Zimmerservice in der Jurte?

Mein Handy klingelt. Stephan ruft an (Lehrer an einer anderen Schule). Was er wohl will?

„Kathrin, du hast doch nächste Woche auch ein paar Tage frei, Lust mit aufs Land zu kommen?“

„Natürlich!“, antworte ich etwas voreilig. Dann fällt mir ein, dass ich doch eigentlich so viel zu tun habe und mein Gewissen, diese Arbeit wirklich nicht zurücklassen kann. Kurz versuche ich, das Angebot abzulehnen. Stephan schafft es dann doch, mich zu überzeugen, mitzukommen.

Das bedeutet: Die nächsten Tage werden hart gearbeitet; dann habe ich mir die freien Tage auch verdient!

Also nichts wie los. Die nächsten Tage, arbeite ich mit Tuya fast ununterbrochen von morgens bis abends in der Schule, sogar samstags treffen wir uns. (Es tut mir Leid, Tuya :*:*)

Wer mich kennt, weiß eben, dass ich wohl kaum entspannt Urlaub machen könnte, wenn mich mein schlechtes Gewissen plagt, weil ich die Arbeit nicht erledigt habe. haha.

Es ist Dienstagabend. Endlich bin ich zu Hause. Ich packe meine Sachen. Mittwochmorgen geht’s los. Juhuu. Ein wenig aufgeregt bin ich ja schon. Schließlich verlasse ich das erste Mal die Grenzen von Ulaanbaatar und lerne das Landleben der Mongolei kennen.

Viel weiß ich nicht. Ich kenne die grobe Route. Gepackt habe ich nach Anweisung von Stephan. Wichtig: warme Kleidung, Schlafsack, Camping-Geschirr UND gute Laune! Okay, kein Problem.

Los geht’s.

An unserem Treffpunkt werden Stephan, der Fahrer, der Guide und ich von einem herrlichen Sonnenaufgang begrüßt! Also los, Richtung Westen, die Sonne im Nacken.

Ich freue mich, als wir die Stadtgrenzen verlassen und mich die ersten Landschaftsbilder begrüßen.

Der Fahrer schmeißt die Musik an! Der Film startet.

Mit dieser Hintergrundmusik fühlt es sich wirklich an, als schaue ich mir einen Natur- oder Tierfilm an. An meinem Fenster ziehen beeindruckende Landschaften und hunderte von Tieren vorbei.

Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Wie aus dem Nichts verlässt der Fahrer die normale Straße und steuert uns nun über eine Piste zu unserem ersten Ziel. Piste, bedeutet wirklich Piste. Nein, es ist auch kein Feldweg. Auf einem riesigen Gelände folgt man ganz grob bereits vorhandenen Reifenspuren. Immer grob in eine bestimmte Richtung. Für mich hat sich die Frage nicht geklärt, wie die Mongolen es schaffen, jedes Ziel zu finden. Von GPS oder sonstigen Begrifflichkeiten wollen sie nichts wissen. Kein Wunder, ihr Kopf ist besser als jedes technische Gerät, was in wichtigen Situationen ja doch meistens versagt.

Wir erreichen unser erstes Ziel.

Khustai National Park:

Dieser Nationalpark ist der Auswilderungspark der Ur- Wildpferde (Przewalski-Pferde; das typische mongolische Pferd, was die meisten wohl vor Augen haben, wenn sie an Pferde in der Mongolei denken), die vor ca. 50 Jahren fast ausgerottet wurden. Durch Nachzuchten wurden sie in europäischen Zoos erhalten und in den 90ern erst wieder in der Mongolei eingegliedert.

Neben den Pferden hatte der Park auch wirklich eine tolle Landschaft zu bieten.

Weiter geht’s.

Wir fahren die Piste wieder zurück. Die Angst, den Weg nicht mehr zu finden, ist verflogen. Langsam kann ich dem Fahrer vertrauen.

Übrigens: auf den Pisten tauchen manchmal wie aus dem Nichts Straßenschilder auf. Weit und breit kein Weg zu erkennen, aber immerhin bekommt man die Orientierung in welche Richtung man fahren muss.

Als nächstes steuern wir Khongo Khan, einen Berg an, an welchem wir auch übernachten werden. Nachdem wir kleine „Jurten-Imbisse“ und kleine Imbissbuden, die aussehen, wie kleine Westernstädte passiert haben, erreichen wir unser erstes Jurtencamp. Da wir die einzigen Touristen, aber auch die einzigen Menschen in der gesamten Gegend sind, bekommt jeder von uns eine eigene Jurte.

Ich fühle mich fast wie Chinggis Khaan. Meine eigene Jurte. Juhuu, das kann ja eine aufregende Nacht werden.

Bevor wir überhaupt ans schlafen denken, wandern wir auf den Khongo Khan. Mich beeindruckt, dass trotz der zahlreichen Touristen, die diesen Ort im Sommer besuchen, es weder ausgeschilderte Wege noch einen zu erkennenden Weg gibt, den man hochsteigen muss. Toll. Es ist wirklich naturbelassen. Also steigen wir ein sehr felsiges Gebirge hinauf, bis wir einen kleinen buddhistischen Tempel erreichen. Neben dem beeindruckenden kleinen Tempel ist die Aussicht unbeschreiblich.

Auf dem Rückweg besuchen wir eine mongolische Familie, die am Fuße des Berges ihr Frühlingscamp aufgeschlagen hat. Interessant, in die Jurte einer echten Nomadenfamilie hineinzublicken. Gleich werden uns Milchtee, mongolisches Gebäck und reichlich Bonbons angeboten.

Unser Fahrer kennt gefühlt jede Familie auf dem Land, was uns die Möglichkeit gibt, immer wieder bei Familien einzukehren und zu erfahren, wie sie als Nomaden auf dem Land leben.

Es ist sicherlich ein sehr hartes Leben. Orientiert an der Natur, es ist wichtig, dass die Natur das bestmöglichste für die Familien bietet, umso ein Überleben der Tiere und somit der Familie zusichern. Dieses Jahr war der Winter sehr mild. Die Tiere konnten einfach Nahrung finden und sich zahlreich vermehren. Ich hatte das Gefühl, dass alle Familien, die wir besuchten, uns dies erfreulich berichteten.

Unser Abendessen bereiten wir in der Jurte auf offenem Feuer zu, eben wie richtige Nomaden, nur das unsere Milch aus dem Supermarkt stammt und nicht von unseren eigenen Tieren. Schade eigentlich.

Ich freue mich endlich auf mein Bett in meiner eigenen Jurte. Aber nichts da. So schnell geht das nicht. Zumindest nicht für Frostbeulen. Erst mal schmeiße ich den Ofen an und warte bis es schön gemütlich warm geworden ist, bis ich in meinen Schlafsack krieche.

Einen Zimmerservice auf dem Land?

Ja, tatsächlich. Um 6:30Uhr klopft es an meiner Jurtentür. Ein Mann marschiert herein, heizt meinen Ofen. Wie praktisch! Also warte ich wieder, bis es schön warm geworden ist und stehe mit dem Sonnenaufgang auf. In der Nacht war es auch wirklich unheimlich kalt!!! Ich frage mich, wie es meine Vorgängertruppe überlebt hat, die im Januar in der Gobi war und bei denen in einer Nacht sogar die Wasserflaschen eingefroren sind. Respekt!

Nach einem leckeren Frühstück in der Jurte geht es weiter Richtung Kharkhorin.

Aber Halt! Was ist denn das? Mitten in der Steppenlandschaft eine Wüste??? Zumindest eine überdimensionale Sanddüne. Wir halten an und machen eine kleine Wanderung durch die Wüstenlandschaft. Schon mal ein Vorgeschmack auf die Sommerreise in die Gobi. Von dem kleinen Spaziergang habe ich natürlich nicht nur tolle Eindrücke und Fotos mitgebracht. Nein auch Sand, den ich heute noch in meinen Schuhen gespürt habe.

Nächster Stopp: Fruchtbarkeitshügel

Was mag das wohl sein? Naja was wohl. Ich habe es mir schon richtig vorgestellt. Ein Penis mitten auf einem Berg! An diese Stelle kommen viele Männer und beten, dass sie fruchtbar sind/bleiben/werden?! Und somit viele Kinder kriegen werden. Vielleicht sollte man solch einen Ort mal in Deutschland einrichten, um der demographischen Entwicklung einen Anstoß zu mehr Geburten zu geben?!

Nun sind wir endlich in Kharakhorin. Kharakhorin war die frühere Hauptstadt der Mongolei, von hier wurde das Weltreich der Mongolen beherrscht.

Auf dem Programm steht ein Besuch im Museum der Stadt, welches zu meinem Erstaunen im Vergleich zum Rest der Stadt wirklich sehr modern eingerichtet ist, und ein Besuch von Erdene Zuu, einem sehr großen und wirklich beeindruckenden buddhistischen Tempel.

Am Abend geht es dann wieder zu einer befreundeten Familie des Fahrers, bei welcher wir übernachten. Nun wird dann auch endlich der Wodka ausgepackt. Der Mann des Hauses und der Fahrer duellieren sich in einem Kinderspiel und machen daraus dann ein Trinkspiel, bei dem die Wodkaflasche schneller als jeder Sangriakrug im Bierkönig, um 16 Uhr geext werden kann. Toll, dass nicht nur die Deutschen auf die Idee kommen spiele wie Looping Looie umzufunktionieren.

Nach einem absolut nahrhaften Frühstück geht es weiter Richtung Westen. Die Mongolen frühstücken sehr oft, vor allem vor einem anstrengenden Tag, ein warmes Essen. So bekommen Stephan und ich von der Frau des Hauses einen Reis-Fleisch-Topf vorgesetzt. Trotz der „anstrengenden“ Reise, wie sie sagen, bin ich mir sicher, dass ich den Tag auch mit einem Brot mit Käse oder auch nur Butter überlebt hätte. Aber was macht man nicht alles, um nicht unfreundlich zu wirken? Man nimmt es dankend an und isst…:P

Weiter geht’s.

Wir fahren durch das wirklich beeindruckende Orkhontal. Tolle Aussicht. Wieder tauche ich ein in einen tollen Film lauter Natur- und Tierschauspielen. Die mongolische Musik ist wirklich passend. (Im Übrigen ist das aktuelle mongolische Musik.)

An einem nicht besonders tiefen, aber dennoch beeindruckenden Canyon, in welchem sich der Chuluut- Fluss eingegraben hat, machen wir eine kleine Mittagspause.

Am Nachmittag erreichen wir dann den Khorgo- Vulkan. Ich stelle mal wieder fest, dass ich sobald ich keine Lust mehr auf das Lehrerdasein habe, Geographie oder Geologie studieren sollte. Beeindruckend, wie die Landschaften entstehen, wie der Vulkanismus funktioniert etc.

Meine Bewunderung wird sicherlich dadurch geweckt, da der Vulkan eine wirklich bilderbuchartige Form annimmt und kilometerweite Lavagesteinsdecken zu sehen sind.

Wir übernachten in einem recht nahe am Vulkan gelegenen Jurtencamp. Hier sind wir wieder die einzigen Touristen, dass die Familie des Camps uns zum Essen einlädt. Vorher wander ich noch auf einen kleinen Berg hinauf, um die Aussicht über die Steppen der Mongolei im Sonnenuntergang genießen zu können.

Ich komme mir ein wenig vor, als mache ich Ferien auf dem Bauernhof. Ich laufe zusammen mit der Yakherde den Berg hinauf, trage kleine Ziegen durch die Gegend, streichle kleine Lämmer und trinke frische Yakmilch. Verrückt.

Am nächsten Tag steuern wir wieder den Heimweg an. Wir machen einen kurzen Halt in einer kleinen Höhle mit ewigem Eis und halten an einem noch absolut zugefrorenen See.

Abends kehren wir wieder in Kharakhorin bei der Familie ein und am nächsten Morgen machen wir uns dann auf den Heimweg nach Ulaanbaatar.

 

Insgesamt haben wir in den fünf Tagen 1600 Kilometer zurückgelegt, gefühlte 5000 Pferde und 100000 Schafe und Ziegen gesehen. Hinzu kommen etliche, Kühe/ Rinder, Yaks, Kamele, Murmeltiere, Geier, Hirsche, Mäuse, Vögel. Zahlreiche Nomadenfamilien, zumindest die Jurtenlager von Weitem gesehen und eine absolut beeindruckende Landschaft geliefert bekommen.

Leider ist es im Frühjahr noch alles braun und trocken, aber im Sommer soll alles sehr schön grün sein. Ich bin gespannt.

5 Tage kein fließendes Wasser (5 Tage ohne Dusche!) und Strom nur sehr begrenzt vorhanden.

Zu guter Letzt:  5 Tage Donnerbalken (Ja, wer weiß, was es ist??? Ich musste ja mit Erschrecken feststellen, dass nicht alle Eiflerkinder diesen Ausdruck kennen hahahaha!)

Es war eine tolle abspult lehrreiche Tour aufs Land mit vielen sehr persönlichen Eindrücken in das Leben der Nomaden.

Dazu möchte ich noch hinzufügen, dass ich es sehr beeindruckend finde, wie sie leben. Es ist teilweise wirklich so als sei man 100 Jahre zurückversetzt. Vor allem, wenn man sich vorstellt, jeden Tag Wasser an einem Fluss zu holen. Allerdings sind die meisten Familien mit einem Auto und oftmals einer Solarzelle ausgestattet, sodass sie zumindest Strom haben und der Fernseher und das Handy dürfen dann auch in einer Jurte nicht fehlen. Betrachtet man die harten Winter ist wirklich faszinierend, wie sie es machen, mit so wenig und meist nur eigenen Produkten in der heutigen schnelllebigen Zeit auszukommen.

 

Es bleibt mir nur noch:

ich freue mich auf weitere Touren aufs Land und:

I love Mongolia!

 

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