Freitag, der 12. September, kurz vor vier. Ich stehe mit Gastschwester und – bruder vor dem Lyzeum No. 3 .Um uns herum wuseln kleine Fünft – und Sechstklässler. Alle mit Rucksack bewaffnet und ziemlich aufgeregt. Es heißt mal wieder auf ins Lager. Für die meisten hier schon Tradition, ein paar mal im Jahr in die Idylle von Irkutskiy Rayon zu fahren. Für mich ist es das erste Mal in ein Pfadfinderlager zu fahren. Eine Sache zu der ich immer schon mal Lust hatte, aber nie die Möglichkeit. Im Sommer wird auch gezeltet. Nun im Herbst hausten und speisten wir in einer tollen Holzhütte mitten in den Bergen. Ein Platz vollkommender Ruhe.
Geschlafen wurde in typischen Jugendherbergshochbetten. Obwohl ich mich eher zu den Schülern orientierte, weil es für mich keine Aufgaben gab, wurde ich von der Lehrerin angewiesen in ihrem Zimmer zu übernachten. In den Betten erwartete mich die selben Rollmatratzen, die wir auch schon in der transibirischen Eisenbahn testen durften. Schade, ich hatte gehofft vielleicht zwei Nächte in einem bequemeren Bett, als meinem Schlafsofa zu verbringen. Auch der Trick, der Lehrerin, einfach zwei der Matten übereinader zu legen , half kaum. Ich bin betttechnisch echt verwöhnt. Zum Glück hattte ich eine richtige schöne Flauschedecke. Das machte alles besser. Die hätte ich aber eigentlich garnicht gebraucht. Meine Zimmernachbarin entpuppte sich als eine Freundin von Saunazimmern die nach Heizung riechen. Nach dem ich in der ersten Nacht lange nicht einschlief, weil es so warm war und die Heizung im Minutentakt geräuschvoll nachheitzte, machte ich sie in der folgenden Nacht einfach heimlich aus. Waren ja auch noch sieben Grad draußen, da braucht man doch keine 26 Grad in der Bude.
Das Gelände war einfach malerisch. So weit das Auge reichte Berge in dunkelgrün und hellgelb und ab und zu eine корова ( korowa geprochen), eine Kuh, in unserem Camp. Am ersten Abend hieß es erstmal Theaterspielen. Die großen Mädchen und ich waren in der Schauspielergruppe und hatten umzusetzen, was uns von der Regisseurgruppe in Textform vorgelegt werden. Der Haufen kleiner Jungs hatte einen Heidenspaß daran eine möglichst sinnlose Geschichte zu erfinden mit der wie uns abmühten. Es find an mit : Einer Prügelei vom kleinen Kanalisation Luke gegen zwei Kerle mit Monobraue. Kanalisation wollte dabei seine Freundin „Eule“ beschützen. Irgendwann kam ich dann ins Spiel , als драгон ( Dragon) Winnie Puh. Die Jungs müssen echt Spaß mit ihrem Drehbuch gehabt haben, ich habe lange nicht mehr so viel Fantasie erlebt. драгон Winnie Puh hatte drei Auftritte. Was weiter in der Geschichte passierte hab ich nicht mehr klar verstanden, die Anderen übrigens auch nicht. So hörte ich einfach wann das Wort Dragon im Text fiel und befann die Show, des kleinen dicken Drachens. Geendet hat es übrigens so. Das Eule und Kanalisation Luke (nach dem dieser mindestens zwei mal einen hervoragenden Bühnen gestorben war) mich den kleinen Drachen besänftigten in dem sie mir ihren Wodka schenkten.
Eine kleine Kompliktion gab es beim Durchgehen des Scripts vorm Spielen. Die Jungs hatten aus Spaß einen Ukrainer eingefügt. Das wollten aber die Mädchen nicht. Sie sagten:“ Wir sind doch noch Kinder und wollen nur Spaß machen. Da gehört die Poltik nicht dazu. Wir können das nicht zeigen. Wir verstehen, das doch garnicht alles richtig. Das ist nicht zum scherzen. “ Ich fand das sehr reflektiert. Also haben wir diese Szene kurzerhand umgeschrieben.
Am nächsten Morgen sollte es hoch hinaus. Dafür mussten wir jedoch zunächst einmal früh aus den Federn. Um sechs Uhr morgens war Treffen unten am Haus angesagt. Wie mir befohlen hatte ich mich warm angezogen. Das sollte mir zur Qual werden, beim Aufstieg des Berges. Es war einfach nicht kalt, so wie es versprochen war. Da вова (Vova) unsere Scouttrainer auch ein flottes Tempo drauf hatte, war ich bald daran am schwitzen und keuchen. Ich war ein bisschen sauer. Ich hätte mich nicht so warm angezogen, hätte man mich nicht dazu genötigt. Es war trotzdem schön im Dunkeln dort hoch zukrakseln und erforderte volle Konzentration. Oben angekommen war ich überglücklich mich setzen zu können, um entspannt auf die Sonne zu warten. Wir waren doch schon echt weit oben. Man konnte unser Lager sehen, den Baikalsee, der wieder aussah wie ein Meer und Listyjanka irgendwo ganz weit hinten blinken sehen. Da ich jedoch, total nassgeschwitzt war, begann ich nun wirklich an zufrieren. Es war so unangenehm. Ich höre nun bis -10 nur noch auf mein eigenes Temperaturgefühl. Das ist schließlich auch nicht auf den Kopf gefallen.
Am Nachmittag ging es dann zum Baikalsee. Vierzig Minuten Fußweg durch das ein oder andere schrullige Holzhäuserdorf, mit Ziegen, Kühen und Hunden in der Straße und alten Männern auf stotternden Beiwagenmotorrädern. Es war so schön. Ich wäre am liebsten in eins hineingegangen und hätte Borsch mit einer Oma gegessen. Meine Augen klebtem an jedem Detail. Am Baikal setze ich mich erstmal an der Kai und genoss Meeresrauschen. Ja, es ist ein See. Aber auch die Russen nennen ihn Meer. Nach einiger Zeit wurden wir durch Wind und Regen vertrieben und machten uns auf den Rückweg. Diesmal hat sich meine Funktionsjacke bezahlt gemacht, ich war die Einzige, die ziemlich trocken im Lager an kam. Am Abend hieß es dann Lagerfeuer und Gitarre. Sehr schön, meine erste Nacht unter Sternenhimmel.
Am nächsten Morgen ging es dann schon wieder nach Hause. Und der große Bruder vom Schwarzwald wird langsam gelb. Es ist Herbst.
















