Oktoberfest und Tag der deutschen Einheit

Beim Vorbereitungsseminar wurden wir vor der „deutschen Blase“ gewarnt und dass wir versuchen sollen, uns komplett auf das Leben in unserem Einsatzland einzulassen. Wenn man jetzt die Überschrift von diesem Eintrag liest, könnte man auf die Idee kommen, dass es bei mir mit dem auf-das-Leben-hier-einlassen noch nicht ganz geklappt hat. Aber das würde ich so nicht sagen. Klar habe ich mich am Anfang an alles geklammert, das etwas mit zu Hause zu tun hat und war dementsprechend glücklich, als ich Marie aus Berlin kennengelernt habe. Wir waren beide sehr überrascht, dass es hier noch eine Freiwillige aus Deutschland gibt. Gerade weil wir jeweils nicht die erste Gerneration unseres Freiwilligendienstes in Perm waren, was aber vorher scheinbar niemandem aufgefallen war. Marie bleibt ein Jahr hier und so brauche ich nicht mehr ganz so neidisch auf die Kulturweitler sein, die nicht alleine in ihrer Stadt sind. Dass ich darauf neidisch sein werde, hätte ich vor nem Monat noch gar nicht gedacht. Ich dachte mir, je weniger Kontakt zu Deutschen, desto besser. Schließlich ist eins meiner großen Ziele die Sprache zu lernen. Dieser Wunsch ist in der ersten Woche allerdings so weit in den Hintergrund gerutscht, dass ich auch damit zufrieden gewesen wäre, wenn ich kein Wort Russisch gelernt, dafür die Sache hier aber halbwegs gut überstanden hätte. Dem ist jetzt nicht mehr so. Ich bemühe mich sehr mit meiner Gastmutter Russisch zu sprechen, wobei ein Blick zu meiner Gastschwester genügt, damit sie hilft, wenn es auch mit Händen und Füßen nicht mehr klappt. Zusätzlich beginnt bald mein Sprachkurs, den ich bei einer Professorin für Englisch belegen werde. Der Unterricht wird also auf Englisch/Russisch sein. Bei dem ersten Treffen war aber kaum Englisch von Nöten, denn ich habe so gut wie alles verstaden was sie gesagt hat, als wir die Lernziele festgelegt haben. Ich kann nicht genau sagen, warum ich sie plötzlich so gut verstanden habe, andere Leute dagegen fragend ansehe, wenn sie mich nur über das Wetter in Deutschland fragen. Vielleicht liegt es daran, dass es mich an den Russischunterricht in der Schule erinnert hat. Dort war das Hörverstehen für mich immer das kleinste Problem. Man könnte jetzt denken, dass ich darin gut war, aber das Wort „Problem“ habe ich hier schon ganz richtig verwendet. Das lag nicht an der Lehrerin, oder daran, dass ich kein Talent für Sprachen habe, sondern einfach daran, dass Russisch für mich die unlogischste Sprache ist, die ich je sprechen musste! (Hierzu muss ich sagen, dass ich noch nicht viele Sprachen ausprobiert habe zu sprechen, aber die Aussage lasse ich jetzt trotzdem mal so stehen.)

Zurück zur deutschen Blase. Ich würde schon sagen, dass ich bei meiner Ankunft einen kleinen Kulturschock erlitten habe. Auch wenn vieles hier den Umständen in Deutschland ähnelt, ist es nicht leicht sich einzugewöhnen. Unglaublich geholfen haben mir hier die Lehrer in meiner Einsatzstelle! Ich habe schon in den letzten Jahren in meiner Schule zu Hause gemerkt, dass Lehrer ja eigentlich ganz normale Leute sind, die nach der Schule auch ein anderes Leben haben. Und das ist in Russland nicht anders -obwohl die Zeit nach der Schule hier vielleicht ein bisschen kürzer ausfällt und teilweise nur ein paar Stunden am Abend ausmacht. Eine Lehrerin hat mich auch promt zu sich nach Hause eingeladen um mit ein paar anderen Lehrerinnen den Tag der deutschen Einheit zu feiern. Die Mischung macht’s: Am Tag davor haben wir in der Schule den Tags des Lehrers gefeiert. Im Grunde funktioniert das so: Die Lehrer gehen mit leeren Händen in die Schule und kommen mit unzähligen Blumensträußen, Pralinen, Tee und Torte wieder heraus. In der Schule übernehmen dann einige der älteren Schüler den Unterricht in den Grundschulklassen und es gibt eine Aufführung für die Lehrer. Ich kann mir gut vorstellen, dass das einigen von meinen ehemaligen Lehrern auch gefallen würde.

Abends hatte ich mich dann mit Marie und Alexej, einem ehemaligen Schüler meiner Schule, in einer Bar getroffen. Der Auftrag an Alexej: Wir würden gerne ein gutes Bier trinken. Das Ergebnis: Eine Bar mit dem Motto „Oktoberfest“. Hier muss es ja eigentlich irgendwas geben, das eine heimatliche Atmosphäre schaffen könnte. Das Bier war es allerdings nicht. Dafür waren es die drei Fernseher, die ein Spiel der Europa League zeigten. Das mag freilich nicht in Jedem ein heimisches Gefühl hervorrufen, für mich gehört es aber mittlerweile dazu. Die Namen für die Gerichte beim Aktionsmenu hätten allerdings bei den meisten wenigstens irgendein Gefühl ausgelöst. Während „1,2 Polizei“ oder „Schweinsteiger“ noch relativ nichtssagend sind, hatte „Merkel’s Sanktionen“ dann doch etwas Schockierendes an sich. Aber das möchte ich hier dann trotzdem unkommentiert lassen.

Wie es mit den heimatlichen Aspekten in meiner Gastfamilie aussieht kann ich in einem Wort beschreiben: Bauernfrühstück. Das gab es heute Abend zu essen. Und damit würde ich auch gerne diesen etwas strukturlosen Beitrag beenden.

пока́!