Archiv für den Monat: September 2015

von Heimweh und anderen (zunächst) unüberwindbaren Dingen

Rückblickend hätte ich die erste Woche gerne übersprungen. Ich hatte echt gedacht, dass mir die ganze Sache etwas leichter fallen würde -falsch gedacht. Ich muss mich an dieser Stelle wohl erstmal bei den Leuten zu Hause entschuldigen, denen ich große Sorgen bereitet habe. Meine Mutter hat sich, denke ich, mental schon darauf vorbereitet, mein Bett wieder zu beziehen, damit ich in spätestens einer Woche wieder darin schlafen kann. Aber irgendwie hat sie es dann doch geschafft, mich aufzubauen. „Dein Leben kann noch früh genug so langweilig werden, wie du möchtest.“ Der Satz hatte komischerweise etwas beruhigendes an sich. Damit wollte sie nicht sagen, dass mein Leben bis dahin langweilig war oder dass alle, die nicht ins Ausland gehen, ein langweiliges Leben führen. Ich glaube, sie wollte mir nur klar machen, dass mir zu Hause alle Möglichkeiten offen stehen, mein Leben so zu führen, wie ich das möchte und ich jetzt erstmal aufgeschlossen sein soll, für alle Erfahrungen, die ich hier machen kann. Und eigentlich ist es auch egal, was damit gemeint war, es halt geholfen -danke dafür!

Was mich am Anfang ganz stark gestört hat, war die kleine Wohnung. Das liegt wohl daran, dass ich in der Hinsicht ein wenig verwöhnt bin. Vom großen Bauernhaus mit nem Bad, das ich mir lediglich mit meiner Schwester teilen muss, in eine 1,5 Zimmerwohnung mit Bad ohne Waschbecken. Die drei Katzen, mit denen meine Gastmutter, -schwester und ich uns die Wohnung teilen, konnten dann die Situation auch nicht gerade verbessern. In meiner Verfassung war das natürlich extrem praktisch. Ich konnte jedem über die schlechten Wohnbedingungen erzählen und mein starkes Heimweh damit ein bisscher besser rechtfertigen. Jetzt würde ich einen Großteil gerne wieder zurücknehmen. Nein, die Wohnung ist nicht größer geworden und die Katzen laufen auch immernoch überall herum. Was sich dafür stark geändert hat, ist meine Sicht auf die Dinge. Ich habe mich arrangiert und sehe mittlerweile alles ein bisschen positiver. Seine Hände kann man auch sehr gut in der Badewanne waschen und solange die Katzen nicht in mein (eigenes!) Zimmer laufen, kann ich auch ihre Haare ertragen. Meine Gastfamilie kümmert sich total lieb um mich und tut alles, damit ich mich nicht langweile. Und was für mich am wichtigsten ist: Das Essen schmeckt. In der Hinsicht wurde ich auf dem Vorbereitungsseminar perfekt vorbereitet: Viel Gemüse und viele Kekse. Meine Gastmutter ist sehr orthodox und isst deswegen selten Fleisch, was für mich überhaupt kein Problem darstellt -eher im Gegenteil. Dafür esse ich umso mehr Nachtisch! Der Backofen in unserer Küche funktionert zwar nicht, aber es werden regelmäßig alle möglichen Fertig“torten“ mitgebracht. Und bis jetzt haben alle geschmeckt! Auch im Speisesaal meiner Schule gibt es jeden Tag irgedwelche gefüllten Gebäcke. Allerdings muss man hier ein bisschen vorsichtig sein! Manchmal ist da nämlich keine Sahnecrème, sondern Kohl oder Hackfleisch drin. Schmeckt natürlich auch, aber wenn man nach dem Essen genüßlich in solch ein Gebäck beißt (wohlgemerkt in Erwartung eines süßen Nachtisches), muss man schon darauf achten, dass einem nicht die Gesichtszüge entgleiten. Und meinen Lehrerkollegen entgeht in der Hinsicht rein gar nichts! Zu meiner Einsatzstelle schreibe ich aber wann anders mehr. Jetzt sollte ich schlafen gehen, damit ich morgen genau da wieder fit auftauche.

споко́йной но́чи!

throwback

Ein bisschen verspätet fange ich jetzt auch mal an meinen Blog zu schreiben. Eigentlich ist sowas nicht wirklich mein Ding, aber auf das Drängen meiner Familie hin habe ich mich dann doch entschieden, es zu versuchen.

Jetzt bin ich schon zwei Wochen in Perm, aber ich weiß noch genau, wie ich mich gefühlt habe, als es ernst wurde. Das Vorbereitungsseminar war auf einmal schon vorbei und ich hatte noch drei Tage, die ich mit meiner Familie und meinen Freunden verbrigen konnte. Zu dem Zeitpunkt war mir das fast zu viel! Ich weiß nicht, was mit mir während der 10 Tage in Werbellin passiert ist, aber ich hatte auf einmal richtig Lust auf Russland! Dazu muss ich sagen, dass ich mich vorher ernsthaft gefragt habe, warum ich mir das überhaupt antue. Warum blieb ich nicht einfach zu Hause und ließ alles so wunderbar, wie es gerade war?  Und nach den drei Tagen zu Hause kam gerade diese Frage wieder auf, aber da gab es kein zurück mehr. Nach einem tränenreichen Abschied und einigen komplizierten Umpackaktionen (23kg ist halt nicht die Welt) am Flughafen in Hamburg war ich dann plötzlich alleine -und so habe ich mich auch gefühlt. Ich kann nicht sagen, dass ich keine Erfahrungen im Reisen habe -ganz im Gegenteil- aber in dem Augenblick war ich mir sicher, dass ich in Moskau in den falschen Flieger steige und in China landen werde! Wider Erwarten bin ich dann doch in Perm angekommen, wo meine Gastfamilie mich bereits erwartete.

Jetzt war ich in Perm. In Russland. In Europa -so gerade eben noch. Perm ist natürlich nicht die östlichste Stadt Europas, allerdings die östlichste Millionenstadt. Und das war auch das, was ich zu Hause gesagt habe, wenn ich gefragt wurde, wo Perm denn überhaupt liegt. Ich muss zugeben, dass ich mich erst relativ spät daran gemacht habe, Informationen über die Stadt zu finden, in der ich 5 Monate leben werde. Das hat dafür mein Opa umso intensiver gemacht. Bei jedem Treffen habe ich etwas neues erfahren. Perm war mal eine verbotene Stadt, sie ist fast 3500 km von zu Hause weg und liegt am Ural Gebirge. Das habe ich dann brav an Jeden, der es wissen wollte, weitergegeben. Was das für mich bedeuten würde, wusste ich da noch nicht. Und ehrlich gesagt weiß ich das jetzt auch noch nicht. Perm ist eine normale Großstadt und für mich als Dorfkind ist es genauso aufregend hier zu leben, wie in jeder andere Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern. Natürlich gibt es Unterschiede zu deutschen Städten, besonders was den Zustand der Straßen und der Busse und Straßenbahnen betrifft, aber es ist lange nicht so schlimm, wie mir von Einigen zu Hause prophezeit wurde. Was mir allerdings sofort aufgefallen ist, sind die vielen kleinen Blumenkiosks (so nenn ich sie), die es an jeder Straßenecke gibt. Die Russen schenken sich wohl gerne Blumen. Allerdings muss man hier vorsichtig sein! Ich habe mir sagen lassen, dass man sich nur eine ungerade Anzahl an Blumen schenkt, eine gerade Anzahl ist für die Toten gedacht. Könnte vielleicht noch ganz wichtig sein.

Das war’s erstmal für heute. 14 Tage lassen sich leider nicht so schnell zusammenfassen. Ich werde versuchen alles in den nächsten Tagen auf einen aktuellen Stand zu bringen.

 

покa!