Klara Fall von Abenteuer.

Eine Handvoll Lieblingsmomente

586 km. 586 km und ungefähr dreizehn Stunden Zugfahrt trennen mich von Rumäniens Hauptstadt. Zum Vergleich: 585 km liegen ungefähr zwischen Berlin und München. Man braucht mit dem Zug dafür allerdings nur ein Drittel der Zeit. Das ist eine Strecke die ich eigentlich nicht oft zurücklege, geschweige denn einfach mal kurz an einem Wochenende. Dass ich aber genau das gleich zweimal in vier Wochen tat, ja das hat mich selber überrascht. Über das erste Wochenende in Bukarest, Ende September, schreibe ich im vorherigen Blogpost. Der Grund für das zweite Mal, Mitte Oktober, ist im Prinzip der Gleiche. Und zwar Geburtstag feiern. Als ich die neuen Freiwilligen in Bukarest drei Wochen zuvor das erste Mal traf, hat sich durch Zufall herausgestellt, dass Hongi am selben Oktobertag wie ich geboren wurde. Da lag die Idee, gemeinsam zu feiern, nahe. Ich habe mir also wieder einen Freitag freigenommen, bin mit dem Nachtzug nach Bukarest getuckert und wir haben zusammen mit anderen Freiwilligen reingefeiert. Von Lichterketten und Luftballons über knallende Korken und stundenlanges Tanzen bis hin zu fünfzig veganen Ikea Hot Dogs und selbstgebackenen Käsekuchen war alles dabei. Wir haben zu halb Spotify getanzt, komplett die Zeit vergessen, auf unsere nächsten dreihundertfünfundsechzig  Tage angestoßen und Überraschungskonfettikanonen um null Uhr gepoppt. Wir haben auf dem Nachhauseweg Bukarest beim Aufwachen zugesehen und ich bin mehr als glücklich ins Bett gefallen. Dementsprechend spät startete der Tag für uns alle und so kam es, dass ich mein Frühstück zusammen mit Hongis WG in einem kleinen Italiener aß. Das Restaurant war ein eine-Frau-Betrieb und es war definitiv die leckerste Pasta zum Frühstück, die ich seit langem hatte. Da uns die lange Nacht allen noch etwas in den Knochen steckte, feierten wir bei einem gemütlichen Beisammensein wieder raus, lachten über die Fotos die im Laufe der Feier entstanden sind und stießen ein letztes Mal an.

In der Woche danach wurden wir alle mit einer plötzlicher Änderung überrascht: ab dem darauffolgenden Montag solle es für alle Schulkinder zwei Wochen Ferien geben. Eigentlich war nur eine Woche Herbstferien für die Grundschule geplant, nun sollten Alle zwei Wochen schulfrei haben. Viele Lehrkräfte, Schüler*innen und Freiwillige mit denen ich sprach konnten diese Entscheidung nicht nachvollziehen. In derselben Situation steckten wir schon einmal, vor ein paar Monaten, an Ostern. Damals wurden die Ferien verlängert um zwei Wochen. Wir haben dann die zusätzlich freie Zeit genutzt um ans Donaudelta zu fahren. Und auch in diesen freien Herbstwochen hatten wir uns zwei kleine Ausflüge vorgenommen. Die erste Woche verbrachten wir noch Zuhause. Wir halfen hier und da ein wenig in der Bibliothek, registrierten Bücher und sortierten sie in Regale ein. Uns kam Tilman besuchen, ein Freiwilliger aus der nächsten Stadt, und wir haben zusammen ein ziemlich schönes Wochenende verbracht. Mein persönliches Sternchen der wenigen Tage war die Entdeckung von einem neuen Lieblingsort. Eine freie Wiese auf dem höchsten Punkt des Hügels, am Rande der Stadt, dort wo die Wohnhäuser aufhören. Man fühlt sich verdammt befrei dort oben, kann so ziemlich alles um einen herum vergessen und hat eine wunderschöne Sicht hinab  auf die Stadt. Wir lagen einfach nur in der Sonne,  haben Musik gehört, Hagebutten in Juckpulver verwandelt (mehr oder wenig erfolgreich) und den wenigen Wolken an diesem Tag beim vorüberziehen zugesehen.

Nach dem Wochenende wurde ich nochmal richtig krank und hütete das Bett für ein paar Tage. Mir ging es aber im Laufe der Woche besser, sodass wir am Freitag in den Zug gestiegen sind um ein weiteres Fleckchen Erde in Rumänien zu erkunden. Unser Ziel war eine kleine mittelalterliche Stadt in Siebenbürgen. Das im Herzen Rumäniens gelegene Sighișoara sollte uns für das Wochenende beherbergen, und sich als noch viel schöner herausstellen, als ich es mir vorgestellt habe. Es schlossen sich spontan noch zwei Freiwillige den Plänen an und durch Zufall war eine Gruppe Freiwilliger aus Bukarest ebenso an dem Wochenende in Sighișoara, sodass wir zu acht die Stadt erkunden konnten. (Zu deutsch) Schäßburg besteht aus einer Ober- und Unterstadt. Davon sind Teile seit mehreren Jahren UNESCO Weltkulturerbe und wegen ihrer verwinkelten Gassen und groben Kopfsteinpflaster am besten zu Fuß zu erkunden.

Wir haben die meiste Zeit des Tages damit verbracht die bunten Häuschen zu bestaunen, Langoș auf der Stadtmauer zu futtern und die Aussichten zu genießen. Man kann auf dem Hügel der Oberstadt bei schönem Wetter wunderbar die restliche Stadt überblicken und gerade im Herbst den Blick in die bunt verfärbten Wälder auf den benachbarten Hügeln schweifen lassen. Auf dem höchsten Punkt der Stadt steht die Bergkirche, an dessen Abhang sich ein deutscher Friedhof schmiegt. Ein unfassbar friedlicher Ort mit teilweise sehr kunstvoll verzierten Gräbern, für die es sich durchaus lohnt eine Runde am Hang spazieren zu gehen.

Ich finde wir haben genau die richtige Jahreszeit abgepasst um nach Sighișoara zu fahren. Das warme Licht, die bunten Häuser und die verfärbten Blätter waren die schönste Kombination.

Ein paar Tage nach der Rückkehr aus Sighișoara kamen ein Freiwilliger aus der Küstenstadt Constanța und der Freiwillige aus der drei Stunden entfernten Kleinstadt Arad zu Besuch. Wir haben für ein paar Tage die Stadt unsicher gemacht und die schönsten Ecken Oradeas erkundet. Mittlerweile habe ich schon vielen Leuten die Stadt gezeigt und jetzt habe ich die perfekte Route ausgeklügelt um in einer schönen Kurve möglichst viel von Oradea zu sehen. Wir gingen also diese Kurve, machten Halt um die beste Pizza der Stadt (bis jetzt) zu schnabulieren und haben die Aussicht von dem Dealul Ciuperca, also dem Pilz-Hügel genossen und wurden währenddessen mal wieder mit perfektem Wetter gesegnet. Wir haben zusammen, in der für vier Leute viel zu kleinen Küche, gekocht, haben Snacks mit ins Kino geschummelt und bis früh morgens auf meinem Balkon gesessen um über Gott und die Welt zu reden und zusammen die Gedanken schweifen zu lassen. Gemeinsam fuhren wir am Freitag dann weiter nach Cluj-Napoca. Cluj ist die zweitgrößte Stadt Rumäniens und gar nicht weit weg von Oradea. Der Grund für unseren Besuch war das Transilvania Jazz Festival.

Wir hatten Tickets für zwei Abende gebucht, ich bin wirklich ohne Erwartungen angereist. Es war ein so schönes Gefühl mal wieder in ein Konzert gehen zu können und der Musik zu lauschen. Ich habe von Anderen gehört, dass es nicht das war was sie sich unter ‘‘Jazz“ vorgestellt hatten. Und wie gesagt, ich weiß gar nicht was oder ob ich mir etwas vorgestellt hatte, es war aber auf jeden Fall das, was ich gebraucht habe. Die Abende waren total beschwingend und richtig schön. Sehr beflügelnd und berauschend. Um aber nicht nur die Musik sondern auch die Stadt ein wenig aufzunehmen haben wir uns durch die Straßen der Innenstadt treiben lassen, sind durch Parks spaziert, haben gemütliche Hinterhöfe entdeckt sowie den botanischen Garten der Stadt genossen. Wenn ihr jemals in Cluj sein solltet, kann ich euch den botanischen Garten sehr ans Herz legen.

Teilweise hatte man das Gefühl man würde durch einen Wald spazieren während man Hügel auf und ab geht, über Brücken an winzigen Wasserfällen vorbei. Ich fühlte mich weit, weit weg von der Großstadt in der wir uns ja immer noch befanden. Andere botanische Gärten haben oft perfekte Beete, maßgenaue Gartenanlagen, auf Millimeter genau gestutzte Hecken, Blumen so gepflanzt, dass ihre Blüten ein buntes Muster ergeben. Das war jedenfalls das Bild, welches in meinem Kopf entstand wenn ich an botanische Gärten dachte. Doch der in Cluj war anders. Natürlicher, freier und erholsamer. Dass wir in der Nebensaison und während einer Pandemie Besuchende des Geländes waren hat man deutlich gemerkt, an der Anzahl an Menschen die einem während des Rundganges begegnet sind. Perfektes Timing, würde ich sagen…

So unverständlich diese Ferien anfangs doch erschienen, ich bin ganz dankbar dadurch die Chance gehabt zu haben den Herbst in Rumänien etwas mehr auszukosten. Einige gute Handvoll Lieblingsmomente wären ohne die Ferien nicht geschehen und einige Menschen hätte ich ohne die Ferien nicht so gut kennengelernt. Ich hätte wahrscheinlich weniger Sonnenstrahlen getankt. Ich hätte weniger Semințe geknabbert und weniger gelacht.

Auf eine Art und Weise also perfektes Timing…

 

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