So… es ist für mich noch nicht so ganz real und es ist auch kaum zu glauben, aber 7 schöne Wochen in Georgien sind schon wieder vorbei. Es fühlt sich so komisch an, wenn man etwas entgegen fiebert und dann ist es einfach rum… und nun? Was kommt jetzt? Ich weiß es nicht. Aber erstmal erzähle ich euch von den letzten 2 Monaten:
Es war wirklich eine tolle Zeit in Georgien. Am 21.12. flogen Dana und ich nach Moskau, sie dann weiter nach Deutschland und ich in mein geliebtes Georgien. Diesmal sollte es keine Überraschungen geben, ich wurde einfach nur von Sero abgeholt und fertig.
Weihnachten selbst war eine sehr ruhige Veranstaltung. Sero musste ja arbeiten und ich habe mir einen schönen Tag mit Mareike, der jetztigen Kulturweit-Praktikantin, gemacht. Erst waren wir groß im Goodwill-Supermarkt einkaufen. Alles was deutsch und überteuert war, musste eingepackt werden: Spekulatius, Plätzchenmischung, Glühwein und und und. Nachmittags machten wir dann Bratäpfel und Glühwein, ich backte Muffins und wir saßen einfach gemütlich in meiner Küche und quatschten. Als Sero abends von der Arbeit kam, quälte ich ihn noch mit einem schrecklich, amerikanischen Weihnachtsfilm „Santa Claus“ und danach wurde artig geschlafen.
Am 25.12. fand bei Mareike zu Hause eine Weihnachtsparty mit allen Mitarbeitern von DAAD und Goethe Institut statt. Es war wunderbar. Alle Lieben auf einem Haufen: Lisi, Tamuna, Levan und der ganze Rest 😉 Gut angedüdelt kam ich dann irgendwann um 23 Uhr nach Hause und dann gings einen Tag darauf auch schon abends nach Batumi mit dem Nachtzug. Ich habe wirklich den richtigen Mann für mich gefunden. Ich hatte Seros Pass bei uns zu Hause in der Wohnung zwar eingepackt, aber seinen Personalausweis liegen lassen… tja, den braucht der gute Mann aber um aus Georgien ausreisen zu dürfen… ohne schimpfen, zetern, maulen einfach nur gelassen, setzte er mich also in den Zug, fuhr zur Wohnung zurück und holte den Ausweis… während ich nervös auf die Uhr starrend im Abteil wartete und 5 Min vor Abfahrt schon den Kontrolleur bearbeiten wollte. Manchmal ist es echt das Beste einen relaxten, türkischen Freund zu haben – kann einen aber auch streckenweise zum Ausrasten bringen 😛
Der Nachtzug war grausam… zwei schnarchende, alte Georgier in einem Abteil, aber ein hoch an Oropax… mal wieder… ich muss denen echt mal schreiben! Ich glaube Sero hat gelernt, dass es Zeit ist und wir alt genug sind, dass wir uns ein 2er-Abteil im Zug leisten können. In Batumi angekommen, wurden wir nicht von Cems Fahrer abgeholt, weil der das erste Mal in seinem Leben verschlafen hatte, sondern nahmen ein Taxi… ihr könnt euch vorstellen wie meine Einstellung dem bevorstehenden Flug gegenüber waren… erst Ausweis vergessen, dann nicht abgeholt werden – es kann ja nur besser werden.
Nach einer weiteren Runde Schlaf in Cems Wohnung und einem ausgedehnten Frühstück in einem Literaturcafé, fuhren wir, meiner Meinung nach viel zu spät zum Flughafen, aber hier kann man mal wieder über die kulturellen Unterschiede und das persönliche Gefühl von Zeit und Entspannung diskutieren… ich liebe es eben eine Stunde vor Abflug da zu sein und ich hatte es 10 Min vor Boarding am Flughafen anzukommen…da ist es dann wieder zu viel türkische Entspannung.
Und jetzt beginnt das Abenteuer „türkische Schwiegerfamilie“:
In Istanbul Sabiha Gögcen angekommen, nahmen Sero und ich ein Taxi, aber nicht ohne dass Sero den ersten Taxifahrer in der Reihe einfach links liegen ließ, weil er ihn zu unfreundlich fand und damit einen größeren Aufstand auslöste und später auch noch an die Taxigesellschaft einen Telefonreport geben sollte, wer, was, wann, wo…
Nach einer längeren Odysee und mehrmaligen Nachfragen auf der Straße (kennt ihr diese Szene aus dem Film Zimt und Koriander, wo diese 3 alten Männer, wenn sie nach dem Weg gefragt werden immer gleichzeitig wie in Kompass erst in die eine und dann in die andere Richtung schauen und zeigen… so sahen Sero und das Taxifahrer in irgendeinem Geschäft aus, als sie nach dem Weg fragten :D)
Nach mehrmaligen Anrufen bei seiner Schwester, sammelten wir sie, Özlem, dann auf dem Weg ein und fuhren endlich zu ihrer Wohnung. Dort warteten die MONSTER 😉 Roza (4) und Rony (2) die sich nur so auf die Geschenke stürzten. Ronys Auto war nach 10 Minuten bereits nicht mehr zu erkennen und in gefühlte 20 Teile zerlegt, während Rosa ab diesem Zeitpunkt nur noch mit ihrer fake-Barbie Verpackung durch die Gegend lief und mich alle 5 Minuten quälte ihre Puppen an und aus zu ziehen… wer mich kennt, weiß wie groß meine Abneigung gegenüber magersüchtigen Puppen ist und ich lieber mit Lego spiele… das nächste Mal kauf ich die Geschenke, das ist sicher!
Aber es war wirklich toll, dass wir erst bei Özlem und ihrem Mann Salih eine Nacht schliefen und einen gemeinsamen Tag verbrachten, bevor Seros Bruder Ferhat mit seiner Frau Elif auf die asiatische Seite kam, um mit uns zu Abend zu essen und uns danach zu den Eltern auf die europäische Seite zu bringen. All diese kleinen Erweiterungen machten es mir wirklich einfacher die Familie Schritt für Schritt kennenzulernen und nicht total überfordert zu sein. Allerdings war es trotzdem eine äußerst komische Situation als wir bei seinen Eltern in die Wohnung kamen und viel mehr Menschen dort waren, als erwartet. Ich konnte garnicht erkennen wer nun Seros Mutter sein sollte, weil auch noch Seros Onkel mit seiner Frau und deren Schwester zu Besuch waren und ich im ersten Moment überhaupt keinen Überblick hatte.
Ich wurde alleine in einen Sessel gesetzt, während Sero zwischen seinen Verwandten sitzen durfte und 100 000 Fragen beantworten musste. Özlem übersetzte glücklicherweise stellenweise für mich, denn für sie war es auch ganz neu auf einmal wieder so viel Englisch sprechen zu dürfen/müssen/sollen.
Als Seros Papa dann nachts um 1 Uhr auch endlich zu Hause war, kroch ich schon nur noch auf dem Zahnfleisch, weil ich so müde und angestrengt von den vielen unbekannten Leuten und unverstandenen Worten war. Ich hatte vorher von Cem in Batumi noch den Hinweis mit auf den Weg bekommen, dass in der Türkei die Respektpersonen Großeltern und Eltern mit einer Art Handkuss und dem Führen der Hand zur eigenen Stirn begrüßt werden. Bei Seros Mutter hatte ich das schon ausprobiert, aber diesmal wollte ich es bei seinem Vater in Perfektion ausführen. Wurde aber (leider) nichts, da sein Vater so voller Freude war, dass er mich ganz untraditionell in den umarmenden Schwitzkasten nahm und sich einfach nur übermäßig freute.
(An diesem Abend machte ich auch das erste Mal Bekanntschaft mit dem Phänomen türkischer Mann im Schlafanzug. Und es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein. Seros Papa ging sich also die Hände waschen und als er zurückkam, hatte er einen grauen Schlafanzug an, der mich total aus der Fassung brachte. Ich war einfach nicht gewohnt, dass man irgendwo zu Besuch war und der Herr des Hauses setzt sich mir im Schlafanzug gegenüber. Aber in den nächsten Tagen lernte ich, dass man im Hause Gezer grundsätzlich immer Schlaf- oder Hausanzug trägt, bis man das Haus verlässt. Am dritten Tag schenkte mir Seros Mama auch eine Schlafanzughose, wahrscheinlich dachte sie: „Die Arme hat keine!“. J Und mein persönlicher Schlafanzug-Award geht an… Seros Opa, der 15 Jahre in Stuttgart gewohnt hat, denn so einen schönen petrolfarbenen Frotteeschlafanzug hab ich noch nie gesehen. Außerdem war es sehr witzig sich mit ihm auf Deutsch zu unterhalten. Er möchte meinen unverheirateten Schwestern an unserer Hochzeit auch gleich noch gute türkische Männer vermitteln 😛 ich bin gespannt! )
Der Papa setzte sich sofort auf den Boden des Wohnzimmers und aß erstmal eine Runde Käse, Oliven, Brot und trank dazu Tee. Immer wieder fragte er mich, ob ich nicht doch auch etwas essen möchte. Nach einer kurzen Unterhaltung zwischen den Männern des Hauses durften wir endlich ins Bett gehen. In den nächsten Tagen fuhr unser kleines Ausflugstrüppchen: Serhat, Ferhat, Elif, Özlem, Rony, Roza und ich in einem Auto zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten. Wir machten eine Bosporus-Bootstour, besichtigten eine alte Basilika, gingen in die blaue Moschee und fuhren mit der Seilbahn auf einen kleinen Berg von wo aus man einen guten Überblick über einen Teil Istanbuls hatte.
Den Rest der Tage füllten wir mit Verwandtenbesuchen bei sämtlichen Onkel, Tanten und Großeltern, die wir erreichen konnten. Für mich startete eine fröhliche Geschenkeeinsammelaktion. Überall wurde ich mit kleinen und großen, kostbaren und kitschigen, selbstgemachten und teuer erworbenen Geschenken beschenkt. Das Geschenk, dass Seros Familie am meisten aus dem Häuschen brachte, war eine kleine Puppe, die einen Korb mit Haselnüssen auf dem Rücken trägt und aus Trabzon stammt. Dieses kitschige Ding wurde mir von der zweiten Frau des Vaters von Seros Mutter geschenkt, die dafür bekannt ist (oder jetzt war), dass sie nie NIE NIE jemandem etwas schenkte. Seros Mama und Özlem waren total platt und meinten, das sei so ungewöhnlich, vielleicht dachte sie, dass man einer Deutschen etwas schenken müsste, damit man nicht den Eindruck vermittelte arm und geizig zu sein J Naja, das gute Teil steht jetzt auf jeden Fall in unserer Wohnung in Georgien neben dem Fernseher und wartet darauf einzustauben.
Aber ich habe auch je eine Kette von Seros Eltern aus Gold und von seinem Bruder aus Silber mit einem blauen Stein bekommen. Bettlaken von Özlem, auch wenn sie nicht verstehen konnte warum ich unbedingt Spannbettlaken haben will. Von Elif eine Hose und einen Besuch im Beautysalon zu Neujahr.
Das war auch so ne Aktion. Ich dachte ja, wir gehen da hin, lassen uns irgendwie die Haare machen und nach zwei Stunden sind wir da wieder raus… weitgefehlt! 4,5 Stunden haben wir dort verbracht. Denn es mussten ja drei Mal Erwachsenenhaare und einmal Kinderhaare gelockt werden, drei Mal Erwachsenennägel und einmal Kindernägel lackiert werden und dann auch noch alle Gesichter geschminkt werden…der arme Rony, der sich zwar die ganze Zeit mit dem iPad seiner Mutter beschäftigte, aber irgendwann zum Schluss auch nur noch schlafen wollte. Ich lernte von Roza türkisch zählen und wir spielten Fangen.
Abends fuhren oder besser gesagt stauten wir uns zu einer der Brücken, um das Feuerwerk um Mitternacht anzuschauen. Doch… es gab an dieser Brücke keins 😛 Hunderte Menschen standen zusammengepfercht am Wasser und es wurde 12 nichts passierte, 5 nach 12, keiner traute sich etwas zu sagen… um 10 nach 12 fing ich an alle meine neuen Verwandten zum neuen Jahr zu beglückwünschen und dann auch noch die Leute, die sonst noch so um mich herumstanden. Sero fragte mich ganz verwundert, ob ich denn die holländischen Zwillinge mit ihren Eltern neben mir kannte. Aber ich meinte nur, dass man sich in Deutschland beglückwünscht, ob man sich kennt oder nicht… ist doch Silvester!

Und hier nochmal von rechts nach links:
Bruder Ferhat, seine Frau Elif, Schwager Salih und seine Frau Özlem und die anderen zwei kennt ihr!
Die Woche ging aber auch sehr schnell um und schon setzten wir (Sero, seine Mama, seine Oma, sein Bruder und ich) uns wieder ins Auto, fuhren auf dem Weg zu Özlems und Salihs Wohnung noch an einer Wohnung von Verwandten vorbei, die wir vorher nicht geschafft hatten, trafen noch einen Cousin in einem Café auf einen Tee und fuhren dann lange drei Stunden von der europäischen auf die asiatische Seite. Özlem hatte bereits gekocht und wartete auf uns. Wir aßen und sahen fern und irgendwann machte sich die ganze Besucherschaft auch wieder auf den Heimweg. Sero und ich lagen abends fertig im Bett und freuten uns auch auf die Heimreise und dass wir am nächsten Tag abends schon endlich wieder in unseren eigenen vier Wänden sein würden.
Die nächsten Wochen in Georgien verbrachte ich damit mir drei Wochen lang, sechs Tage die Woche je zwei Stunden Russisch im Einzelunterricht anzutun und auch wirklich einen Fortschritt zu verspüren. Aljona ist wirklich eine gute Lehrerin und nach den drei intensiven Wochen meinte sie auch, dass sie mich vermissen wird. Außerdem habe ich mit Lisa, meiner ehemaligen Chefin vom DAAD in Tbilissi den neuen Sommerkurs für Armenier, Aserbaidschaner und Georgier beantragt und hoffe, dass mit der Finanzierung alles klappt und ich im Juni dann den Kurs leiten darf. Außerdem habe ich mich mit der Chefin des Theodor-Heuss-Kollegs getroffen und werde wohl auch schon in den nächsten Tagen ein Konzept für eine mögliche Zusammenarbeit zugeschickt bekommen. Also, das ist erstmal ein Projektentwurf für ein russisch-georgisches Projekt vielleicht zwischen Tomsk und Tbilissi. Mal sehen! Ich hatte auch drei Treffen mit dem deutschen Volkshochschulverband (dvv) in Georgien und werde meine Projektskizze demnächst mal verschriftlichen, um mich auf eine Anschlussförderung von der Bosch-Stiftung zu bewerben. Ich könnte beim dvv für sechs Monate ein Projekt durchführen und ich habe mir vorgenommen für die georgischen VHS deutsche Kooperationspartner zu finden. Ich hoffe wirklich, dass das klappt. Außerdem hatte ich auch ein Gespräch mit dem Arbeiter-Samariter-Bund in Tbilissi, aber deren Finanzierung der weltwärts Freiwilligen stand noch nicht fest und deshalb habe ich mich für den dvv entschieden. Obwohl mir eine Arbeit, die sich mit Freiwilligen beschäftigt schon sehr gefallen hätte. Aber mal sehen was sich nach Tomsk in Georgien noch so ergibt.
Auf jeden Fall schneite es in der letzten Woche in Tbilissi noch ganz viel und bereitete mich perfekt auf meine Rückkehr nach Sibierien vor. Glaubt ihr nicht? Beweisfotos:
So, genug geschrieben und erzählt… Erholt euch erstmal und ihr lest dann demnächst wieder, wie es mir so in Tomsk geht und was ich da dann wieder so treibe J







