Keine Migrationskarte – Schwerverbrecher ?

Als ich mich nach der Passkontrolle hinsetzte und mir einen Schnäppchenkaffee für 40 Rubel aus dem Automaten zog, war ich müde von langen Seminarnächten, froh wieder unterwegs zu sein und schmunzelig, weil ich es geschafft hatte mit dem Kontrolleur zu smalltalken. Zwar wunderte ich mich dass aus meinem Pass diesmal nicht dieser kleine weiße Zettel lugte, doch ich war geistig nicht in der Lage das zu hinterfragen. Hätte ich das mal. Registrierung ohne Migrationskarte? Нельзя! ( Auf keinen Fall! ) Also hieß es spontan C2-Kurs sausen lassen und ab zum Migrationsamt, samt Gastschwester und Gastmutter als Vermittler. Naja eigentlich war ich nur als zierendes Beweisstück anwesend. Nach einer Minute sachlicher Erklärung, war auch mir klar. Das wir hier nicht richtig waren. Richtig geraten. Am nächsten Tag ging es am Morgen direkt noch einmal in ein anderes Amt. Etwas heruntergekommen und mit Plastikstellwänden als Abgrenzung der Beamten zu den Antragstellenden. Meine Gastmutter sagte mir, dass niemand verstehe, wie ich hier sein könne, wenn ich keine Migrationskarte hätte. Naja, ich kann. Für die russischen Behörden blieb es dann doch nur eine schlechte Ausrede. Als ich heute das dritte Mal mit meiner Gastschwester dort war, bekamen wir dann endlich das gewünschte Dokument, jedoch als „ Duplikat der Migrationskarte“. Wie kann man etwas duplizieren das nie da war? Zuvor wurde ich aber noch aufgerufen. Lolanta und ich gingen mit einem Mann, der einen sehr interessant grüngemusterten Wollpullover trug, ins Vorzimmer. Dort gab der Mann uns zu verstehen, dass ich die Ärmel hoch machen sollte. Dann nahm er meine Hände und schwärzte sie unachtsam mit einer kleinen Rolle. Danach drückte er alle Finger hektisch auf einem Formularbogen ab. Alle 10 Fingerabdrücke und beide Handflächen. Jetzt bin ich eindeutig in Russland registriert. Für mich war diese Aktion ein wenig befremdlich, weil ich mir vorstelle, dass diese Maßnahme in Deutschland nicht so schnell ergriffen würde. Ich fühlte mich ein bisschen wie ein Verbrecher, dabei bin ich doch auch nur ganz normal durch die Passkontrolle gegangen und habe dabei vergessen dem netten Herren daran zu erinnern mir doch bitte diesen kleinen DinA7 Zettel auszufüllen.

Great international day

Eine kleine Laudatie an den wunderbaren gestrigen Tag.

Zunächst ging es vom Humboldzentrum aus zum Café “ Weißer Rabe“, was auf Russisch der Bedeutung des deutschen Ausdrucks  “ Schwarzes Schaaf“ gleich kommt. Das besondere an diesem Café? Es liegt versteckt im Keller eines alten Hauses und tarnt sich geschickt als Blumenladen, den man erst durchqueren muss bevor man ins Café kann. Trotzdem ist es ein sehr lebhafter Platz, weil es wohl schon lange kein Geheimnis ist, dass sich hier, hinter dem kleinen Blumenlädchen, noch ein lauschiges kleines Café befindet. Wenn so viel los ist wie gestern, kann man auch schon mal lange darauf warten, seine Bestellung endlich zu erhalten. Dafür sind Kuchen und Getränke so gut , das man glatt mal gelb vor Neid wird, wenn man sieht was für einen tollen Apfelkuchen sein Gegenüber bestellt hat. Es wurde ein toller deutsch-russischer Nachmittag, der vorallem geprägt war von Diskussionen über verschiede deutsche Dialekte oder von Versuchen nationalspezifische Sprichwörter in die jeweils andere Sprache zu übersetzen und dabei möglichst nah am Orginal zu bleiben. Mein Leipziger Freund Merlin kannte zum Beispiel unsere tolles Wort “ die Lange Elli “ nicht, obwohl die doch so wichtig ist im russischen Winter. Da wir beide nicht aus Bayern kommen war es aber auch schwer zu erklären, worin denn eigentlich der Unterschied zwischen “ Semmeln“ und “ Brötchen“ bestünde.

Nach ein paar wunderbaren Stunden ging es weiter in das nächste Café in dem eine Gruppe Couchsurfer wartete. Eine Couchsurferin mit der ich mich eigentlich zu zweit treffen wollte hatte mich spontan dazu eingeladen. Weil ich dachte Leute, die Menschen auf ihrem Sofa schlafen lassen, sind wohl tolerant genug um noch weitere Gäste herzlich zu empfangen, lud ich Merlin und Simon, den Russen mit den deutschen Wurzeln, kurzerhand auch ein. Wir waren ganz schön erstaunt als wir in dem Café eine große Runde von fast 20 Leute antrafen. Unsere internationale Truppe bestand schließlich aus: Zwei Deutschen, zwei Franzosen, einem Slowenen, zwei coolen russischen Ehepaaren und ein paar coolen Russischen Studentinnen.  Lina, stürzte sich natürlich sofort auf die beiden Franzosen, wie hätte es anders sein können. Zu meiner Verwunderung bin ich schon russischer als ich dachte. Jedesmal wenn ich Matthieu antworten wollte kam nur ein “ Da, … “ statt eines “ oui,… “  aus meinem Mund. Trotzdem war es wunderbar mal wieder etwas französisch zu sprechen und echt französisches Französisch zu hören. Matthieu war eigentlich nur zufällig in dem Café um auf seine Transib nach Ulan Bator zu warten, als sich unverhofft diese Menschenansammlung um ihn formierte. Er ist gerade auf den ersten 1000 Kilometern seiner für ein Jahr geplanten Weltreise. Pascal, der andere Franzose ist nun schon seit 7 Monaten hier, spricht fließend russisch und ist hier an einer Uni Dozent. Er war sehr verwundert, einen Deutschen zu treffen der Französisch dem Englischen vorzieht. Naja da bin ich warscheinlich auch fast alleine.

Die Zeit verstrich viel zu schnell. Jedoch wurde besprochen wieder  einen “ English Club“ auf zu machen. Einfach eine kleinen lockeren Kreis zum unterhalten, der sich regelmäßig trifft. Ich hoffe, dass das etwas wird 🙂

Arschan -(m)ein kleiner magischer Ort

Als ich letze Woche auf die kleine Insel Olchon auf dem Baikalsee fuhr, sagte man mir dort gäbe es eine magische Athmosphäre. Ja, auf Olchon gibt es kleine Dörfchen, keine befestigten Straßen, freilaufende Kühe und viele zutrauliche Streuner. (Welche von den Jungs aus Pforzheim alle liebevoll Namen bekamen. ) Auch ganz viel Sand und Steppe und einen tollen Blick auf den Baikalsee gibt es in Olchon. Trotzdem muss ich sagen, dass ich meinen Frieden eher mit Arschan gemacht habe. Ein kleines Dorf in der Republik Burjatien. Mit einem alten Schulbus, der wirklich sehr old-schooled war-Auch vom Geruch und Fahrgefühl, ging es in fünf Stunden in  Richtung “ sibirische Alpen“. Warum fünf Stunden, statt der von Google angegebenen drei ? Da der alte Bus ganz schön arbeiten musste, um uns das bergige Gelände hoch zu bringen.

Unser Abenteuerbus

Unser Abenteuerbus

 

Angekommen in Arschan mussten wir noch einige kleine improvisierte Brücken meistern, die den Übergang über  den Bach erlauben, der hier mitten durch das Dorf läuft.  Außerdem gab ging es über eine Drahtseilbrücke, die schön schaukelte. Olga, die Reiseleiterin und Deutschlehrin, verglich sie liebevoll mit der Golden Gate Brigde.

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Eine kleine Golden Gate Brigde?

Schon auf dem Weg zum Lager genoß ich die schöne Natur, den Wald, den kristallklaren Bach und auch die vielen tollen Holzhäuschen. Zu meiner Begeisterung  blieben wir die Nacht in einem kleinen Häuserdorf mit  vielen niedlichen Kätzchen und drei netten Hunden.

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Meine kleine Bude, kuschelig warm mit gemauertem Holzofen

Es war alles so friedlich. Durch den lichten Wald, in dem unsere Häuser lagen, blinzelte die Sonne. Es war mal wieder so eine perfekte Filmszene. Schade, dass wir nur eine Nacht blieben.

Ein kleines Kätzchen für Marvin

Ein kleines Kätzchen für Marvin

Nach dem Mittagessen ging es dann zu Fuß auf zum kleinen Wasserfall. Der Quelle dem der schöne Bach entsprang, welcher später auch dem Baikalsee zuläuft. Das Wasser hier war klar und eiskalt, trotzdem trauten sich zwei der Pforzheimer Austauschschüler hinein. Respekt!

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Die Quelle des besten Trinkwassers

Am Abend ging es noch in eine typisch russische Banja für alle die wollten. Die Banja ist eine russische Sauna. Im Gegensatz zu Deutschen, ist hier der Ofen direkt im Saunaraum und der Aufguss wird auf heiße Steine gemacht. Das besondere an der Banja, ist das Abklopfen des Körpers durch einen Wedel aus Birkenästen. Diese werden zuvor in heißes Wasser aus dem Tank des Ofens getaucht.  Ich fand es sehr schön. Für andere war es etwas zu heiß. Ich hoffe ich werde bald wieder in den Genuss einer Banja kommen.

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Auf ins Lager, ihr Pfadfinder!

Freitag, der 12. September, kurz vor vier. Ich stehe mit Gastschwester und – bruder vor dem Lyzeum No. 3 .Um uns herum wuseln kleine Fünft – und Sechstklässler. Alle mit Rucksack bewaffnet und ziemlich aufgeregt. Es heißt mal wieder auf ins Lager. Für die meisten hier schon Tradition, ein paar mal im Jahr in die Idylle von Irkutskiy Rayon zu fahren. Für mich ist es das erste Mal in ein Pfadfinderlager zu fahren. Eine Sache zu der ich immer schon mal Lust hatte, aber nie die Möglichkeit.  Im Sommer wird auch gezeltet. Nun im Herbst hausten und speisten wir in einer tollen Holzhütte mitten in den Bergen. Ein Platz vollkommender Ruhe.

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Unsere Hütte irgendwo im Nirgendwo

Geschlafen wurde in typischen Jugendherbergshochbetten. Obwohl ich mich eher zu den Schülern orientierte, weil es für mich keine Aufgaben gab, wurde ich von der Lehrerin angewiesen in ihrem Zimmer zu übernachten.  In den Betten erwartete mich die selben Rollmatratzen, die wir auch schon in der transibirischen Eisenbahn testen durften. Schade, ich hatte gehofft vielleicht zwei Nächte in einem bequemeren Bett, als meinem Schlafsofa zu verbringen. Auch der Trick, der Lehrerin, einfach zwei der Matten übereinader zu legen , half kaum. Ich bin betttechnisch echt verwöhnt. Zum Glück hattte ich eine richtige schöne Flauschedecke. Das machte alles besser. Die hätte ich aber eigentlich garnicht gebraucht. Meine Zimmernachbarin entpuppte sich als eine Freundin von Saunazimmern die nach Heizung riechen. Nach dem ich in der ersten Nacht lange nicht einschlief, weil es so warm war und die Heizung im Minutentakt geräuschvoll nachheitzte, machte ich sie in der folgenden Nacht einfach heimlich aus. Waren ja auch noch sieben Grad draußen, da braucht man doch keine 26 Grad in der Bude.

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Ausblick vom Balkon

Das Gelände war einfach malerisch. So weit das Auge reichte Berge in dunkelgrün und hellgelb und ab und zu eine корова ( korowa geprochen), eine Kuh, in unserem Camp. Am ersten Abend hieß es erstmal Theaterspielen. Die großen Mädchen und ich waren in der Schauspielergruppe und hatten umzusetzen, was uns von der Regisseurgruppe in Textform vorgelegt werden. Der Haufen kleiner Jungs hatte einen Heidenspaß daran eine möglichst sinnlose Geschichte zu erfinden mit der wie uns abmühten. Es find an mit : Einer Prügelei vom kleinen Kanalisation Luke gegen zwei Kerle mit Monobraue. Kanalisation wollte dabei seine Freundin „Eule“ beschützen. Irgendwann kam ich dann ins Spiel , als драгон ( Dragon) Winnie Puh. Die Jungs müssen echt Spaß mit ihrem Drehbuch gehabt haben, ich habe lange nicht mehr so viel Fantasie erlebt. драгон Winnie Puh hatte drei Auftritte. Was weiter in der Geschichte passierte hab ich nicht mehr klar verstanden, die Anderen übrigens auch nicht. So hörte ich einfach wann das Wort Dragon im Text fiel und befann die Show, des kleinen dicken Drachens. Geendet hat es übrigens so. Das Eule und Kanalisation Luke (nach dem dieser mindestens zwei mal einen hervoragenden Bühnen gestorben war) mich den kleinen Drachen besänftigten in dem sie mir ihren Wodka schenkten.

Eine kleine Kompliktion gab es beim Durchgehen des Scripts vorm Spielen. Die Jungs hatten aus Spaß einen Ukrainer eingefügt. Das wollten aber die Mädchen nicht. Sie sagten:“ Wir sind doch noch Kinder und wollen nur Spaß machen. Da gehört die Poltik nicht dazu. Wir können das nicht zeigen. Wir verstehen, das doch garnicht alles richtig. Das ist nicht zum scherzen. “ Ich fand das sehr reflektiert. Also haben wir diese Szene kurzerhand umgeschrieben.

 

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Dieser Berg sollte es also sein

Am nächsten Morgen sollte es hoch hinaus. Dafür mussten wir jedoch zunächst einmal früh aus den Federn. Um sechs Uhr morgens war Treffen unten am Haus angesagt. Wie mir befohlen hatte ich mich warm angezogen. Das sollte mir zur Qual werden, beim Aufstieg des Berges. Es war einfach nicht kalt, so wie es versprochen war. Da вова (Vova) unsere Scouttrainer auch ein flottes Tempo drauf hatte, war ich bald daran am schwitzen und keuchen. Ich war ein bisschen sauer. Ich hätte mich  nicht so warm angezogen, hätte man mich nicht dazu genötigt. Es war trotzdem schön im Dunkeln dort hoch zukrakseln und erforderte volle Konzentration. Oben angekommen war ich überglücklich mich setzen zu können, um entspannt auf die Sonne zu warten. Wir waren doch schon echt weit oben. Man konnte unser Lager sehen, den Baikalsee, der wieder aussah wie ein Meer und Listyjanka irgendwo ganz weit hinten blinken sehen. Da ich jedoch, total nassgeschwitzt war, begann ich nun wirklich an zufrieren. Es war so unangenehm. Ich höre nun bis -10 nur noch auf mein eigenes Temperaturgefühl. Das ist schließlich auch nicht auf den Kopf gefallen.

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Noch schläft die Sonne

 

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Unser super Scouttrainer вова (Vova gesprochen) hält Ausschau nach der Sonne

 

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Here comes the Sun – Beatles

 

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Foto des Tages !

 

Baikalsee, diese mal von einer untouristischen Seite

Baikalsee, diese mal von einer untouristischen Seite

 

Am Nachmittag ging es dann zum Baikalsee. Vierzig Minuten Fußweg durch das ein oder andere schrullige Holzhäuserdorf, mit Ziegen, Kühen und Hunden in der Straße und alten Männern auf stotternden Beiwagenmotorrädern. Es war so schön. Ich wäre am liebsten in eins hineingegangen und hätte Borsch mit einer Oma gegessen. Meine Augen klebtem an jedem Detail. Am Baikal setze ich mich erstmal an der Kai und genoss Meeresrauschen. Ja, es ist ein See. Aber auch die Russen nennen ihn Meer. Nach einiger Zeit wurden wir durch Wind  und Regen vertrieben und machten uns auf den Rückweg. Diesmal hat sich meine Funktionsjacke bezahlt gemacht, ich war die Einzige, die ziemlich trocken im Lager an kam. Am Abend hieß es dann Lagerfeuer und Gitarre. Sehr schön, meine erste Nacht unter Sternenhimmel.

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Am nächsten Morgen ging es dann schon wieder nach Hause. Und der große Bruder vom Schwarzwald wird langsam gelb. Es ist Herbst.