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Und zu guter letzt: Bilder für die „ganz Harten“

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