Kriste agstga!
Ja, ich lebe noch! Ich weiß, manche Menschen denken schon ich bin verschollen oder verschleppt worden (Danke der Nachfrage, Nora), aber ich habe einfach nur Osterurlaub in Westgeorgien gemacht. Nach vier langen Jahren habe ich Grikha (Ja, auch das habe ich richtig geschrieben und Nein, er heißt nicht Grischa) endlich wieder getroffen. Ihn habe ich in Arad, Rumänien kennengelernt. Wir haben dort beide EVS gemacht und durch ihn und seinen Freund Dato habe ich das erste Mal von Georgien gehört, gesehen wie man dort tanzt und gelernt wie man dort trinkt 😉
Jetzt, nach 7 Wochen in Georgien, habe ich mit ihm, seiner Familie und seinen Freunden Ostern gefeiert. Und es war ein Fest! Im wahrsten Sinne des Wortes.
Am Donnerstag habe ich meinen kleinen Tramperrucksack gepackt und bin zum Busbahnhof Didube gefahren. Dort habe ich nach mehrmaligem fragen und immer wieder verwirrt durch die Gegend laufend doch die richtige Maschrutka nach Zugdidi gefunden. Nun saß ich da also und durfte über 5 Stunden in einem Minibus durch ein verregnetes Georgien brausen. Doch meine übliche Taktik, die ich bereits in Rumänien zu genüge ausgetestet habe, SCHLAFEN! half mir auch bei dieser Fahrt, die gewagten und künstlerisch ausgereiften Überholmanöver meines Fahrers zu ignorieren und einem Herzinfarkt zu entgehen. Ich erreichte Zugdidi so gegen 18 Uhr und wurde freudigst und überschwänglich von Grikha empfangen. Es war wirklich wunderbar nach so langer Zeit einen Freund wieder zu treffen und das Gefühl zu haben, dass es so ist wie immer! Wir sind gemeinsam was trinken gegangen und haben uns ganz kurz das Zentrum Zugdidis und den Park des Dadiani-Schlosses angeschaut. Dann haben wir noch Grikhas Schwester in Poti abgeholt, also nach den 340km Tbilisi-Zugdidi, noch mal gut 140km für diesen Hin- und Rückweg.
Endlich bei der Familie angekommen gab es ein großes Hallo und gleichzeitig auch große Enttäuschung, dass ich weder Georgisch noch Russisch spreche. Daraufhin fingen auch alle an sich dafür zu entschuldigen, dass sie kein Deutsch oder Englisch sprechen. Grikha musste deshalb übersetzen und wenn er mal nicht in der Nähe war, funktionierte es auch wunderbar mit Händen und Füßen. Ich wurde an den Tisch gesetzt und mit Salat, Brot, selbstgemachtem Honig, Tomatensauce, Chatschapuri (Käsebrot) und Wein verköstigt. Ich lernte das Mara auf Megrelisch Woche heißt und die Freundin der Tante, die auch zu Besuch war, beschloss mich Lisa zu nennen, denn Elisaveta sei so ein schöner Name… auch gut! Da ich sehr müde war, ging ich bald ins Bett und war am nächsten Morgen um so wacher, da sowohl die Sonne in mein Zimmer schien, als auch alle Vögel im Umkreis von 2 km vor allem in meine Richtung sangen! Es war grandios! Nach so langer Zeit in der Hauptstadt und wenig Natur und fast keinen Vögeln, diesen Blick und die Geräuschkulisse zu erleben!
Nach einem kleinen Frühstück sind wir nach Zugdidi gefahren und haben uns noch einmal genauer das Dadiani-Schloss, den Park und den Botanischen Garten angeschaut. das Wetter war super und es war toll so viel Zeit draußen zu verbringen. Neben dem Schloss der Königin gibt es auch eines für den König, aber es ist im russischen Stil erbaut und nicht so prächtig. Der Durchgang der Träume ist wunderschön. Wenn man mit geschlossenen Augen hindurch läuft und an seinen Traum denkt geht er in Erfüllung. Ich bin mit offenen Augen durchgelaufen. 1. um die wunderschönen alten Bäume zu sehen und 2. weil Grikha und mir so spontan kein Traum eingefallen ist. Das spricht für den wunschlos glücklichen Zustand in dem wir uns befanden 🙂
Mit Grikha durch Zugdidi zu laufen ist wie mit einem bunten Hund unterwegs zu sein. Jeder kennt ihn und andauern wird gegrüßt, geküsst, gesmall talked und erzählt, dass ich zu Besuch bin und aus Deutschland komme und immer wieder muss ich in enttäuschte Gesichter blicken, wenn ich sage, dass ich kein Russisch spreche. Tja… bayrische Bildungsminister… überlegt euch mal was!
Nach einem schönen Nachmittag in Zugdidi und vielen Geschichten über verflossene Lieben, zukünftige Pläne, georgisches und deutsches Alltagsleben und vielen interessanten, aber auch krassen und einprägenden Erlebnissen vom Krieg im August 2008. Grikha war nämlich als freiwilliger Soldat für 16 Tage in Georgien unterwegs und hatte keinen Kontakt zu seiner Familie in dieser Zeit. Er zog mit anderen Freiwilligen durch die Wälder und man merkt und sieht, wenn man mit ihm redet, wie dieser Erlebnisse auch noch heute in ihm arbeiten. Ich hab in den letzten 4 Tagen mit ihm viel über dieses Thema gesprochen und es ist für mich so komisch über Krieg und Schießen und Tod zu sprechen, des es ist so gar kein Teil von meinem Leben. Doch es zeigt auch wie zerbrechlich und flüchtig der Frieden ist und wie froh wir in Deutschland sein können, dass wir so lange Zeit keinen Krieg und keine Gefahr, die von anderen Ländern ausging, erleiden mussten.
Am Abend wollten Grikha und ich eigentlich mit Didi, einem Mitarbeiter von Droni und einem langjährigen Freund von Grikha trinken. Doch Didi ging nicht ans Telefon und berichtete uns am nächsten Tag, dass er bereits so betrunken war, dass er nicht mehr abheben konnte 😉 tztztz diese Megrelen… Also sind wir wieder nach Urta gefahren und haben und dort mit Nachbarn und Freunden aus Grikhas Dorf getroffen. Vor der alten Grundschule in einem kleinen Verschlag mit einem alten Schultisch, einer kleinen Sitzbank und einem einzigen Stuhl trafen wir uns mit 4 Freunden und tranken Bier und Tschatscha (Schnaps), der extra für mich geholt wurde. Wie ich bereits durch mehrmalige Trinkgelage mit Irakli oder auch Zurab erfahren habe, ist es in Georgien große Tradition immer Toste zu sprechen. Auf die trinkende Runde, auf die Toten, die nicht hier sein können, auf die Lebenden, die noch so viel vor sich haben… Aber die beeindruckendste Reaktion erfuhr ich, als ich das Glas erhob und auf die Deutsch-Georgische Freundschaft trinken wollte und mich bedankte für all die Gastfreundschaft, die mir entgegen gebracht wurde. Auf einmal wurde es unruhig und alle fingen an wild durcheinander zu sprechen. Grikha übersetzte mir, dass die Jungs sich so freuten, dass gerade ich diese Thema anspreche, da so viele ihrer Großväter im 2. Weltkrieg durch deutsche Hand gestorben waren. Für sie war es wirklich etwas Besonderes, dass ein deutsches Mädchen mit ihnen zusammen saß und auf den Frieden anstoßen wollte. Nach einem lauten „Gaomartschoß“ tranken wir alle und es war noch ein toller Abend in der „Urta-Bar“. Mir wurde erklärt, dass keiner der Jungs die eigene Familie, Mutter, Ehefrau… mit der Anwesenheit trinkender Freunde nerven wollte. Ich erzählte, dass ich diese Treffen nur von sechszehnjährigen Jugendlichen aus meinem Dorf kenne, die sich mit Bier, Zigaretten und ihren Rollern meist in der Bushaltestelle treffen und dort gemeinsam tranken, das führt zu gelächter und der Aussage, dass Deutschland und Georgien doch gar nicht so unterschiedlich seien 😉
Am Samstag wurde Grikhas Familie von einem Freund besucht, der Pferde züchtet. Gemeinsam kamen die 2 Jungs auf die Idee, dass wir den Urta-Berg per Pferd erklimmen könnten. Da Hento aber erst noch einen 3. Sattel besorgen musste, hatten Grikha und ich genug Zeit um nach Anaklia ans Schwarze Meer zu fahren und dort ein wenig spazieren zu gehen. Es war schön das Meer endlich mal wieder zu sehen und an einem fast leeren Strand spazieren zu gehen. Leider werden mehr und mehr hässliche 5-Sterne-Hotels gebaut und nach und nach verschwinden die alten Holzhäuser. Ich kann mir gut vorstellen, dass es im Sommer hier richtig voll sein wird. Aber ich werde es mir auch selbst anschauen, denn ich komme wieder… das hab ich schon versprochen!
Nach einem langen Spaziergang an der Küste und einmal kurz nach Rumänien winken, haben wir uns wieder auf den Rückweg gemacht. Wir waren nur ca. 2km von der abrchasischen Grenze entfernt. Dort dürfen ethnische Georgier nicht einreisen. Mir wurde schon öfter gesagt, dass es dort besonders schön sein soll, aber im Moment verspüre ich kein Bedürfnis in eine Krisenregion zu reisen. Mara Kolumna möchte keine Krisenjournalistin werden, sondern erstmal über die schönen Dinge in Georgien berichten!
Also das nächste Schöne: Reiten in Megrelien… Hento war schon gut alkoholisiert als er die Pferde brachte. Aber hey, Grikha meinte es sei schon ok und wir könnten ja trotzdem reiten. Ich dachte ich spinne als ich den Sattel sah. Von dem Pferd einer Schulfreundin kenne ich gute, deutsche Ledersattel, aber das war wirklich die Höhe. Ich verbrachte fast 5 Stunden auf diesem Ding. Das Beste war mein Start: Ich saß auf diesem Pferd, das, wie mir dann berichtet wurde übrigens das Schnellste in ganz Urta sei. Ich wollte eigentlich nur „drehen“ und keine Ahnung was dann passierte, aber dieses wilde Ding rannte los und ich saß wie ein kleiner Rodeoreiter auf dem galoppierenden Vieh. Da half kein „Stop“ kein „Brrr“ kein „Fuck“, da half Gottseidank nur das Tor des übernächten Nachbarn… ich stand da und dachte mir so… joa, Grikhas Tante hatte recht: Megrelische Pferde machen was sie wollen. Sie hatte uns davor schon für Verrückt erklärt, aber jetzt wusste ich was sie meinte. Grikha kam angeritten und meinte, dass ihm beinah das Herz stehen geblieben wäre. Er hatte mich im Innern schon im hohen Bogen fliegen sehen, aber nein… ich saß da und bestand darauf diesen Berg zu erklimmen. Mein Pferd wurde also mit den Zügeln an den Schweif von Hentos Pferd geknotet und weiter ging die lustige Reise… rein in den Wald, durch einen Fluss, über ne Wiese mit Kühen und Büffeln… Ich saß nicht ganz so professionnell auf meinem Ross wie Grikha. Und Hento machte die ganze Zeit irgendwelche Kunststückchen vor mir auf seinem Pferd. Er ist glaub ich sowas wie der georgische Pferdeflüsterer, auf jeden Fall flüsterte er meinem Pferd dauernd irgendwas ins Ohr, knutschte sein Pferd ab und erklärte mir fröhlich irgendwelche Dinge, Bäume oder Wege auf Megrelisch… Wir ritten erst zu einem kleinen Steinbruch und tranken aus einer frischen Bergquelle und danach ging es weiter in Richtung Berggipfel!
Nach 4,5 Stunden reiten taten meine Oberschenkel schon so weh, dass wir wirklich nur noch im langsamten Trap nach Hause schleichen konnten. Als wir nach Hause kamen gab es noch Abendessen und Hento hat uns dabei begleitet. Er hilft der Familie oft bei verschiedenen Sachen und bekommt dafür nie mehr als 2 Gläser Wein, weil er sich sonst vergisst. Es war ein Katz-und-Maus-Spiel, da er immer wieder versuchte noch ein Glas Wein zu trinken und Grikhas Mutter irgendwann beschloss neben ihm zu sitzen und ihn zu beobachten… Ich habe die Geschichte dann einfach beendet, in dem ich gesagt habe, dass ich müde bin und ins Bett muss. Daraufhin löste sich die Runde auf.
Die nächsten 2 Tage war es mit meinem Muskelkater noch schlimmer, aber gottseidank wird in Georgien zur Osterzeit so viel Alkohol getrunken… so hats nicht ganz so weh getan 😉
Das letzte Kapitel meiner Reise: Ostersonntag! Ich bin morgens schon um 8 Uhr aufgestanden, weil ich die Morgensonne genießen wollte und weil ich Grikha wecken sollte, damit wir bereits früh auf den Friedhof gehen können. Aber wir sind ja in Georgien und alles kam anders. Schon morgens kamen Nachbarn und Freunde. Es wurden rote hardgekochte Eier aneinander geschlagen. Der jüngere darf immer von oben… ich hab meistens verloren ;( Ein Freund Grikhas kam und holte uns ab, um mit uns gemeinsam auf den Friedhof zu gehen. Aber davor musste angestoßen werden. Der Bruder des Freundes hatte letztes Jahr im März selbstmord begangen und so galt der erste Tost ihm und all den Toten, die nicht an diesem Festtag mit uns sein konnten. Danach auf die Lebenden und danach auf uns, alle Freunde und unsere Familien. Das war morgens um 10 Uhr uns so ging es den ganzen Tag weiter… Wir sind also leicht beschwippst zum Friedhof. Dort war schon einiges los. Es hatte für mich ein wenig den Anschein von fröhlichem Treiben und Beisammensein. Überall gab es Wein, Paska (Georgischen Kuchen), rote Eier und Süßigkeiten auf kleinen Tischen neben den Gräbern. Auch auf den Gräbern selbst lagen Eier. Grikha und sein Freund gingen von Grab zu Grab und gossen Wein über den Sand, das ist ein Symbol für ein gemeinsames Mahl mit den Toten. Man soll mit ihnen essen und trinken. Für mich war es trotzdem komisch. Am Grab des Freundes saß dessen Mutter und bot uns Essen und Getränke an. Wir redeten kurz mit ihr und gingen danach zu den Verwandten der Familie nach Hause. Dort wurde wieder gemeinsam getrunken, doch ich merkte das Grikha schnell weiter wollte. Er fühlte sich dort nicht wohl, und selbst ich, die ich den Toten garnicht kannte, war den Tränen nahe! Durch eine kleine Tür im Garten gelangten wir ins Nachbargrundstück und dort erlebte ich das große Wunder der georgischen Küche 🙂 Bei Tschaba, einem weiteren Freund Grikhas, tranken wir wieder Wein und während wir saßen und tranken wurde eine Köstlichkeit nach der anderen auf den Tisch gestellt, bis kein Platz mehr war. Es gab Käse, gebratene Auberginen mit Nussmus, Kuchen, Obst, Salat, Brot, … ich saß da und kam aus dem Staunen nicht mehr raus und dann natürlich mein Lieblingswort: Tschame! Iss! Ich probierte alles und zum Schluss wurde mir trotzdem vorgeworfen, dass ich nichts essen würde 😛 So ging das Spiel bestimmt bei 5 Häusern und immer wieder trinken und essen und Eier aneinander schlagen. Ich glaub das erste mal als ich wirklich betrunken auf die Uhr schaute war es 12.30! Zu einem Zeitpunkt mussten Grikha und ich dann nach Hause, da es an der Zeit war selbst Gäste zu empfangen. Seine beiden Schwestern mit Mann und Kind waren auch da, Tante, Freundin der Tante… es war fullhouse! Es gab Kuchen, Torte, Maisbrei, Salat, Brot, Sazivi also Nusssauce mit kaltem Fleisch (dafür musste sogar einer der beiden Truthahn-Männer sein Leben lassen), Wein, Wein, Wein und Schnaps! Danach zogen wir weiter und trafen uns irgendwann wieder bei dem kleinen Treffpunkt vor der Schule. Wir packten uns zu sechst ins Auto und fuhren irgendwohin neben den Fluss, drehten die Musik auf und machten Party in der Urta-Disko! Ab und zu fuhren Taxis mit Menschen vorbei, die uns freudig winkten und ab und zu besuchte uns jemand, der mittanzte 😉 Auf dem Nachhause-Weg trafen wir noch einen alten Mann der alleine vor seinem Haus saß und dem Grikha irgendwann mal 2 Tassen aus Tbilissi mitgebracht hatte. Der Mann hatte ihm versprochen nicht ohne ihn aus den Tassen zu trinken und so war doch gleich der richtige Zeitpunkt für dieses Ereignis gefunden! Rein ins Haus, auf den Wein, aufeinander geschlagen die Eier! Ich musste Grikha nach Hause tragen 😉 aber ich hab es gerne gemacht, das war meine Revanche für so einen schönen Tag und so ein grandioses Wochenende! Mir ging es am nächsten Tag auch FAST nicht schlecht, wobei ich mich schon ab und zu fragte, warum der Maschrutkafahrer so rasant in die Kurven fahren musste! Aber der hatte bestimmt auch noch nen Kater!
Ostern in Georgien ist super! Und jetzt ist auch wirklich mein Langzeitprojekt geboren… ich werde ein georgisches Kochbuch schreiben, passend zu den Jahreszeiten/ Festen und mit vielen Bildern. Nächsten Montag lerne ich bei Nino Paska zu backen und wir haben auch schon einen Termin, um gemeinsam Chinkali (Teigtaschen mit Hackfleischfüllung) zu kochen! Wenn ich Grikha das nächste Mal besuche werde ich lernen diese Auberginen mit Nussfüllung zu machen und noch vieles mehr… ich hab mir sagen lassen, das braucht man um einen georgischen Ehemann zu finden…
4 Kommentare