Gestern kam ich wieder mit dem falschen Mehl aus dem Supermarkt. Es gibt hier 3 Sorten, und in 10 Monaten habe ich es noch kein mal geschafft das richtig zu kaufen. Die Frau vor mir an der Kasse kauft eingeschweißte Hühnerhälse, Eis und Duschgel kostet doppelt so viel wie in Deutschland. Es schneit – die Schnapszeit hat begonnen. Schnaps zu Mittag ist jetzt genau wie Bier zum Frühstück: völlig normal. Shots bekommt man hier zu 4 cl, und auch das nur, wenn man nach einem kleinen fragt, zuhause trinkt man Selbstgebrannten, Slivovice Hrusovic um sich die Kälte aus dem Leib zu brennen.
Die Werbungsleinwände hier sind so groß, es ist einfach zu glauben sie beherrschen die Stadt von ihren hohen Sitzen. Die am meiner Haltestelle zeigt ab einer bestimmten Stunde die Zeit, neulich malte ich im flackernden Licht der Sekunden der dürren Frau auf der Säule neben mir mit Eding Kleider auf die blaue Haut. Heute kann ich kaum verstehen, wie ich so häufig an ihr vorbei gehen konnte, ohne ihr zu helfen.
Im Bus dreht jemand im Mittelgang stehend einen Joint mit so viel Shit, dass man es überall riecht. Es überdeckt dennoch weder den Geruch nach Knoblauch der Person vor mir, noch den nach Kümmel der Person hinter mir, beide treten zu nahe an mich heran.
In der Cajovna, der Teestube in der Krajinska in der Innenstadt, im 2. Stock eines Hinterhauses treffe ich Vasek. Er sieht zu oft in meinen Ausschnitt und spricht zu schnell. „Pomalu“, sage ich ihm. „Pomalu – Langsam“, er versteht meine Grammatikfehler nicht, wir brauchen Ewigkeiten für jeden Satz.
In der Cajovna, der Teestube in der Krajinska in der Innenstadt, im 2. Stock eines Hinterhauses klingelt man eine kleine Glocke, damit ein Kellner kommt, sie akzeptieren deine Privatsphäre. Die losen Teeblätter werden in Gläsern aufbewahrt, aufgestapelt hinter der Theke des zweistöckigen Raumes, einer der wenigen Orte hier an denen man nicht raucht, außer eine besondere Shisha, die – wenn man sie kaufen würde – mehr kostet als der durchschnittliche Monatslohn eines Tschechen. Ich ziehe einen Schal über meinen Ausschnitt, Vasek sieht beschämt nach unten. Das war die stärkste Anmache, der ich Zeuge war, dafür wurde ich bereits drei Mal Zeuge eines Blow-Jobs in der Öffentlichkeit.
Zdenka ruft an, und sagt unser Treffen ab, sie nennt keine Gründe, die braucht man hier nicht.
Ich schlittere über den Schnee, Gehwege werden weder geräumt noch gestreut, vor mir läuft mit sicherem Schritten ein Mann mit Kinderwagen, es ist Vlasta, er denkt ich verstehe noch weniger Tschechisch als ich es tue, hat aber immer ein wie bei den meisten Menschen rares Lächeln für mich. Ein Kind an der Hand, das Baby sicher unter der Decke sehe ich ihn manchmal mit einnem Freund, sie scherzen dann und spielen mit den Kindern, heute ist er allein. Ich biege um die Ecke, nicke ihm auf wiedersehen. Ich weiß, er freut sich darauf, wenn sein Sohn in der Schule Fremdsprachen lernt, und für ihn übersetzten kann, die meisten machen das so, keiner erwartet Tschechischkenntnisse von mir. Einige Meter vor mir kläffen sich zwei Kampfratten böse an, die Frauchen nutzen das als Chance zum Smalltalk. Auf dem kleinen Sportplatz daneben spielen zwei Gruppen von Kindern Hockey und Fußball. Sie nutzen das selbe Feld zugleich, die selben Tore, ich habe nie verstanden wie sie das schaffen, ohne sich in die Quere zu kommen.
Mein Haus sieht von außen aus wie ein Fabrik, die Wohnung aber ist hell. Dreh den Schlüssel zwei Mal im Schloss, das hilft nicht gegen die Durchlässigkeit der Wände, aber dafür vielleicht gegen die Angst, die streitenden Nachbarn ständen in deinem Badezimmer. Ich stelle die Heizung höher. Im nahen Wald, direkt neben dem kleinen See in dem niemand badet, weil die Kommunisten ihn angeblich angeleg haben um „irgendetwas“ darunter zu verdecken bauen die Obdachlosen ihr Iglu aus Schnee und Plastik. Einer von ihnen nutzt Tüten als Schuhe, das ist wahrscheinlich immer noch wärmer als die High-Heels meiner 15-jährigen Schülerin Monika, die Sommers wie Winters mit ihren Netzstrumpfhosen harmonisieren, du bist hier keine Schlampe, bloß weil du einen Gürtelrock trägst.
Ein Geräusch, dass an Schüsse erinnerst bahnt sich den Weg in mein Zimmer. Ich bin nicht sicher, ob es von den ständigen Bauarbeiten in der Nachbarschaft, oder dem nahe gelegenen militärischem Übungsgebiet herrührt.
Später beobachte ich meinen Atem im Hockeystadion. Eishockey, natürlich.
„Mi chcete Gool. – Wir wollen ein Tor“, ruft die Menge begeistert, bei jeder Chance spürt man sie die Luft anhalten, um dann in einem gemeinsamen „Ti Vole!“ auszuatmen.
„Heute ist ein guter Tag“, sagt Zuzka strahlend, während die Cheerleader ihre wackelige Choreographie vorführen, und stimmt dann in die allgemeinen „Motor“ Fangesänge ein.Vor einiger Zeit wurde der offizielle Name des Hockeyclubs von „Motor“ in „Mountfiel“ umbenannt. Niemand hat dagegen protestiert. Einige Jahre später rufen sie noch immer „Motor“, jeder mit einem Grinsen im Gesicht, als wollten sie sagen:
Du magst die Banden haben, die Eintrittskarten und die Trikots der Spieler, nur ich singe lauter. Ich singe was ich will.