Unterwegs per Bus, Bahn, Fähre

Sommer-Reise:
1.Teil (23.-31.06.12) Armenien – Georgien – Schwarzes Meer – Ukraine

Als ich mich vor Monaten zur kulturweit-Fahrradkarawane anmeldete, entschied ich mich spontan für die Baltikumsroute. Geographisch gesehen von Armenien aus zwar nicht ganz naheliegend, aber die Ostsee reizte mich mehr als die Donau (auch weil es dort keine Berge gibt). Daran, dass ich den sogleich lose entworfenen Plan einer Bus-, Zug- und Fährreise von Armenien nach Litauen wirklich in die Tat umsetzen würde, hatte ich bis zuletzt selber nicht geglaubt.
Umso höher war meine Vorfreude auf die nächsten 27 Tage, als am 23. Juni um 15.15 Uhr ein Zug den Bahnhof von Yerevan verließ – denn ich befand mich tatsächlich darin!

Hier nun also ein paar Eindrücke meiner Reise…

1.Tag
Im Gepäck habe ich – neben einer groben Reiseplanung –  unter anderem einen großen Fotoapparat, den LonelyPlanet Ukraine, ein Russisch-Wörterbuch, eine Jazzve (armenischer Wasserkochtopf), warme Pullover fürs Baltikum, eine Fahrradlenkertasche, ein paar Bücher und Musik für lange Bus-, Zug- und Fährfahrten, armenische Schokofrüchte, meinen Schlafsack,… Alles verstaut im großen Wanderrucksack.
Der erste Streckenabschnitt führt mich von Yerevan nach Batumi an der georgischen Schwarzmeerküste. Der Nachtzug fährt bereits kurz nach drei Uhr nachmittags ab, um die ca. 650 km lange Strecke nach Batumi bis zum nächsten Morgen zu bewältigen. Nach einer langen Fahrt bei Tageslicht durch die traurige Erdbebenregion, einer Einladung meiner drei männlichen Mitreisenden zu Kognak aus dem Flachmann (die ich dankend ablehnte) und anschließend zu Kaffee frisch aus der Jazzve (die ich gerne annahm), bringe ich noch am Abend die Grenze und die Passkontrollen hinter mich und kann beruhigt schlafen.
(Schliefe man vor Ende der sich manchmal über die ganze Nachfahrt hinstreckenden Grenzkontrollen ein, könnte es vorkommen, dass der eigene Reisepass an der armenischen Grenze beim Einsammeln der Pässe nicht bedacht würde. Da man selbst in diesem Falle wohl immer noch schliefe, würde dies erst einige Stunden später von georgischen Grenzbeamten bemerkt werden. Diesen bliebe nichts anderes übrig, als den entsprechenden Reisenden, ungeachtet seiner/ihrer Gepäckmenge, vorhandenen oder auch nicht vorhandenen Sprach- und Ortskenntnissen sowie der jeweiligen Tageszeit, kurzerhand des Zuges zu verweisen und zur Kilometer entfernt liegenden Autogrenze bringen zu lassen. Dort wäre gegebenenfalls dann mit etwas Geduld und gültigen Visa ein fahrzeugloser Grenzübertritt möglich. Ich spreche aus Erfahrung.)         Landschaft aus dem Zugfenster

2.Tag
Am Bahnhof von Batumi werden die Reisenden von einem Empfangskomitee aus geschäftstüchtigen Taxifahrern und Ferienwohnungsvermieterinnen begrüßt, Uralt-Mercedesse werden vorgefahren („You need house? I have good house at sea. Look, this my car.“) Georgien ist zumindest besser auf Touristen vorbereitet als  Armenien.
Aus Prinzip warte ich auf den nächsten Bus in die Stadt. Der kommt auch ziemlich bald und zu meiner Überraschungnund Freude führt die Straße Richtung Zentrum direkt am Meer entlang.
Auch morgens um acht ist es in Batumi schon ziemlich warm. Palmen und kilometerlanger Steinstrand am strahlend blauen Schwarzen Meer entschädigen  den schweißtreibenden Fußmarsch der Uferpromenade entlang.
Um zehn Uhr kann ich endlich im Ticketoffice mein Fährticket abholen und mein Gepäck abgeben. Für Batumi habe ich dann nur noch eine Stunde Zeit. Schade, dieses grüne subtropische Städtchen mit seiner Mischung aus heruntergekommenen Sowjet-Bauten und etwas zu groß geratenen hypermodernen Glasgebäuden hätte ich mir gerne noch etwas länger angeschaut. Immerhin reicht die Zeit, um bei angenehmen 25 Grad Wasser- und 32 Grad Lufttemperatur schnell ins Meer zu springen. Die Badesachen liegen zwar gut verstaut in der Gepäckaufbewahrung, doch bei diesen Temperaturen ist das egal. Die nasse Kleidung trocknet anschließend beim Frühstückskaffee.
Mittags muss ich auf die Fähre einchecken. Und bin gespannt: Ganze fünf Stellen habe ich im Lonely Planet gefunden, in denen ausdrücklich von der Fährgesellschaft und dieser Route abgeraten wird („Ferry services to and from Odesa are notoriously unreliable (…) planning onward travel around these guys is folly indeed.“).
Dafür hat bisher eigentlich alles ganz gut geklappt, so dass mein verzweifelt im Zug geschmiedeter Notfallplan („Ich versuche irgendwie mit einem Bus nach Istanbul zu kommen und sehe dann weiter“) nicht zum Einsatz kommen musste.
Dass ich fast die einzige Backpackerin, überhaupt Touristin auf der Fähre bin, welche als größte kombinierte LKW und Passagierfähre einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde hat, wundert mich also nicht. Dass ich von Beginn an die Attraktion auf dem Schiff bin, wundert mich also auch nicht.

Abends um zehn legt die „Greifswald“ endlich im Hafen von Batumi ab. Auf dem Sonnendeck winken wir der Skyline des nächtlichen Batumi zum Abschied…
Batumi Batumi

3.Tag
Auf der Fähre gibt es so gut wie nichts. Dreimal am Tag werden wir per Lautsprecherdurchsage zu den Malzeiten gerufen. Den größten Teil des Tages verbringe ich lesend in meinem zum Glück recht gemütlichen Bett. In der Kabine ist alles was man braucht, sogar ein Außenfenster mit Meerblick, durch das man die wunderschönen Sonnenuntergänge genießen kann.

4.Tag
Land in Sicht!!!
Allerdings handelt es sich dabei nur um die Krim, deren Felsenküste sich ganz hinten am Horizont ausmachen lässt. Im Laufe des zweiten Tages auf See wird klar, dass wir wohl nicht wie erwartet am Abend, sondern erst am nächsten Morgen Ilichevsk in der Ukraine erreichen werden. Ich hoffe, dass mein Bett im Hostel auch am nächsten Tag noch frei ist. Hier, mitten auf dem Schwarzen Meer habe ich natürlich keinen Handyempfang.
        

5. Tag
Noch schlaftrunken sehe ich von meinem Bett aus dem Fenster – und erkenne, selbst ohne Brille, einen Hafen. Das bedeutet: Wir sind daaaa!!!
Ein paar Stunden später stehe ich – nach fast 60 Stunden auf See – endlich wieder auf festem Boden. Im Hafen von Ilichevsk. Mit immer noch zu großem Rucksack. Ohne Ukrainisches Geld. Ohne funtionierendes Handy.
Meine georgische Zimmernachbarin von der Fähre rettet mich. Nanuli fährt seit Jahren jeden Sommer nach Odessa, wo sie soweit ich das mit meinen begrenzten Russischkenntnissen richtig verstanden habe, auf dem Markt Obst verkauft. Jedenfalls kennt sie sich hier aus und nimmt mich mit zum nächsten Bus nach Odessa. Georgische Gastfreundschaft kommt hier zum Einsatz, denn nicht nur wird das Busticket für mich bezahlt, sondern ich werde sogar noch bis vor die Tür meines Hostels gebracht.
Der Boden schwankt noch ein wenig, dennoch lasse ich es mir nicht nehmen, noch am selben Abend spontan in eine Ballettaufführung im berühmten Opernhaus von Odessa zu gehen. Erschöpft von der langen Fährfahrt genieße ich die schön altmodische Inszenierung mit Pappbäumen und weißen Rüschenkleidern.
Nach der Vorstellung werfe ich einen Blick auf den Hafen sowie die berühmten Potempkin-Treppen.
Odessa       Odessa

6.Tag
Odessa wimmelt von Marktständen mit blau-weiß gestreiften Odessa-T-Shirts, Fächern, allerlei Souvenirs, Badezeug. Hier verbringen die Ukrainer also ihren Sommer. Zumindest die, die es sich leisten können. Es ist ungewohnt, auch an diesen Straßenständen, in Souvenirläden, in Restaurants und Cafés ganz selbstverständlich auf Russisch angesprochen zu werden. Unter den Touristen sind hier eher weniger Europäer und Amerikaner.
Von dem ganzen Strandurlaubs-Flair mitten in der Stadt gelockt, steige ich in eine überfüllte Straßenbahn Richtung Arcadia Beach, dem berühmtesten und angeblich schönsten Strand Odessas. Diesen verfehle ich zwar, bin aber froh, nach ziemlich langem Herumirren überhaupt an einem Strand angekommen zu sein. Zwischen Graffitis und Nacktbadebereich finde ich ein kleines Plätzchen, um mich in den Sand zu legen.

7.Tag
Für heute steht die Weiterreise nach Kiew an. Acht Stunden geht es in einem luxuriösen klimatisierten Reisebus über die Landstraßen. Bei kostenlosem Kaffee durchfahren wir in einem gemütlichen Tempo – schneller als auf armenischem Schienennetz und langsamer als auf deutschen Autobahnen –  die Ukraine in Süd-Nord-Richtung. Fast die ganze Zeit geht es mitten durch endlos weite Sonnenblumenfelder.
Im Abendrot laufe ich dann durch das wunderschöne Kiew und betrachte später, nach typisch ukrainischen Manty (Teigtaschen) zum Abendessen, im Dunkeln die Zwiebelturmkirchen mit ihren im Scheinwerferlicht märchenhaft glänzenden Goldkuppeln.
          Kiew                 Kiew

8. Tag
Weiterfahrt nach Warschau. Inzwischen weiß ich, dass mit fünf Minuten angekündigte Stops manchmal wirklich nur fünf Minuten dauern. Immer superpünktlich zurück auf meinem Platz, schaffe ich es kaum etwas zu essen zu kaufen. Der einzige längere Aufenthalt der 14-Stunden-Fahrt ist der an der ukrainisch-polnischen Grenze.  Nach knapp vier Stunden Warten setzt sich der Bus endlich wieder in Bewegung, so dass wir gegen Mitternacht mit zwei Stunden Verspätung Warschau erreichen.

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