Ein Tisch für mich

Die Reise auf der Suche nach mir selbst hat nicht erst jetzt begonnen. Im Gegenteil, sie besteht vermutlich seit ich denken kann, aber erst jetzt habe ich mir bewusst die Zeit dafür genommen. Die Monate und Jahre zuvor waren gefüllt mit Stress, unzähligen Aktivitäten, Aufgaben, Festivitäten. Keine Zeit, um mich mit mir selbst an einen Tisch zu setzen. Es war ein ständiges hetzen ohne mich mit mir selbst wirklich so richtig zu vernetzen. Ich war auf beiden Augen blind. Obwohl ich so viel gesehen, erlebt und gefühlt habe, habe ich gleichzeitig so viel verpasst. Zu viele Informationen, die ich längst wieder verworfen habe, um neue aufzunehmen. Wie soll ich mich auf das Leben konzentrieren, wenn ich es nicht aktiv versuche wahrzunehmen? Ich habe beschlossen die Augen zu öffnen und mich mit der echten, unbeschleunigten Version des Lebens auseinanderzusetzen. Wir sind nun allein. Du und ich und ich und du. Du bist ich und ich bin du. Anfangs waren wir überfordert mit der Stille um uns herum. Es waren nur wir beide. Aber wenn man genau hinhört liegt so viel mehr in der Stille, liegt so viel zwischen den Zeilen. Es gibt keinen Grund mehr durch die Welt zu eilen und endlich können die tiefen Wunden langsam heilen.

Ich spüre das kühle Wasser auf meiner Haut, ich höre die Kieselsteine, wie sie von den Wellen getragen werden, ich sehe die kleinsten Fische im riesigen Ozean tanzen. Ich nehme die Farben wahr, sehe welche Schönheit im Mensch Sein liegen kann. Es sind die kleinsten Momente, in denen mein Herz laut lachen möchte. Egal, ob das Kind auf dem Weg nach Hause, welches seiner Mama stolz die neuste Malerei aus dem Kindergarten zeigt oder das Pärchen am Strand, was sich über den rotbemalten Sonnenuntergang Himmel freut. Egal, ob der Schüler aus dem Deutschunterricht, welcher seiner Lehrerin eine Tafel Schokolade mitbringt, weil er 5min eher gehen durfte oder die Frau, die von der anderen Straßenseite zurücklächelt. Es ist das süße „Halloooo Lillyyy, do you want to drink a coffee with me“ von meiner Mitbewohnerin. Es sind die Liebesbriefe von meinen FreundInnen an mich, die ich mit Tränen in den Augen lesen durfte. Es ist der WhatsApp Status meiner Mama mit den Worten „Du schaffst das mein Kind“. Es sind die Videos von meiner Schwester, in denen sie mir beichtet wie sehr sie mich vermisst. Es ist das Kompliment „Du strahlst wie ein Sonnenschein“ von einer Freundin und die beruhigende Fortsetzung „aber auch du darfst mal traurig sein“. Es sind die ehrlichen Nachrichten von meinem Papa, die mich zum Nachdenken anregen und es sind die liebevollen Nachfragen von meinen Liebsten. Denn auch, wenn ich mich meinen Gefühlen alleine stellen muss, weiß ich dass ich nicht alleine bin. Ich habe Menschen um mich herum, die mich be- oder unbewusst von Herzen ermutigen. Sie sind das Salz im Meer, die mich im Notfall auffangen, wenn mir die Kraft zum schwimmen fehlt.

Ich sitze in meinem Bett, bin müde vom feiern, mein Fenster ist offen und der leichte Windzug fühlt sich erfrischend gut an. Meine Finger tippen die Buchstaben der Tastatur und ich schmunzle vor mich hin. Ich bin stolz auf mich und wie weit ich es bis hier her geschafft habe, ich bin dankbar für all die wertvollen und wunderschönen, aber auch für die negativen und schwierigen Erlebnisse. Jedes davon ist Grund dafür warum ich und du und wir so sind wie wir sind. Es ist beruhigend und beängstigend zu gleich, wie tiefsitzend Gefühle verankert sind. Es ist alles andere als leicht sich selbst intensiv in die Augen und ins Herz zu schauen, aber zu verstehen warum man was wie fühlt, bringt mich mir selbst ein Stückchen näher.

Der heutige Beitrag ist inspiriert von einem guten Freund, der mich folgendes gefragt hat: „Lilly Jo wir reden immer nur darüber warum es dir nicht gut geht oder womit du struggelst, aber ich wollte dich fragen was bis hierher und während des Prozesses gut gelaufen ist“ Und hier ist der Versuch eine Antwort darauf zu finden!

Danke fürs lesen und wie immer mausige Grüße von eurer Lilly Jo <3

Ein Monat, 34 Tage, 816 Stunden

Ein Monat, 34 Tage, 816 Stunden. So viel Zeit ist vergangen, seit dem ich hier in Kroatien wohne. „Seit dem ich in KROATIEN WOHNE“, wenn ich darüber nachdenke kommt ein Gefühl von Surrealismus auf. Nicht selten hinterfrage ich, ob das gerade die wirkliche Realität ist, in der ich lebe. Es ist Oktober, in Deutschland fallen bereits unzählige Blätter von den Bäumen und die Luft ist kühl. Es ist Oktober, ich bin 1000 km entfernt von Deutschland, war bei Sonnenuntergang baden und wir laufen Barfuß durch die Stadt. Und auch wenn ich bereits einen Monat hier verbracht habe möchte ich jedes mal erneut vor Freude weinen, wenn ich das Meer sehe (Ich sehe das Meer  jedesmal, wenn ich auf dem Balkon stehe) Und während ich unheimlich viel Zeit mit mir selbst und meinen Gedanken verbracht habe, habe ich gleichzeitig so viele neue und bereits bekannte Menschen (wieder)getroffen. Ich habe mich daran gewöhnt, dass ich alleine bin und es fühlt sich viel weniger nach Einsamkeit an. Ich laufe durch die Straßen, nehme die kleinsten Dinge intensiv wahr und stoße jedesmal wieder auf Kleinigkeiten, die ich beim letzten mal übersehen haben muss. Während meine Zeit hier erst beginnt, endet irgendwo eine andere Geschichte. Mein Herz scheint momentan gebrochen und trotzdem fängt es langsam an zu heilen. Mit jedem neuen Tag, mit jedem neuen Lächeln, mithilfe aller Menschen, die ich FreundInnen nennen darf, mit jeder Umarmung, jeder einzelnen Träne, die ich vergieße, weil ich mich jeden Tag aufs neue für mich entscheide und selbsterfüllende Ziele beschließe. Diese Geschichte hat gerade erst angefangen und jeder Tag erinnert mich immer mehr daran, wie wertvoll jeder einzelne davon ist, wer die Person hinter den Kulissen ist, die die Geschichte schreibt, dass der Zeiger auf der Uhr nicht wegen eines gebrochenen Herzen stehen bleibt und dass das einzige Leben, was wir haben immer mehr davon eilt. Bis mein Herz heilt, braucht es sicher noch etwas Geduld und Zeit, aber bis es soweit ist, werde ich jedes Gefühl fühlen und alle Momente ganz behutsam auf mich wirken lassen. Und keine Sorge; neben all dem Herzschmerz, habe ich auch mindestens genauso viel wunderschönes, lustiges und herzerwärmendes erlebt. Weil ich leider schon wieder ein bisschen zu sehr abgeschweift bin, hier ein paar Beispiele in Kurzdurchlauf: ich hatte bezaubernden Besuch von ganz mausigen Menschen, ich habe mit meiner neuen Mitbewohnerin zusammen gekocht und die Abende verbracht, ich kann ein paar Wörter auf kroatisch und lerne die Sprache jetzt auch aktiv, ich war feiern, habe ganz viele kreative Ideen für die Arbeit, meine Deutschlehrerin hat mir Gemüse aus ihrem Garten mitgebracht (danke!!!) und ich bin SUPER spontan von blond zu brünett gewechselt ☆  In conclusion: Gefühlsachterbahn vom Feinsten

Und damit die mausigsten Grüße an alle, die bis hier gelesen haben <3

Zuhause Fernweh und im Fernen Heimweh

 

Der folgende Text fängt einen kleinen Teil meiner Gefühle ein. Für mich ist Zuhause vor allem ein Ort der viele Erinnerungen in sich trägt und aus Menschen besteht. Ich möchte die große weite Welt sehen und kann dabei leider nicht immer alle meine liebsten Menschen auf dieser Reise mitnehmen. Deshalb wird ein Stück von meinem Herzen immer etwas vermissen, aber es ist auch ein riesen Privileg, dass ich überhaupt einen Ort oder Menschen habe, die ich vermissen darf. Momentan beschäftige ich mich viel mit der Frage nach Zugehörigkeit, weil ich das Gefühl habe irgendwo irgendwie zwischendrin zu hängen. Deshalb viel Spaß bei dem kleinen(oder großen) Einblick in meine Gefühlswelt.

In Liebe eure Lilly Jo

Die Frage nach Zugehörigkeit.

Wenn du dich nirgends und überall Zuhause fühlst. Kein Puzzleteil im ganzen Bild ergibst. Dich immer wieder in neue Orte und Menschen verliebst. Aber du am Ende mehr von deiner als sie von ihrer Liebe gibst. 

Und trotzdem sind es Erinnerungen, die mich halten. Die den Wunsch erwecken, meine Arme nicht so sehr in die große weite Welt zu strecken. Es sind die kleinsten Momente, Düfte, Geräusche und Farben, die mich daran erinnern, wie weit weg ich eigentlich bin. Faschismus und rechtsorientierte Bemerkungen, Angst, Fliehen, leise sein, heimlich wein’, verstecken spielen, aber auch Mut und Gegenwut, die in uns glüht, die Liebe und Wärme versprüht. Ich wollte immer weg, dem Ort von Zuhause entkommen. Und jetzt sitze ich hier, es ist kurz vor halb vier, das Meer liegt vor und viele Kilometer hinter mir. Ich merke, was ich vermisse, spüre die Risse, die zwischen uns wachsen. Nicht, weil ich für immer an dir hängen möchte, sondern weil du sie in dir trägst, die süßen, schmerzlichen, intensiven, herzlichen, bunten, und lehrreichen Momente. 

Wie ich den Regen tanzend auf meiner Haut verspüre, wie ich seinen Körper sanft und behutsam berühre, wie wir zusammen laut und ungehemmt lachen, wie wir gemeinsam die Nacht durchmachen, wie ich weinend am Flussufer sitze und Liebeskummer empfinde, wie ich mich mit hasserfüllten Kommentaren abfinde, während ich älter werde, jünger bin, selbstbewusst wirke, aber unsicher bin, wie ich den Duft von Weihnachten wahrnehme, wie ich deine Hand ganz vorsichtig in meine nehme, wie ich auf der Bühne stehe und meine Kunst mit anderen teile oder wie meine tiefen Wunden ganz langsam heilen.

Die Momente, die ein Teil von mir sind, ein Teil von dir sind, obwohl ich nicht weiß ob ich ein Teil von ihnen bin. Du bist kein Mensch, du bist ein Ort, ein Ort der verbindet. Und auch wenn wir augenscheinlich getrennte Wege gehen, trennen uns doch nur die Kilometer. Und bis wir uns wiedersehen, bleiben all die Bilder in meinem Herzen bestehen.

 

Gefühlschaos im Unbekannten

Liebes Tagebuch,

die letzten zwei Wochen waren gefüllt mit vielen Gefühlen, Erlebnissen und Herausforderungen. Zwischen schmerzlichen Tränen, herzlichen Lachanfällen und wohligen Umarmungen war alles dabei (die schönste war vermutlich übers Telefon von meiner 3 Jährigen Schwester). Aller Anfang ist schwer und auch dieser ist definitiv nicht leicht und trotzdem durfte ich in den ein oder anderen Augenblicken der Leichtigkeit ins Auge blicken. Alleine zu sein fühlt sich noch immer nicht wirklich gut an, umso dankbarer bin ich für die Momente in denen ich es nicht war. In diesen Momenten waren all die Zweifel unscheinbar. Baden bei Mondscheinlicht, tanzen mit Fremden nach den ein oder anderen Getränken, Sonnenstrahlen die liebevoll auf meiner Haut kitzeln, Aussichten als würde man sie malen, Karten spielen und hier und da auch mal verlieren. Bekannte Gesichter in unbekannten Gewässern und das Gefühl ein Stückchen von Zuhause im neuen zu spüren. Eine für mich wichtige Person hat mir gesagt, wenn es dir nicht gut geht stell dir die richtigen Fragen. Warum bin ich hier? Was möchte ich erreichen? Für wen tue ich das? Und auch, wenn es mir nicht leicht fällt muss ich verstehen, dass es hierbei wirklich nur um mich geht. Um mich und meine Ziele. Verstehen, dass ich hier bin, weil ich hier sein möchte. Verstehen, dass es okey ist Raum einzunehmen und sich selbst zu priorisieren.

Ich bin gespannt was mich in Zukunft erwartet und gebe mein bestes Anschluss zu finden oder mich aus meiner Komfortzone zu trauen. Vielleicht tanze ich ja schon bald Tango in einem Tanzkurs oder male kroatische Landschaften in einem Kunstkurs. Es bleibt spannend. Und damit bis zum nächsten Mal!

Mausige Grüße  e u r e   l i l l y  j o <3

PS: die erste Arbeitswoche hab ich übrigens auch gemeistert – yippie

Erwartungen und Realität

Raus in die große weite Welt, weg von Zuhause und meinen Gewohnheiten. Mich selbst finden und das Leben in vollen Zügen genießen. Neue Menschen kennenlernen und ganz viele verrückte Dinge erleben. Das waren alles Assoziationen, die in meinem Kopf schwirrten, wenn ich an die Zeit hier in Kroatien gedacht habe.

Meine Realität am Anfang dieser Reise sieht allerdings etwas anders aus; ich bin alleine, mir fällt es schwer mit den vielen neuen Lebensumständen umzugehen. Zum ersten mal alleine wohnen, zum ersten mal ganz alleine in einem neuen Land ohne Sprachkenntnisse leben und zum ersten mal so lange isoliert von vertrauten Menschen sein. Man hat viel Zeit zum nachdenken und das bedeutet nicht unbedingt immer etwas positives. Es ist still und man selbst zunächst das einzige Vertraute weit und breit. Und natürlich kommen dann Gedanken auf, die nach der großen Frage des Seins greifen wollen. „Bevor man sich selbst finden kann, muss man sich erst einmal verlieren.“ Und das ist Ordnung, denn Weiterentwicklung ist immer ein Prozess, der für die wenigsten einfach zu sein scheint. Von daher alles   s t e p   b y   s t e p

Manchmal findet man ja selbst im Unbekannten Bekanntes wieder und bis dahin begleitet mich doch gerne weiter auf meiner chaotischen Reise durch die Welt ☆