Lange herrschte Stillschweigen
Statt euch am Anfang des Eintrages in zu kurzer Form zu erklären, wieso ich mich jetzt, nach über einem halben Jahr erst wieder, bzw. überhaupt noch melde, fange ich lieber an dem Punkt an, wo ich stehen geblieben bin. Meiner Rückkehr nach Črnomelj.
Ein letzter Monat. 31 letzte Tage. 744 letzte Stunden und 44.640 letzte Minuten.
LETZTE GESPRÄCHE
Wenn ich an den 9. Januar zurück denke, würde ich behaupten gestärkt und gefasst in den Flieger nach Zagreb gestiegen zu sein. Leider hat sich meine Hoffnung von einem positiven Abschluss des, für mich gescheiterten Projekts kulturweit, wieder ziemlich schnell verflüchtigt.
Zu Hause hatte ich schon mit jemandem von kulturweit gesprochen, um zu erfahren, was denn eigentlich meine Möglichkeiten sind. Ein für mich sehr emotionales Gespräch, bei dem ich mich zu schnell abgewickelt gefühlt habe – kann man das so sagen? Ich glaube schon. Gemeint ist auf jeden Fall, dass ich das Gefühl hatte, meine Situation wurde nicht ganz so ernst genommen, wie sie es verdient hätte –. Meine Möglichkeiten bestanden dann also darin
- A) komplett abzubrechen und damit nicht nur keine Bescheinigung vom FSJ im Ausland zu bekommen sondern auch noch alle erhaltenen finanziellen Leistungen von Kulturweit zurückzahlen zu müssen. (Soweit ich mich erinnere spielen da auch Krankenkassenversicherung und Kindergeld mit rein.) Die zweite Variante
- B) war, dass ich das FSJ nicht abbreche sondern „nur“ verkürze, von zwölf auf sechs Monate. Die einzigen Bedingungen, die hieran geknüpft waren: das schriftliche Einverständnis von der Schule, so wie von A. und die Kostenübernahme der Rückreise. Hört sich erstmal gut und in den Ohren des ein oder anderen vielleicht sogar fair an.
ABER: Was wenn ich es nicht bis zum Ende ausgehalten hätte, gesundheitliche? Was wenn ich mein Einsatzland nicht mit dem Flixbus hätte verlassen können, sondern einen kurzfristigen Flug um die halbe Welt hätte buchen müssen?
Ich hatte Glück, bei mir war das nicht der Fall. Aber es kann mir keiner erzählen, dass nicht auch Freiwillige in Afrika, Südamerika oder Asien Probleme bekommen können und früher Ausreisen wollen oder müssen.
Mit dem Wissen und den aufbauenden Gesprächen mit meinen Eltern stand die Entscheidung jedenfalls fest und musste A. nur noch mitgeteilt werden. Und dieses Gespräch war die Kirsche auf der Sahnehaube eines Eisbechers, den ich als Fassungslosigkeit schlechthin und dem Wunsch dass es nicht wahr sein darf, beschreiben würde.
Mit aufgeschriebenem Konzept, respektvoll formulierten Argumenten und der Hoffnung, das alles doch noch irgendwie gut wird – naiv, ich weiß – bin in das Gespräch mit A. gegangen.
Verlaufen ist das Gespräch, weniger zufriedenstellend, auch wenn das Ergebnis ein unterschriebener Antrag auf Verkürzung des Freiwilligendienstes war. Ohne alles wiederzugeben, was, meiner Meinung nach, falsch gelaufen ist in dieser Konversation, möchte ich nur die folgende Situation näher beschreiben:
Ich: Wieso hast du mich nicht gefragt, was los ist, wenn du doch gemerkt hast, dass es mir nicht gut geht?
A: Ja das habe ich gemerkt, da habe ich auch mit XY drüber gesprochen.
Ich: Ja. Aber wieso hast du mich nicht drauf angesprochen?
A: Das ist doch deine Sache.
Die Worte mögen zwar nicht exakt so gefallen sein, der Sinn war aber der gleiche.
Getoppt wurde mein Gespräch mit A. aber noch von dem sehr kurzen, aber dafür umso unglaubwürdigerem Gespräch mit dem Zuständigen von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA).
In einer Mail von ihm, die den späteren Verlauf des Gespräches in keiner Weise erahnen ließ, wurde ich um ein telefonisches Gespräch gebeten, da er meine Blog-Einträge gelesen hatte und diese aus ernst nehmen wollte. Durch seine Worte „ Auf irgendeine Weise müssen wir das Problem klären, notfalls auch mit einem Abbruch des Einsatzes in Črnomelj. Bitte verlieren Sie nicht den Mut.“ habe ich erwartet, dass ich, vor allem aber auch meine Probleme die ich hier habe, endlich ernstgenommen werden. FAAAAAAAAAAAAAALSCH GEDACHT, schon wieder.
Denn letztendlich war das einzige, was er mir mitteilte, dass er mich nicht verstehen könne, ich mit meiner Einsatzstelle und ganz besonders mit meiner Ansprechpartnerin großes Glück hätte und ich immer mit ihr reden könnte wenn es Probleme gäbe. Da diese Aneinanderreihung von Wörtern direkt nach meiner Aussage, in welcher ich meine Probleme mit A. geschildert hatte, fielen, konnte ich sie erst nicht wirklich glauben, von ernst nehmen gar nicht zu sprechen.
Meine derzeitigen Gefühle in Kombination mit der Aussicht noch Wochen dableiben zu müssen, haben die Erleichterung der Bestätigung des Antrags auf eine Verkürzung der Dienstzeit um ein wesentliches geschmälert.
EINE LETZTE WUT
Die Wut über die allmorgendliche Frage von A., wie es mir denn gehe und was ich am Wochenende schönes gemacht hätte.
Die folgenden Worte mögen sich hart anhören, aber ich habe es genauso empfunden: verlogen. Ich dachte mir nur „Krass. Wie kann man so verlogen sein und ganz unscheinbar, als wäre alles in bester Ordnung fragen wie es mir geht und erwarten eine echte Antwort zu erhalten, wenn die Tatsache, dass es mir echt schlecht ging vor ein paar Tagen, noch komplett meine alleinige Sache war.“
Und weil im Kleinen Großes immer schnell die Runde macht, wussten auch bald einige der Kollegen im Lehrerzimmer über meine frühzeitige Abreise Bescheid. Einige haben mich darauf angesprochen, auch wenn sie vorher noch nie ein Wort mit mir gewechselt haben, und wollten wissen Wieso? Weshalb? Warum? Ich habe versucht so ehrlich wie möglich zu antworten, ohne irgendjemanden dabei den schwarzen Peter zuzuschieben. Als Antwort bekam ich meistens einen mitleidigen Blick und einen Kommentar der in die Richtung „ Ja. Wenn man aus einer großen Stadt kommt, dann kann es schon mal schwierig werden, hier auf dem Land.“ Und jedes Mal dachte ich mir „Danke. Es ist ja nicht so, als hättest du versucht es mir hier irgendwie zu erleichtern.“
EIN PAAR LETZTE SCHÖNE MOMENTE
Da waren zum Beispiel die wenigen Stunden, die ich zusammen mit den beiden Freiwilligen aus Ljubljana verbracht habe. Die über 15 € teuren und insgesamt fünfstündigen Zugfahrten in die Hauptstadt haben sich schon alleine deshalb gelohnt, um einfach mal aus Črnomelj rauszukommen. Um nicht vollständig zu verzweifeln. – Es mag sich unheimlich melodramatisch anhören, an der ein oder anderen Stelle. Aber ich glaube zu dem Zeitpunkt habe ich viele Dinge extremer wahrgenommen und stärker empfunden. – Danke an euch beiden, Frederike und Jakob. Ich glaube ihr habt mir mehr geholfen als euch, aber auch mir bewusst war.
Mit einem der Schüler, Miha, aus der zweiten Klasse (vgl. elfte Klasse des dt. Schulsystems) habe ich mich ziemlich gut verstanden und als ich ihm erzählt habe, dass ich früher gehe und warum, hat ihn das auch etwas wütend gemacht. Und so blöd es sich auch anhören mag, aber dieses kleine Stück Verständnis und Nachempfinden meiner Situation und Emotionen, hat mich in dem Moment glücklich gemacht.
Was wirklich toll war, zum Abschluss habe ich mit ein paar Schülern und Schülerinnen aus Mihas Klasse etwas zusammen gekocht. Das war ein wirklich schöner Nachmittag. Und an meinem vorletzten Tag sind wir alle zusammen nach der Schule noch eine heiße Schokolade trinken gegangen. Das war ein schöner Abschluss für mich.
Auch wenn dieser am nächsten Tag etwas dadurch geschmälert wurde, dass ich – mal wieder – von einer Schülerin, mit der ich mich etwas austauschen wollte, weil sie die Schule gewechselt hat, versetzt wurde.
DAS LETZTE WORT : DANKE
Obwohl sich die Tage davor alles in mir gegen einen „netten Abschied“ von A. gesträubt hat, waren meine letzten Worte an sie ein „ Dankeschön“.
Zum einen, weil ich glaube, dass mir selbst ein „nicht schöner“ Abschied nicht gut getan hätte, auch wenn ich lange lange das Bedürfnis in mir gespürt habe, ihr einmal richtig die Meinung zu geigen. Und zum anderen, weil ich mir nicht sicher war, dass das alles gewollt war. Weil irgendwo hat sie sich ja bemüht. Auch wenn das Ganze nicht wirklich gut ausgegangen ist, war es so wie es ausging bestimmt nicht geplant.
Und zeigt es nicht auch ein Stück weit Stärke in den letzten Worten das hervorzuheben, was positiv, oder wenigstens vermeintlich positiv war?