verweilen.

In den letzten Monaten ist viel passiert. Richtig viel. In den Sommer startete ich mit der  Gewissheit, ja Klara, du darfst verlängern. Ja, wirklich! Du darfst bleiben, darfst nochmal richtig in den Schulalltag eintauchen, wirst wieder eine Menge toller neuer Menschen kennenlernen und ein weiteres halbes Jahr in diesem besonderen Land verbringen. Am Anfang musste ich mich selber kneifen, es hat sich nicht wirklich greifbar angefühlt. Schließlich habe ich den Wintermantel und meine Handschuhe extra in Deutschland gelassen, dachte ich werde den Sommer mit meiner Familie ausklingen lassen und gemeinsam mit Nicole hier Abschied nehmen. Ich bin Anfangs davon ausgegangen mich jetzt bereits in einen Haufen Praktika, Führerscheinstress und irgendwann Univorbereitungen zu stürzen. Stattdessen bin ich ziemlich froh das alles wenigstens noch für kurze Zeit auf die lange Bank zu schieben zu können. Dafür kann ich jetzt noch ein bisschen mehr in der Weltgeschichte herumspazieren und unterwegs hier und da entspannt Halt machen. Es hat sich mehrmals bewiesen, dass ich die schönste Entscheidung getroffen habe. Halleluja bin ich froh geblieben zu sein. Noch ein bisschen zu verweilen und noch nicht zu gehen hört sich nämlich immer noch sehr verlockend an. Und es fühlt sich ziemlich gut an.

Die Sommermonate habe ich damit verbracht verschiedene Währungen in meinem Portemonnaie  zu sammeln und Sonnenbränden zu entweichen. Ich habe die schönsten Momente mit Freund*innen verbracht und mich kurz danach von ihnen verabschieden müssen. Ich habe gelacht und geweint, vor Lachen geweint und viele Menschen noch mehr ins Herz geschlossen. Wir haben Busse verpasst, sind zu Zügen gerannt, haben auf merkwürdige Art Grenzen passiert und sind irgendwie doch immer ans Ziel gekommen. Ich habe meinen Speicher vollfotografiert und mit einer fetten Erkältung Tage am Strand verbracht. Von Stadtführungen über Museen und Ausgrabungsstätten war alles dabei, ich habe unzählige Kirchen von innen gesehen, keine Ahnung wie viele. Abends wurden die schönsten Orte zum Sonnenuntergang gesucht und meistens auch gefunden. Ich habe rumänische Melonen in riesigen Mengen genossen und mir die deutlichsten Bräunungsabdrücke von meinen Birkenstocks, die ich je hatte, erlaufen. Souvenirs in Form von Keramik, Postkarten und Piercings haben mein Gepäck vervollständigt, Narben von aufgeschürften Knien werden mich ebenfalls noch eine Weile an den Sommer erinnern. Wiedersehen und Abschied so nah beieinander wie Neuanfang und Weitermachen. Alles in Allem hatte ich es ganz schön schön…

So besonders und abwechslungsreich die Wochen auch waren, ich hab mich ziemlich gefreut wieder Zuhause zu sein. Im eigenen Bett aufzuwachen hat gut getan. In der eigenen Küche kochen zu können auch. Nachdem ich Nicole verabschiedet hatte kam mich, in den letzten Tagen der deutschen Sommerferien, meine Familie in Oradea besuchen. Das war ein ziemlich schöner, spontaner Abschluss für meine Ferien und auch gleichzeitig für meine ersten sechs Monate in Rumänien. Die letzte Unternehmung für die Sommerferien war eine lange, lange Zugreise in den Osten Rumäniens zu Marie und Jakob. Wir haben dort das Abschlussseminar erlebt obwohl Zwei von uns Dreien erst im Februar zurückgehen und sind einem Skrabbel- Fieber verfallen, dass bald in ein richtiges Fieber überging. Nach einer abenteuerlichen BlaBlaCar- Fahrt mit Notfall-Bärenalarm, sämtlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen und minimalen Kommunikationsschwierigkeiten bin ich mitten in der Nacht am Rande Oradeas wieder angekommen und habe in den Tagen danach erst mal das Bett nicht verlassen.

Wenn ich jetzt auf den ersten Monat meines neuen Halbjahres zurückblicke hat ein verlängertes Wochenende in der Hauptstadt den Platz in meinem Herz gewonnen. Um Geburtstag zu feiern bin ich über Nacht nach Bukarest gefahren und sollte die schönsten Tage erleben. Ich habe mich richtig verliebt in die Stadt. Für alle die sich dort einmal umschauen möchten, nutzt die Sommermonate! Mein Bild von Bukarest nach einem Besuch im April war ein sehr tristes, und trostloses. Ganz anders als die Stadt eigentlich sein kann! In Bukarest verstecken sich wunderschöne Wandbilder, kleine Cafes und ganz besondere Handwerksmärkte zwischen imposanten Häusern und winzigen Parks. Ich durfte während der Tage bei Kyona hausen, die selbst erst ein paar Tage in Rumänien war. Wir haben uns von der Stadt ein wenig treiben lassen und sind der Nase nach durch Bukarest spaziert. Bei schönstem Spätsommerwetter haben wir Second Hand Läden durchstöbert und in der Sonne Eis gegessen.  An jeder Ecke hätte ich stehen bleiben können und von den Details der Häuser, von den bunten Kunstwerken zwischendrin und der teilweise sehr gegensätzlichen Architektur unzählige Fotos machen können.

Wir haben typisch rumänisch gegessen, ich habe die meisten der vielen neuen Freiwilligen in Bukarest kennengelernt und auf das Geburtstagskind angestoßen. Es war ein Wochenende mit toller Stimmung, anregenden Gesprächen und ganz viel „Schön dich kennenzulernen!“.

Nun ist wieder ein bisschen Zeit vergangen und das neue Schuljahr ist bereits in vollem Gange. Meine Verwirrung und Verwechslung der Namen wurde auf ein ganz neues Level gehoben, da alle Klassen die ich im letzten Schuljahr kennenlernte jetzt in der nächsten Stufe sind. Die achte Klasse ist jetzt also nicht mehr die achte Klasse die ich bereits kannte. Aber es hat sich an der Arbeit mit den Kindern natürlich nicht viel geändert. Ein paar der Schüler innen haben sich sehr gefreut, dass ich auch nach den Ferien noch da war und fragen ganz neugierig ob Nicole wiederkommt. Es ist schön wieder in die Routine vom Arbeiten hineinzukommen, obwohl mein Arbeitsalltag alles andere als regelmäßig ist. Die Spontanität und die Unberechenbarkeit sind für mich oft Fluch und Segen zugleich. Natürlich ist die Abwechslung das Aufregende an der Schule, an einigen Tagen ist es aber total anstrengend kaum etwas zu tun zu haben und sehr viel rumzusitzen. Es gibt das totale Gegenteil an dem ich mir dreimal am Tag in den Minuten vor dem Unterricht überlege wie ich die Stunde gestalte und ständig zwischen Grundschule und Gymnasium hin und her flitze. Ich bin total dankbar für meine Arbeit und ich bin froh, dass ich wirklich gebraucht werde, weiß, dass ich unterstützen kann. Manchmal denke ich mir mittags aber auch: wäre ich mal noch länger im Bett liegen geblieben.  Die Themen „Herbst“ und alles rund um den Tag der deutschen Einheit sind gerade hoch im Kurs. Wir basteln aus Mais und Bällchen kleine Herbstwesen, legen aus bunten Blättern verschiedene Tiere und lernen kurze Gedichte.

Ich versuche das Ganze so gut es geht zu genießen, denn es wird sich schneller als ich „Rumänien“ sagen kann, von Herbstwesen in Schneemänner, von Tieren aus Blättern zu Tieren aus Keksteig und von 3.Oktober zum 24.Dezember verwandeln. Es fühlt sich schließlich erst wie ein paar vergangene Wochen an, dass es sich noch um Osterhasen, Küken und Schneeglocken drehte…